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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Privatisierung mit Polizeigewalt: Millionenproteste Die Zeiten, in denen die Privatisierer von öffentlichen Betrieben der menschlichen Grundversorgung auf Mehrheiten in der gesellschaftlichen Debatte setzen konnten, sind - auch in Mexiko - offensichtlich vorbei. Aber da gibt es doch noch ein weiteres Mittel, das in bürgerlichen Verfassungen meist an hervorragender Stelle genannt wird: Das Gewaltmonopol. Also übernehmen die Repressionskräfte die Privatisierung, wie im Fall des Elektrizitätsunternehmens von Mexiko-Stadt und Umgebung. Gegen diesen Akt einer Regierung, deren "Wählerauftrag" mehr als unklar ist, protestierten Millionen Menschen. Denn es geht auch um grundlegende gewerkschaftliche Rechte. Dazu unsere knappe Materialsammlung "Millionenproteste gegen Privatisierungspolizei" vom 22. Oktober 2009. Millionenproteste gegen Privatisierungspolizei Die Zwangsauflösung und Besetzung der Elektrizitätswerke CLF (Compañía de Luz y Fuerza del Centro) am Samstag, 10. Oktober steht in erster Linie mit zwei gesellschaftlichen Entwicklungen in Zusammenhang: Zum einen mit der generellen Privatisierungspolitik der aufeinanderfolgenden mexikanischen Regierungen. Die Widerstände dagegen sind groß - oftmals erst recht, nachdem die Privatisierung durchgeführt wurde. Vor allem die Strompreise sind in den letzten Jahren regelrecht explodiert, weshalb es solcherart Proteste im ganzen Land gibt - was in Mexiko eher die Ausnahme als die Regel ist. So heisst es zum Beispiel: "Die soziale Ungerechtigkeit, die Umweltzerstörung durch die Staudämme und die drastisch gestiegenen Gebühren der CFE haben dafür gesorgt, dass in Chiapas von über einer Million Kunden 427 420 Abnehmer den Strom nicht mehr bezahlen" - in dem Beitrag "Die Energie gehört dem Volk!" von Luz Kerkeling, der am 26. Mai 2009 im "Neuen Deutschland" erschienen war (hier gespiegelt beim Friedensratschlag). Ebenfalls zur Einordnung kann der Beitrag "Handstreich in Mexiko" von Gerold Schmid dienen, der am 14. Oktober 2009 in der jungen welt erschienen ist und ebenfalls beim Friedensratschlag gespiegelt. Zum anderen besteht auch der Zusammenhang mit der seit Jahren andauernden Kampagne gegen die Gewerkschaften. In einem offenen Protestbrief an Herrn Calderon - in dem sie das Vorgehen der Regierung an der Verfassung messen und zum naheliegenden Schluß kommen, dass gegen die Verfassung verstoßen wurde - unterstreichen 23 landesweit bekannte Intellektuelle "la actual campaña contra el sindicalismo, sin duda una zona donde abunda la corrupción institucionalizada , se está transformando en una campaña contra la idea misma de la existencia de sindicatos y derechos laborales" (dass die gegenwärtige Kampagne gegen die Gewerkschaftsbewegung - die unter Ausnutzung der institutionalisierten Korruption stattfinde - sich in eine Kampagne verwandelt, die sich gegen die Idee der Gewerkschaft und der Arbeitsrechte richtet). Mehr in "Intelectuales: el decreto que extingue LFC contraviene la Constitución" am 14. Oktober 2009 bei Unidad publiziert. In diese Kampagne ordnet auch Dan LaBotz in seinem Beitrag "Mexican Electrical Workers Union Fights for Its Life" der am 19. Oktober 2009 beim MR-Blog erschien, das Vorgehen gegen die Gewerkschaft SME ein. Nach der jahrelangen Auseinandersetzung mit der Metallgewerkschaft sei jetzt die größte Gewerkschaft der Hauptstadt an der Reihe - auch hier unter Ausnutzung interner Korruptionsverdächtigungen. Wobei es sich bei der SME nicht nur um eine der ältesten Gewerkschaften Mexikos handelt, sondern auch um eine der wenigen, die - bei allen politischen Wendungen - noch am ehesten ihre Unabhängigkeit gegenüber staatlichem Klientelismus bewahrt haben. Dass in den Tagen nach dem Überfall in Mexikostadt alleine bereits über 300.000 Menschen protestierten lässt die Hoffnung aufkommen, dass die oppositionellen Kräfte verstehen, dass er sich gegen sie alle richtet - und jede der zahlreichen Protestaktionen quer durchs Land in den folgenden Tage hatte Tausende von TeilnehmerInnen. Der knappe Überblick "Primeras respuestas a la liquidación de Luz y Fuerza" beim mexikanischen Indymedia stellt nur die Reaktionen am allerersten Tag zusammen. Über die Großdemonstration berichtet in "Marcha multitudinaria por las calles de la ciudad de Mexico en apoyo al SME" Carolina Romero am 18. Oktober 2009 bei kaosenlared. Einen Eindruck der generellen politischen Debatte um den Vorgang liefert beispielsweise der Beitrag "Cortocircuito" von Luis Hernández Navarro am 20. Oktober 2009 bei La Jornada veröffentlicht: hier geht es sowohl um den Widerstand gegen Privatisierung als auch um die Offensive gegen die Gewerkschaften. Die zahlreichen Kommentare von LeserInnen dürften die ganz unterschiedlichen Haltungen zum Vorgehen der Regierung widerspiegeln - denn natürlich hat Calderon auch viele Anhänger, sonst könnte er kaum behaupten, die Wahl gewonnen zu haben. In dem Beitrag "Sigue oleda derechista continental" von Andrés Ávila Armella, der am 16. Oktober 2009 bei Clajadep - LaHaine erschien, ordnet der Autor diesen massiven Angriff in eine Reihe von Ereignissen ein, wie den Putsch in Honduras, Verschwörungen in Venezuela und einer medialen Haßkampagne gegen die Regierung in Nicaragua, die er insgesamt als rechte Welle auf dem Kontinent interpretiert. Die Telefongewerkschaft STRM hat eine Spezialseite "Apoyo a SME" lanciert, die als ein Bleg dafür stehen kann, dass die Solidarität innerhalb der Gewerkschaftsbewegung größer ist, als befürchtet worden war. Laufende Berichterstattung gibt es beim eigenen Radiosender der SME. Insgesamt ist die Situation kompliziert: Nach den ersten Protesten hat die Regierung massiv für Abfindungsangebote Werbung gemacht, eine Betriebsbesetzung kommt angesichts der anwesenden Militärkräfte kaum in Frage - so wird es nicht zuletzt davon abhängen, ob der für den morgigen Samstag vorbereitete "nationale Protest" deutlich machen kann, dass wirklich eine gemeinsame Aktion über alle Differenzen hinweg zustande kommt. Zusammengestellt von hrw |