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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Freunde Eumerikas? Freunde der Mullahs? Die Massendemonstrationen beider Seiten in Teheran waren im Fernsehen, die prügelnden Polizisten - die sie etwa beim G8 Treffen in der Regel nicht zeigen - haben sie, da es passt, ausführlich gezeigt. Auf Youtube kann jede und jeder, so interessiert, Aufnahmen und Filme über Demonstrationen und Konfrontationen in zahlreichen iranischen Städten sehen. Es herrscht Protest - vielleicht der grösste der letzten 30 Jahre im Iran. Und, klar: wenn diverse Regierungen und ihnen zumindest inhaltlich nahestehende Medien für die Demonstrationsfreiheit im Iran und faire Wahlen Stellung nehmen: Sollten sie zuerst bei der Wiederwahl Bushs getan haben, und ihre eigene Polizei sollten sie auch nicht bei jeder Gelegenheit loslassen. Mit einem Wort: Unglaubwürdig. Von imperialen und im konkreten dann auch Ölinteressen getrieben. Nur: Muß man dagegen das Regime der Mullahs "taktisch" unterstützen? Die progressiven Menschen vergessen, die unter diesem Regime zu leiden haben? Nicht nur vor 30 Jahren, sondern heute wieder und all die Zeit? Die kommentierte Materialsammlung "Persische Freundschaften" vom 18. Juni 2009. Persische Freundschaften Die vier Kandidaten der iranischen Präsidentschaftswahl am 12. Juni waren handverlesen: Was im Westen Parteiapparate, Denkfabriken und Werbefachleute tun, erledigt im Iran der Wächterrat. Alle hatten sie bereits diverse wichtige Funktionen im Regime. Dennoch: Die Wahlbeteiligung war unbestritten hoch, rund 80% der etwa 46 Millionen Wahlberechtigten haben abgestimmt. Einen groben Überblick über die Positionen der Kandidaten liefert die Dokumentation "Iran's 2009 Presidential Elections: Who's Who?" von Kourosh Ziabari vom 22. Mai 2009 beim Übersetzernetzwerk Tlaxcala - er gibt sowohl bisherige Funktionen als auch aktuelle Stellungnahmen an und reisst kurz ab, was von Anhängern und Gegnern jeweils über die Kandidaten gesagt wird. Zu einigen Sorgen um Wahlbeeinflussung bereits vor der Wahl - und dazu, inwieweit es im theokratischen System überhaupt freie Wahlen geben kann, mit Verweis darauf, dass auch jeder US-Kandidat auf Christus schwören muss - hat der Beitrag "Larger Context of the Iranian Elections" des US-Iranischen Bloggers Reza Fiyouzat vom 16. Juni 2009 im Uruknet Informationen. Einen Versuch der Einordnung - im Vergleich zu den niedergeschlagenen Studentenprotesten vor fast genau 10 Jahren - unternimmt in dem Artikel "Iranian Youth Make History" BEHZAD YAGHMAIAN in counterpunch vom 16. Juni 2009. Die soziale Lage im Iran Wenn in diversen Analysen davon ausgegangen wird, der amtierende Präsident sei sozusagen der "Kandidat der armen Leute" - wie er es als erster Präsident ohne religiöses Amt 2005 ohne Zweifel war - sollte das weder darüber hinwegtäuschen, dass dies noch recht wenig über seinen politischen Standort sagt, noch darüber, dass die Situation eben dieser armen Leute sich in den letzten Jahren nicht eben verbessert hat. Kurz vor der Wahl, im Mai 2009, veröffentlichte die "Tehran and Suburbs Vahed Bus Company Workers' Trade Union" die Stellungnahme "The election and workers' organisations" beim Iranian workers solidarity network in der weder zur Wahl noch zum Wahlboykott aufgerufen wird: Die Grundprobleme der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung spielten in dieser Wahl keine Rolle, war die Begründung. So gibt es im Iran beispielsweise einen Mindestlohn, ohne dass Unternehmer deswegen Herzattacken bekommen, wie in der BRD. Nur: Nach Ansicht der autonomen Gewerkschaften ist dieser nichts anderes als ein Hungerlohn im wörtlichen Sinne. Was insbesondere die Wahlkampagne Mussawis bedeutet - nämlich für ganz unterschiedliche Schichten wählbar zu sein - wird in dem Artikel "Grün ist die Hoffnung" von Charlotte Wiedemann in der Zeit-Online vom 10. Juni 2009 zusammengefasst. Dort wird zur sozialen Lage auch Ali Reza Mahjoub, der Generalsekretär des Arbeiterhauses (die staatstragende "Gewerkschaft" Irans) mit den Worten zitiert: "Es gibt jeden Tag Streiks und Proteste, die Arbeiter haben keine andere Wahl. Wir würden am liebsten zum Generalstreik aufrufen". Würden sie vielleicht gerne, tun sie aber nicht - alles, was in den letzten Jahren an autonomer gewerkschaftlicher Organisation entstanden ist und sich zunehmend entwickelt, hat sich in scharfer Abgrenzung zum "Arbeiterhaus" verstärkt. In dem Beitrag "Reichtum und Armut der Islamischen Republik" von Ramine Motamed-Nejad in der deutschen Ausgabe von Le Monde diplomatique vom 12. Juni 2009 geht der Autor von der Feststellung aus: "Damals trat Mahmud Ahmadinedschad mit dem Versprechen an, das Ölgeld an die Menschen auszuzahlen. Vier Jahre danach können die Wähler die Bilanz seiner Wirtschaftspolitik ziehen". Und er konstatiert, insbesondere bei den zahlreichen Privatisierungen ab 1990: Zustände wie bei der Treuhand... ...zumindest könnte man den angedeuteten Raubzug vergleichen. Im Iran heisst das Projekt Stiftung. Und ein ehemaliger Präsident und Konkurrent für den Posten als oberster Kleriker steht mittendrin: Der Herr Rafsanjani und sein schwerreicher Clan, die die Opposition unterstützen. Einen knappen Einblick in die Gewinnerseite gibt der Report "Millionaire Mullahs" von Paul Klebnikov beim Wirtschaftsmagazin Forbes, zwar schon von 2003, aber immer noch aktuell. In dem Beitrag "Iranian Carmakers: Protected from International Competition by Import Tariffs of up to 100 Per cent" von Najmeh Bozorgmehr in der Financial times vom 24. November 2008 wird nicht nur über "Modellanpassungen" und entsprechende Werksschliessungen berichtet, vor allem beim Renaultpartner Khodro, sondern auch über politische Absichten, die die Privatisierungsgewinner so alle haben. Zur Lage der arbeitenden Menschen und der Erwerbslosen gibt es viele Informationen beispielsweise in den diversen Dokumenten zu den Maikundgebungen - die auf massive Repression trafen, was auch nicht eben zum Bild des "Kandidaten der armen Leute" passt - die auch im LabourNet Germany veröffentlicht wurden. Und wenn es offiziell etwa 4 Millionen Erwerbslose gibt (15% von 26 Millionen "arbeitsfähiger" Menschen) so besagt das zunächst nur, dass die iranische Statistik auch nicht anders ist, als die der ARGE. In dem Beitrag "Where Are Iran's Working Women?" gibt Valentine M. Moghadam am 20. Februar 2009 im Monthly Review Blog einen Einblick in die Lage der arbeitenden Frauen - die zumeist im informellen Sektor schuften müssen.... Einige Reaktionen der Linken Nicht ganz so schnell im "Freunde suchen" ist eine Gruppe von in den USA lebenden iranischen Intellektuellen, die sich seit langer Zeit aktiv gegen amerikanische Kriegsdrohungen wehren und mit dem Manifest "Statement by a Group of Iranian Anti-war Activists about Iran's Presidential Elections" - dokumentiert am 8. Juni 2009, also vor der Wahl, ebenfalls im MR Blog, eine Art Wahlbausteine setzen, unter anderem die Freilassung aller politischen Gefangenen. Eine kurze Übersicht über aktuelle Repressionsmaßnahmen gegen Bestrebungen zur gewerkschaftlichen Organisation gibt die Zusammenschau "Chronology of events: January - May 2009" der Kampagne Justice for Iranian Workers - und auch auf den Seiten des LabourNet Germany kann der geneigte Leser und auch die geneigte Leserin eine Fülle an Material über diese Repression finden - wie auch über den Widerstand dagegen. In "Iran: Die Revolution hat begonnen!" entfaltet Alan Woods am 16. Juni 2009 bei In Defence of Marxism eine wohl einigermaßen repräsentative Sichtweise aus trotzkistischer Sicht: Für die Massenbewegung, die sich nicht an ihrer Galionsfigur entscheide. Die extreme Gegenposition vertritt in "Iran: Abfuhr für Westen" am 14. Juni 2009 die Antiimperialistische Koalition, die Campo Antiimperialista betreibt: Weil der Präsident Antiimperialist ist komme die Medienkampagne zustande... Aus dem Land selbst gibt es aus der Linken etwa die Stellungnahme "Millions of rigged ballots for Ahmadinejad" der Tudehpartei vom 13. Juni 2009, die ganz direkt auf den Vorwurf der Wahlfälschung aufbaut und unterstreicht, dass dieser Vorwurf von mehreren der angeblich unterlegenen Kandidaten komme. Eine im Netz bisher nicht auffindbare Stellungnahme kommt von der KP Irans ML, die im wesentlichen auf der Einschätzung basiert, wie sie bereits in dem früheren Artikel "ECONOMIC WAR AGAINST THE PEOPLE: A SURGE OF CRISIS AND OF RESISTANCE" in highlights 36 von Ende 2007 ausgearbeitet worden war - und das System mit all seinen Vertretern ablehnt. "Alle vier Kandidaten sind Verbrecher gegen die Menschlichkeit und verantwortlich für tausende Fälle von Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen im Iran. Diese Verbrecher als Kandidaten aufzustellen passt zu dem ganzen Terrorregime und dessen System" - so heisst es in der Stellungnahme der Arbeiterkommunistischen Partei des Iran zur Wahl am 12. Juni. hrw |