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Updated: 18.12.2012 15:51
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Stahlgigant ARCELOR kauft sich eine Eisenbahn

1991 fiel in Europa der Startschuss für die hemmungslose Demontage der integrierten staatlichen Eisenbahngesellschaften. Die neo-liberale Flutwelle, die sich da auftürmte, fing an die staatlichen Monopole im Transportsektor zu unterspülen, um die nötigen Verwertungsbedingungen für eine private Profitakkuumulation auf der Schiene zu ermöglichen.

Der Apparat der EU editierte zu diesem Zwecke ein dichtes Regelwerk an Weißbüchern und Direktiven um wie auf der Strasse Transportträger (Schiene) und Transportmittel (Züge) organisch zu trennen. Erst dann sind die Prämissen für die Privatisierung von Gewinnen und die Vergesellschaftung von Verlusten gegeben. Im Fadenkreuz stehen dabei natürlich neben dem Personalbestand die Arbeitsbedingungen bei den Bahnen. Rationalisierung durch massive Arbeitsplatzvernichtung und Leistungsverdichtung heisst die Devise um ähnliche prekäre Verhältnisse wie im Strassentransport herbei zu führen.

Wurde in den meisten europäischen Staaten eine etwas « sanftere » sprich weniger brachiale Variante der Privatisierung vorgezogen, so steht dennoch die Entwicklung in Großbritannien als beklemmendes Sinnbild für die dramatischen Konsequenzen der hemmungslosen Liberalisierungspolitik. Viele Menschen haben diese Zerschlagung des europäischen öffentlichen Transportes mit dem Leben oder ihrer Gesundheit bezahlt. Tausende von sinnvollen Arbeitsplätzen wurden zerstört während die altbewährten Sicherheitsstandards der Eisenbahnen beständig aufgeweicht wurden.

Unzählige private Gesellschaften spielen inzwischen « Cherry picker » auf der Schiene. Sie werden dort tätig, wo kurzfristig Gewinne abfallen. Die Befriedigung gesamtgesellschaftlicher Mobilitätsbedürfnisser gehört nicht unbedingt zu ihren Prioritäten. Die Rechnung für die Verbraucher wird teuer. Besaß die Bahn noch vor einiger Zeit zumindest ansatzweise einen egalitären Charakter, so wird die Fahrkarte für viele Menschen unerschwinglich. Und nicht nur die Sicherheit schwindet. Bei steigenden Preisen müssen die Verbraucher zunehmend Einbussen in der angebotenen Qualität in Kauf nehmen.

In einem ausschließlich profitorientierten Umfeld, privatwirtschaftlichen Zwängen ausgeliefert, hatten die neo-liberalen Demagogen leichtes Spiel, um die staatlichen Bahnbetriebe in ganz Europa zu diskreditieren. « Mehr Güter auf die Schiene » blieb ein leeres Schlagwort, Bestandteil der Sonntagsreden stimmenheischender Politiker. Die Bahnen blieben der deloyalen Konkurrenz der Strasse hilflos ausgeliefert.

Nun hängt über den europäischen Eisenbahner/innen ein Damoklesschwert. In Luxemburg zbsp forderte der sozialdemokratische Transportminister eine radikale Umstrukturierung des Frachtbereiches der noch staatlichen luxemburgischen Eisenbahn CFL oder aber den Abbau von 600 Arbeitsplätzen.

Ein weißer Ritter bot sofort seine helfende Hand : der Stahlmulti ARCELOR bekundete sein reges Interesse, den Frachtbereich der CFL zu übernehemen und schlug die Gründung einer neuen, privatrechtlichen Gesellschaft vor. Es ist bestimmt kein Altruismus, der die Shareholder von ARCELOR dort reitet, sondern vielmehr reine kapitalistische Profitgier. Die Kontrolle der Transportpreise ist natürlich ein wichtiger Faktor für eine optimale Profitmaximisierung. Warum also nicht zum Nulltarif eine Bahngesellschaft mit ihrem Know-how schlucken, dabei auch noch gleichzeitig den eigenen internen Transportbetrieb rationalisieren und die Werksgleise noch an den Staat veräußern ?

Arbeitsplatzvernichtung wird in Luxemburg unter Partnern « sozial verträglich » organisiert und umgesetzt. In den sogenannten Tripartite-Runden sitzen Arbeitgeber, Regierung und Gewerkschaften an einem Tisch und tun alles mögliche, um Arbeitskämpfe zu umschiffen. Das in ganz Europa viel gepriesene luxemburgische Modell ist also nichts anderes als eine nette Umschreibung für Klassenkollaboration !

Und so kam es, dass eine der entscheidensten Schlachten der luxemburgischen Sozialgeschichte geschlagen wurde, ohne dass es zu einem Kampf gekommen wäre.

Am 20ten Dezember unterschrieben die Gewerkschaften der Eisenbahner zur vollsten Zufriedenheit von Premier Juncker den Tripartite Vertrag und verhökerten ohne Murren nicht nur die hart erkämpften sozialen Errungenschaften der EisenbahnerInnen, sondern akzeptierten auch die endgültige Zerschlagung der CFL als integrierten Eisenbahnbetrieb. Wirtschaftlich unrentable Transporte werden innerhalb einer Frist von 2 Jahren ausgesetzt, die Eisenbahn zieht sich also aus der Fläche zurück.

Eine der wichtigsten Stützen der luxemburgischen Sozialgesetzgebung wurde auf dem Altar der Liberalisierung geopfert.

Hatte am Anfang der Tripartite Verhandlungen noch so ausgesehen, als ob der zaghafte Mobilisierungsansatz der linken Eisenbahngewerkschaft "Landesverband" die Expansionsgelüste des Stahlriesen ARCELOR zumindest eindämmen würde, so vollzog die Führung der einst kämpferischsten luxemburgischen Gewerkschaft eine fatale Kehrtwendung. "Landesverband" Präsident Wennmacher, noch vor Kurzem das gewerkschaftliche Aushängeschild der breiten Mobilisierung gegen die EU Verfassung und derjenige, der einst die mögliche Übernahme des CFL Frachtbereiches durch die Arcelor mit Sozialdumping und schleichender Einführung der Bolkesteindirektive verglich, erklärte selbstherrlich die Eisenbahner für nicht kampfbereit und die « minimale » Lösung seines sozialdemokratischen Kollegen, Transportminister Lux, als die weniger bitter schmeckende Pille.

Der Frachtbereich der Bahn wurde angeblich geopfert, um das Überleben einer Rumpfeisenbahn, zumindest bis auf weiteres, abzusichern. Dass bei dieser Schmierenkomödie nicht mit offenen Karten gespielt wurde und der zur Schau getragene Optimismus des Transportministers zum Drehbuch gehörte, rückt jetzt intensiver ins Bewusstsein. Das in den 20er Jahren erkämpfte Statut der Eisenbahner/innen war Garantie für die Sicherheit bei der Bahn. In der neuen privatrechtlichen Eisenbahngesellschaft ist dieses Statut ausgehebelt. Hier werden hemmungslos verschiedene Personalkategorien mit unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen gegeneinander ausgespielt: Eisenbahner gegen Arcelorarbeiter usw.

Das Abkommen vom 20. Dezember legt die Leitlinien fest. Die Detailfragen sollen auf klassische sozialpartnerschaftliche Art und Weise gelöst werden.

Die Verhandlungen bergen eine Menge sozialen Sprengstoffes. Der Spielraum der Gewerkschaften ist nun extrem eingeschränkt. Etwaige Drohgebärden an die Adresse des Patronats braucht niemand mehr ernst zu nehmen. Die Gewerkschaftsbewegung in Luxemburg hat durch diese Kapitulation vor der Liberalisierung und dem Kniefall vor den sozialdemokratischen Freunden in der Regierung enormen Schaden genommen. Die Folgen werden verheerend sein. Die im Sack gekaufte Katze wird sich schon bald als Raubtier entpuppen.

Nach den Niederlagen von 1919 stellte sich einst die europäische Arbeiterbewegung die Frage  « Wer hat uns verraten ? ».

Die Antwort hat auch heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt : Sozialdemokraten!.

Guy Schneider und Claude Thümmel; Eisenbahner und Mitglieder der Eisenbahnergewerkschaft FNCTTFEL- Landesverband


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