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Updated: 18.12.2012 15:51
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"Sollen sie doch Benzin saufen statt Tortillas fressen..."

Die Massenkundgebungen gegen die Verteuerung der Tortillas aufgrund der wachsenden Verwendung von Mais für Biotreibstoff (?) gehen weiter. Den Bogen von der Landreform der mexikanischen Revolution bis zur heutigen Katastrophe schlägt Andres Gonzalez, Aktivist der Gewerkschaft SME in dem aktuellen Telefoninterview "Das Stichwort heisst Gruma" vom 8. Februar 2007.

Das Stichwort heisst Gruma

Andres, warum ist der Protest gegen die Verteuerung der Tortilla kein Akt der Folklore, sondern eine Bewegung, die ins Zentrum der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gerückt ist?

Zum einen, weil die Verteuerung wirklich massiv ist - und weil sie eben alle zu spüren bekommen, da muss sozusagen niemand mehr zu einer Einheitsfront aufrufen, die stellt sich durch die Entwicklung her, denn das können viele kaum noch bezahlen und es ist eben Grundnahrungsmittel. Ich habe bei der Organisation einiger Proteste an denen ich beteiligt war, mit Leuten zusammengearbeitet, mit denen ich seit 20 Jahren nur Streit hatte... Es ist eben auch historisch gewachsen: Die Landreform der Revolution war eng gekoppelt an die staatliche Stützung der Tortillapreise, das waren auch ganz direkt zentrale soziale Forderungen der massenhaften Befürwortung der Revolution damals und noch für lange Zeit danach gewesen.

Aber das ist doch sicher schon länger her, oder?

Nun, die Versuche, solcherart Errungenschaften wieder abzuschaffen, sind so alt wie die Revolution selbst, beinahe jedenfalls. Aber da sind immer wieder breite Volksbewegungen entstanden, die eine direkte Umsetzung bestehender Absichten verhindert haben - so entstand auch beispielsweise eine staatliche Verpflichtung, Reserven zu halten und Erzeugerpreise zu subventionieren, durchaus zweischneidige Sachen, die in das PRI-Konzept einer alimentierenden Diktatur passten, aber eben Menschen auch vor Hunger schützten.

Und wann sind die Einschnitte passiert?

Nun, das ist zum einen ein andauernder Prozess, zum anderen kann man zwei Zeitpunkte schon festhalten: zum einen der Staatsbankrott in den 80er Jahren, zum anderen die Mitgliedschaft im NAFTA seit 1994. Seitdem hat etwa die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten schon um ein Drittel abgenommen, schliesslich sind die Erzeugerpreise um die Hälfte gesunken und der Staat Mexiko war schon seit Salinas kein Kunde mehr, der hatte die staatlichen Kornreserven von industriellen Lebensmittelerzeugern füllen lassen, da begann der Aufstieg der Gruma-Gruppe, Unternehmen die eine industrielle Technologie der Tortillamehlerzeugung entwickelt hatten. Diese Grupo Maseca gibt es schon seit über 50 Jahren, aber in den letzten 20 ist die Unternehmensgruppe nicht nur zum Herrscher des mexikanischen sondern auch des mittelamerikanischen Mehlmarktes geworden. Das Stichwort der ganzen Entwicklung heisst schon Gruma, kann man sagen.

Oha, ein Konkurrent zum Grossen Bruder im Norden?

Aber nicht doch - engstens verbunden mit dem US-Agribusiness, nicht zuletzt mit Grossprofiteuren dortiger Kornsubventionen. Und auch sonst profitieren die USA noch auf verschiedene Weise von der Tortillakrise. So gibt es heute weniger teuere Tortillas bei Walmart - einfach weil die billiger aufkaufen, und das wird dem Unternehmen - dem grössten privaten "Arbeitgeber" Mexikos weiteres Plus bringen in seinen fast Tausend Läden im Lande. Und 2008 sollen weitere Beschränkungen im Lebensmittelimport wegfallen, dann wird Mexikos Ernährung noch mehr abhängig sein, als sie schon geworden ist. Die Popularitätskurve des NAFTA ist im Sinkflug.

Und Calderons Versprechungen?

Die zeigen doch nur, dass er schwach ist - und erschrocken darüber, dass die Unruhe kein Ende nimmt, kaum ist ein Aufruhr einigermassen ausgestanden, kommt der nächste, vielleicht woanders, vielleicht an einer ganz anderen Frage - aber ohne Ende und fast ohne Pause. Einmal davon abgesehen, dass ein Preislimit wenig wert ist, es muss billiger werden. Nein, ihr werdet noch viel aus Mexiko hören und lesen - hoffentlich bald mal etwas, was eine richtige Veränderung bedeutet.

Und die Proteste gehen weiter?

Ja, so ziemlich ohne Unterbrechung, kleine und grössere - das mit dem Höchstpreis scheint nicht zu verfangen, die Menschen wissen ja, dass das viel zu teuer ist. An jeder Strassenecke, überall sind Diskussionsgruppen, die immer das Thema haben, "sollen wir denn Benzin saufen?". Und die Menschen reden erstmals auch über die "Autogesellschaft" an sich - der galoppierende Wahnsinn wird für sie spürbar. Die populärste Figur ist jetzt jene französische Königin, die den Armen kurz vor der Revolution empfahl, doch Kuchen zu essen, wenn sie kein Brot hätten - Frau Calderon, versteht sich.

Wachsen denn verschiedene Proteste zusammen?

Das eben ist eines der Grundprobleme Mexikos seit, sagen wir mindestens einer Generation. Das Land ist gross, die Bundesstaaten öfters "für sich" und was anderswo passiert ist für viele, als passiere es in einem anderen Land - dazu kommen politische Probleme zwischen den Strömungen etcpp. Da hat, denke ich, die andere Kampagne mit ihrem Versuch zusammenzubringen einiges verdienstvolle geleistet, auch wenn das viele meiner Mitgewerkschafter anders sehen...


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