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Updated: 18.12.2012 15:51 |
“Parteienkriege” in Südkorea Die vollständige Fassung des Artikels von Rosso Vincenzo*, zuerst erschienen in einer gekürzten Version im Neues Deutschland vom 25.02.2008, zur aktuellen innenpolitischen Situation in Südkorea. Er geht insbesondere auf die neueste Entwicklung/Spaltung der vor knapp zehn Jahren mit großen Erwartungen von linken Gewerkschaftern (KCTU) gegründeten Democratic Labour Party (DLP) ein und enthält daher sehr interessantes Anschauungsmaterial für die begeisterten Linkspartei-Anhänger hierzulande und gerade innerhalb der DGB-Gewerkschaften. . Am heutigen Montag wird der neue, rechtskonservative, südkoreanische Präsident Lee Myung-bak als neues Staatsoberhaupt der Republik (Süd-)Korea vereidigt. Gerade noch rechtzeitig wurde Lee von schweren Betrugsvorwürfen „entlastet“, die vor seiner Wahl Mitte Dezember 2007 aufgetaucht waren. Derweil hat in den großen Parteien, im Vorfeld der für den 9.April anberaumten Parlamentswahlen, ein heftiges Hauen und Stechen begonnen, bei dem auch die Spaltung der Präsidentenpartei nicht mehr ausgeschlossen wird. Die tiefste Krise erlebt allerdings die linke Democratic Labor Party (DLP). Den südkoreanischen Medien zufolge findet derzeit in der Großen Nationalpartei (GNP) ein “Krieg” statt, in dem sich die Fraktion des kommenden Präsidenten Lee Myung-bak und die Anhänger der ehemaligen Parteichefin Park Geun-hye gegenüberstehen, die vom aktuellen Vorsitzenden Kang Jae-sup unterstützt wird. Ziel ist offenkundig Lees vollständige Machtübernahme über die Partei. Ausgerechnet der mit zahlreichen Finanzskandalen in Verbindung gebrachte ehemalige Hyundai-Manager und vormalige Bürgermeister von Seoul, Lee Myung-bak, schwingt sich dabei zum Anti-Korruptionskämpfer auf und verweigert die Nominierung von Park-Anhängern als GNP-Kandidaten bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen mit dem Argument, sie seien moralisch nicht integer. Frau Park, die ihrem Kontrahenten bei den parteiinternen Vorwahlen im August mit 48,1 % zu 49,6% nur äußerst knapp unterlegen war, fühlt sich betrogen. Hatte sie Lee doch selbst auf dem Gipfel der Enthüllungen über die von ihm im Jahr 2000 mutmaßlich gegründete Investmentfirma BBK den Rücken gestärkt, die Anleger um etliche Millionen Dollar betrogen haben soll, und dabei auf entsprechende Gegenleistungen gehofft. Nachdem es in der Nominierungsfrage keine Bewegung gibt und der GNP-Vorsitzende Kang Jae-sup Anfang des Monats den Generalsekretär, einen Gefolgsmann des Präsidenten, zum Rücktritt aufgefordert hat, wird eine Spaltung nicht mehr ausgeschlossen. Das hat im personenfixierten und stark regionalistisch geprägten Südkorea, wo die Führungsfiguren eine größere Rolle spielen als die Parteien, zwar Tradition, würde die Wahlchancen des rechten Lagers jedoch deutlich schmälern und könnte nach den Parlamentswahlen zu einer Kohabitation mit der liberalen Vereinigten Neuen Demokratischen Partei (UNDP) des bisherigen Präsidenten Roh Moo-hyun führen, die mit 46,8% schon vor vier Jahren stärkste Partei war. Doch auch sie ist nach der schweren Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen, bei denen ihr Kandidat Chung Dong-yung nur auf 26,1% kam, heillos zerstritten. Jüngere Abgeordnete fordern eine Runderneuerung und verweisen auch hier auf den Korruptionsverdacht gegen viele der alteingesessenen Honoratioren. Bereits besiegelt scheint hingegen das Schicksal der koreanischen Linkspartei DLP. Die im Januar 2000 von Aktivisten und Funktionären des linken Gewerkschaftsbundes KCTU gegründete Democratic Labor Party (Minju Nodong-dan) wurde bei den Parlamentswahlen vom 15.April 2004 mit 2,77 Millionen Stimmen (13,0 %) überraschend drittstärkste Kraft und errang 10 Sitze in der Nationalversammlung. Trotz der Massenmobilisierungen gegen das Freihandelsabkommen mit den USA im vergangenen Jahr und die weiter andauernden Streiks und Betriebsbesetzungen gegen den skrupellosen Einsatz prekärer Beschäftigung beim E-Land-Konzern erhielt der Spitzenkandidat der DLP, Kwon Young-ghil, im Dezember nur 712.000 Stimmen (3,0 %). Das war weniger als bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2002 als er 957.000 Stimmen (3,9 %) erreichte. Grund war in erster Linie die falsche Stoßrichtung des DLP-Wahlkampfes. Da sich die Kluft zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren massiv vergrößert hat, sich ein Großteil der Beschäftigten mit Zeitverträgen über Wasser halten muss, die Aktienkurse an der Seouler Börse seit Ende Juni 2007 um 22% einbrachen und Hochschulabsolventen keine ihrer Qualifikation entsprechenden Jobs mehr finden, stand die “gefühlte soziale Krise” im Mittelpunkt der Diskussion. Die DLP-Führung hingegen warb mit der Losung “Bundesrepublik Korea!” Hintergrund ist die Dominanz der pro-nordkoreanischen “Nationalen Befreiungs”-Strömung in der Partei, die getreu der Ausrichtung Pjöngjangs auf nationale Themen setzte. Nach langen Debatten und zum Teil heftigen, persönlichen Angriffen beschloss das DLP-Zentralkomitee am 19.Januar 2008 mit 161 von 272 Stimmen bis zum nächsten Parteitag eine Notstandsführung einzusetzen und wählte mit 171 gegen 77 Stimmen die DLP-Abgeordnete und ehemalige Gewerkschaftsführerin Shim Sang-jung übergangsweise zur Vorsitzenden. Sie gehört zur eher sozial-orientierten “Volksdemokratie”-Fraktion, die die Minderheit bildet. Shim wurde zunächst allerorten als die einzige Option für das Überleben der Partei betrachtet. Als sie auf dem Parteitag am 3.Februar allerdings ihr Paket zur Reform der Partei präsentierte und dabei auch die Suspendierung der Mitgliedschaft jener DLP’ler forderte, die der Spionage für Nordkorea angeklagt sind, stimmten 553 der 862 Delegierten dagegen. Shim trat daraufhin von ihrem Amt zurück und kündigte am vergangenen Sonntag (den 17.2.2008) ihren Parteiaustritt sowie die Gründung einer neuen linken Partei an. Der frühere Parteiführer Kim Hye-kyong, fünf Spitzenfunktionäre sowie zahlreiche Ortsvorsitzende folgten ihrem Schritt. Es wird erwartet, dass die gesamte “Volksdemokratie”-Fraktion die DLP verlässt. Das wird wahrscheinlich dazu führen, dass im neuen Parlament keine linke Kraft mehr vertreten ist. Angesichts der erklärten Absicht des künftigen Präsidenten Lee Myung-bak mit allen Mitteln für “sozialen Frieden zwischen Management und Arbeit” zu sorgen, “um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu steigern”, wird sich das Kampffeld aller Voraussicht nach in außerparlamentarischen und betrieblichen Bereich verlagern. Um die südkoreanische Arbeiterbewegung zu befrieden und neue Einschnitte durchzusetzen, will und muss Lee zuallererst den Einfluss des linken Gewerkschaftsbundes KCTU brechen. Vorbemerkung und Einfügungen in Klammern: * Rosso Der Name Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover, die sich nach mehr als 17jähriger Arbeit Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe: http://www.freewebtown.com/antifauni/ Rubrik "Aktuelles" bzw. die regelmäßig erneuerten Artikel, Übersetzungen und Interviews dort). Hinweise, Kritik, Lob oder Anfragen per Mail an: negroamaro@mymail.ch |