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Updated: 18.12.2012 16:00
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Niger: Soziale (Elends-)Revolte: "Kein Darben für Uran"

Nach Angaben des UN-Entwicklungsprogramms UNDP handelt es sich um das ärmste Land des Planeten. Andere Quellen, wie das jährlich erscheinende französische Wirtschaftslexikon Atlaséco, stufen den Niger jedenfalls in das Dutzend ärmster Länder ein. 63 Prozent der Bevölkerung des, mit insgesamt 11 Millionen Menschen nicht sehr dicht besiedelten, Landes leben mit weniger
als einem Euro am Tag.

Dabei mangelt es dem westafrikanischen Land nicht unbedingt an Rohstoffen, die für die hochindustrialisierten Staaten von Interesse sind. Nach Kanada und Australien ist der Niger der drittgrößte Uranproduzent der Erde. Die Hälfte des Nuklearbrennstoffs, der in französischen Atomkraftwerken verheizt wird, kommt aus dem Staat an der Grenze zwischen Sahara und Sahelgürtel ­ und in Frankreich ist die Nutzung der Atomenergie intensiviert wie in kaum einem anderen Land: Derzeit laufen 58 Reaktorblöcke. Das Uran wird hauptsächlich in zwei Bergwerken gewonnen, die von einem französisch-nigerischen Firmenkonsortium unter Kontrolle des französischen Atomkonzerns Cogema/Areva betrieben werden. In den beiden Bergwerken ist Strahlenschutz ebenso unbekannt wie Gesundheitskontrollen für die Arbeitskräfte.

Das Uranerz liefert dem Niger derzeit 72 Prozent seiner Exporteinnahmen. Ansonsten gibt es auch Erdöl in dem Staat, doch der US-Konzern Exxon, der ein Monopol auf die Förderung inne hat, lässt es bislang nicht aus der Erde holen. Zurzeit sind Vorräte in Höhe von 350 Millionen Barrel nachgewiesen, doch Exxon will das Erdöl erst fördern, wenn bewiesene Vorräte von einer Milliarde Barrel entdeckt worden sind. Daher muss das Land heute seinen gesamten Ölbedarf teuer importieren, obwohl die bisher belegten eigenen Vorräte ihm theoretisch auf 210 Jahre hinaus energetische Unabhängigkeit garantieren würden. Ein sicheres Hindernis für jede Höherentwicklung der Industrie, die bisher hauptsächlich Düngemittel für die Landwirtschaft produziert, von der über vier Fünftel der Einwohner leben.

60 Prozent der Staatseinnahmen kommen deswegen zur Zeit von außerhalb, in Form von Krediten, was die Abhängigkeit des Niger von Gläubigerstaaten und Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verstärkt. Auf Druck des IWF und der Weltbank hin wurde am 14. März dieses Jahres eine Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent auf alle Grundversorgungsgüter - Wasser, Mehl, Zucker, Milch, Speisöl und Strom ­eingeführt. Auf dem Schwarzmarkt schlugen die daraus resultierenden Preissteigerungen noch stärker durch: Die realen Preise für die Grundnahrungsmittel Reis und Hirse stiegen um 50 Prozent.

Daraufhin brachen heftige soziale Proteste aus. 150.000 Menschen demonstrierten am Tag nach der Einführung der Steuer in der Hauptstadt Niamey, das entspricht der Hälfte ihrer Einwohnerzahl. Eine Woche später blieben alle Läden in den größeren Städten geschlossen, am 9. April kam es
zu massiven Arbeitsniederlegungen im gesamten Land. Die Regierung, die seit 1999 wieder von Zivilisten geführt wird, ließ zu Beginn der Proteste die fünf Köpfe der Coalition des associations contre la cie chère, eines Initiativenbündnisses gegen die Teuerung, festnehmen und in fünf verschiedene Gefängnisse werfen. Unter dem erheblichen sozialen Druck der folgenden Wochen mussten die Verhafteten freigelassen werden, bleiben jedoch unter der Anklage eines «Komplotts gegen die nationale Sicherheit». Seitdem hat die Regierung Verhandlungen mit den Iniativen eröffnet und ein gemeinsames «Nachdenkkomitee» eingerichtet, das über alternative Einnahmequellen ­ statt der sozial bedrohlichen Steuer - beraten soll.

Interessant ist der Charakter der Trägerorganisationen der sozialen Bewegungen. Wie der Sprecher der Coalition, Mahamadou Arzika, kurz nach seiner Haftentlassung der französischen Zeitung L¹Humanité erläuterte, handelt es sich um eine «Bürgerbewegung», die an der Basis aus zuvor bestehenden Menschenorganisationen, Stadtteilgruppen und «einfachen Bürgern»
besteht. Der Grund dafür besteht darin, dass die Gewerkschaften in dem Land zu enge korporatistische Interessen einer Art Arbeiterelite vertreten, während die faktische Elendsrevolte die gesamte Bevölkerung betrifft. In den Nachbarländern, wo die Gewerkschaften einen anderen Charakter haben, unterstützen jedoch auch Arbeiterorganisationen - wie die CGT-B von Burkina
Faso ­ die Revolte im Niger.

HIER KANN MAN EINE PETITION ZUR UNTERSTÜTZUNG DER INITIATIVEN IM NIGER
UNTERSCHREIBEN : afrique21@altern.org

Bernard Schmid, Langfassung eines Artikels aus Jungle World vom 27.04.2005


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