![]() |
|
Home > Internationales > Japan > jparm | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der modernisierte Kapitalismus produziert auch hier. Armut. Wer seine Miete nicht bezahlen kann, obwohl er einen Job hat, muß nicht in der sozialdemokratischen Hartz-Republik leben: Das gibt es auch in Japan. Was schon immer galt - dass nämlich die Verhältnisse in Japan zumindest eines sind: nämlich ganz anders als in bundesdeutschen Medien dargestellt - gilt auch im Zeitalter des digitalen Kapitalismus. Aspekte der sozialen Lage im heutigen Japan in dem Überblick "Armut in Japan" vom 13. September 2007. Armut in Japan In den letzten Wochen erregten verschiedene Berichte in deutschen Medien Aufsehen, die von einer Untersuchung des japanischen Arbeitsministeriums ausgingen, deren Hauptbefund es war, dass es eine neue Klasse von Obdachlosen gäbe, die die Nächte in Internetcafés verbrächten. (So etwa "Japans
neue Obdachlose leben in Internetcafes" Dass es sich bei den etwas über 5.000 Menschen meist um solche handelte, die durchaus Lohnarbeit verrichten ist nur ein Indiz dafür, daß es nicht unbedingt sozialdemokratische Hartzherrlichkeit zu sein braucht, die die Zahl der Erwerbslosen reduziert - um die Zahl jener zu erhöhen, die trotz Arbeit kein Auskommen haben. Das schafft die japanische Marktwirtschaft ganz ohne Wolfsburger ehrenwerte Herren und ihre Hannoveraner Protektionisten. Dass diese Entwicklung zu neuer Armut nicht neu ist (worüber
mensch die "alte" Armut nicht vergessen darf, die der Kapitalismus
auch in Japan immer auch zu bieten hatte), und welches die Hauptgründe
dafür sind, zeigt selbst der Länderbericht einer solch bürgerlichen
Einrichtung wie der OECD: "The proportion of non-regular workers
has risen from 19% of employees a decade ago to over 30%. Part-time workers
earn on average only 40% as much per hour as full-time workers, a gap
which appears too large to be explained by productivity differences."
Der "Economic
Survey of Japan 2006: Income inequality, poverty and social spending"
Auch andere berichten über wachsende Armut, unter verschiedensten
Gesichtspunkten: "The fact that few people on welfare have a job,
and that people working at minimum wage levels have lower incomes than
those on welfare, are problematic in terms of incentives to work. Even
so, it is also true that minimum wage levels in Japan are fairly low compared
to those in other major developed countries, and that quite a few people
who work are paid below the minimum wage. On the other hand, there has
been frequent criticism in recent years that approval for welfare benefits
is complicated by bureaucratic red tape" - so etwa in einem Kurzbericht
des "Japan
Labour Flash" Der 1. Mai der "Prekären" Am 17. Juni 2007 publizierte "Japan Focus" die
Interviewsammlung "War
is the Only Solution. A 31-year-old freeter explains the plight and future
of Japan’s Marginal Workers" Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen, die sich in jüngster
Zeit ganz eindeutig beschleunigen bzw beschleunigt werden, wird auch verständlich,
warum es am 1. Mai 2007 erstmals in Japan in verschiedenen Städten
- weit über die beiden ökonomischen Zentren Tokyo und Osaka
hinaus - zu eigenen Demonstrationen und Aktionen der ZeitarbeiterInnen
usw gekommen ist - an denen sich bisher noch nicht sehr viele beteiligt
haben, die aber eben dennoch für Tausende von Menschen die erste
Erfahrung öffentlicher Manifestation war. Über eine dieser Aktionen
berichtet Ret Marut in dem Beitrag "Precarious
workers and the cyber-homeless - Mayday march in Japan" Dass das Thema "Armut" in der japanischen gesellschaftlichen
Debatte keineswegs neu ist, sondern im ganzen 20. Jahrhundert vorhanden
und gegen Ende dieses Jahrhunderts wieder verstärkt geführt
wurde, macht - aus buddhistischer Sicht - der Beitrag "Karma,
War and Inequality in Twentieth Century Japan" Die zahlreichen Proteste die, auch gewerkschaftsübergreifend,
vor dem 1. Mai in Japan stattfanden werden in dem Bericht "Workers'
Struggles in Japan Take on Exploitation" ...auch am "anderen Ende" Dass der Konkurrenzkampf des weltweiten Kapitals auch die
"normal Beschäftigten" trifft, versteht sich von selbst.
Eine der zentralen Auseinandersetzungen dabei sind die Überstunden
- und ihre Bezahlung. Denn: Zwar ist die offizielle durchschnittliche
Arbeitszeit in Japan von 2.400 Stunden im Jahr in den 60er Jahren auf
knapp 1830 in diesem Jahrzehnt gefallen - aber in einer Erhebung 2006
wurde deutlich, dass mindestens ein Drittel aller Beschäftigten 60
Stunden die Woche arbeitet, und mehr. Jetzt gibt es eine quasi gemeinsame
Initiative von Arbeitsministerium und Unternehmensverband, dass Angestellte,
die mehr als 34.000 Dollar im Jahr verdienen keine Bezahlung mehr für
Überstunden erhalten sollen oder doch zumindest deutlich weniger.
Dies beträfe etwa 70% der 23 Millionen Angestellten des Landes, wird
in dem Bericht "The
End of Overtime Pay: More Production or Just More Work for Japan's White
Collar Workers?" Ausser der naheliegenden Tatsache, dass der aktuelle Kapitalismus
allen etwas zu bieten hat, wird darin auch eine Tendenz deutlich, die
keineswegs nur Kritiker sondern auch Analysten sozusagen neutraler Prägung
durch die Bank hervorheben: dass in all diese Gegenreformen die Tendenz
eingebaut ist, dass sich die Lage der von einzelnen Maßnahmen Betroffenen
verschlechtert - und eben gerade nicht etwa auf "neue Weise"
Anschluss an solch perverse Dinge wie den Arbeitsmarkt gefunden wird...
Eine exemplarische Fallstudie über die Entwicklung in Japan vom nichtliberalen
zum neoliberalen Kapitalismus ist der Beitrag "Nonliberal
Capitalism in the Information Age: Japan and the Politics of Telecommunications
Reform" "NTT has political clout partly because its labor union mobilizes politicians to intervene in the policy process to protect NTT jobs. The NTT labor union (All NTT Workers Union of Japan, or NTT Rodo Kumiai) plays a direct and active role in pressuring politicians to intervene in policymaking and makes specific recommendations about regulations that expose NTT to competition. In July 2003 the union invited Democratic Party leader Kan Naoto and other politicians to its annual meeting, where union leader Onodera Ryo declared that, “The nation should abolish the requirement that NTT share its fiber network.” The union was opposing KDDI’s drive to offer broadband service via fiber optic cable. The union has good reason to campaign against more competition for NTT. NTT is under great pressure to cut jobs, and has only forestalled this by introducing wage cuts. NTT cut salaries of workers over fifty by thirty percent in 2002. In some sense, this is unremarkable. Even in the U.S., where unions are weaker than in any other major industrialized country, labor unions can successfully help producers win economic policy concessions such as trade protection. What is remarkable about the Japanese telecommunications case is that the NTT union helps win concessions on domestic pricing and competition policy. This works because union pressure resonates with broadly held suspicions of the market, and because regulatory authorities lack the autonomy of U.S. or German authorities" - eine Gehaltskürzung um 30% für "die Alten" ist ganz offensichtlich ein ähnliches Erfolgsbeispiel gewerkschaftlicher Kampfkraft, wie sie auch jüngst in Deutschland sichtbar wurde. Begrenzte gewerkschaftliche Veränderungen Solche Entwicklungen haben auch dazu geführt, dass
es inzwischen gewerkschaftliche Anstrengungen gibt, mehr im "armen
Sektor" zu organisieren, etwa über eine Kampagne zur Erhöhung
des Mindestlohns. "Let
us achieve a minimum wage raise to 1,000 yen per hour using the power
of social solidarity" Einer der "Vordenker" des grösseren Gewerkschaftsbundes
RENGO hatte bereits 1999 ein Papier verfasst "Japanese
trade unions and their future: Opportunities and challenges in an era
of globalization" "It is important for unions to halt the decline in the proportion of workers who are organized. At the fourth central committee held in November 1990, one year after its foundation, Rengo confirmed its aim of a "10 million strong Rengo". However, no significant progress has yet been made in increasing the number of union members organized under Rengo. In June 1996, Rengo adopted an immediate policy to expand organized labour, targeting: -workers in small enterprises, major affiliates of
big corporations, and major non-union companies; The direct causes for declining unionization are: a) business corporations have been retrenching, which means fewer members in existing company-based unions; b) the dissolution of unions due to permanent and temporary closures exceeds the formation of new trade unions; c) unionization of part-time and temporary workers is slow because of the wide range of types of employment" - inzwischen ist RENGO bei 6,8 Millionen Mitglieder angekommen, die Gründe sind dieselben, wie damals angegeben... Die erste Welle neugeschaffener Armut des japanischen Nachkriegskapitalismus
ist im übrigen auf das engste verbunden mit der gewaltigen Säuberungswelle
japanischer Gewerkschaften im Zuge des sogenannten kalten Krieges: In
dem Beitrag "Japan’s
Red Purge: Lessons from a Saga of Suppression of Free Speech and Thought"
"The purge occurred during the US occupation of Japan from 1949 to 1951 (...) The heaviest tolls were among national civil servants and officials of regional public organizations under the pretext of ‘administrative adjustment’ during the first phase, and among workers at private corporations during the third phase. A total of over 20,000 workers from both categories were stigmatized as being ‘Red’ and purged from their workplaces, after which they were branded as social failures". Offensichtlich eine Maßnahme, die bis heute ihre Auswirkungen hat... (Zusammengestellt und kommentiert von hrw) |