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Updated: 18.12.2012 15:51
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Krieg den Hütten...

...und "Kies" den Glaspalästen. So lässt sich das Urteil, das der Oberste Gerichtshof Indiens über Innenstadtgelände in Bombay gefällt hat, plakativ zusammenfassen. Es geht um etwa 600 Hektar Land, auf denen einst die berühmt-berüchtigten Webereien Bombays funktionierten, in denen der (einst radikale) historische Kern der indischen Arbeiterschaft beschäftigt war. Vergangene Zeiten - und wenn es nach den feinen Herren Richtern geht ist auch das Landesgesetz von 1991, das über die Verwendung dieses Riesengeländes verfügte (nur 200 Hektar sollten industriell oder kommerziell verwendet werden dürfen): vergangen. Der "Supreme Court" Indiens hob ein Urteil des Obersten Stadtgerichts auf, das eben die Gültigkeit dieses Gesetzes von 1991 bestätigte. Und gab das Gelände zur kommerziellen Erschliessung frei - natürlich, wie alles in der Sprache des großen Bruders. "Sustainable Development" soll dort den Herren im Kostüm zufolge betrieben werden. Vor dem Hintergrund der Vertreibung von 400.000 Menschen aus Innenstadtslums von Bombay in den letzten Monaten - "Stadtplanung für soziales Wohnen" nennt der Propagandaapparat so etwas - wird deutlich, was es heutezutage für Menschen bedeutet, wenn Entwicklungspolitik betrieben wird, erst recht in dem Land, das die grössten Wachtumsraten Asiens hat. Die kleine Materialsammlung "Bombay 2006 " vom 15. März 2006.

Bombay 2006

Seit Dezember 2004 sind rund 400.000 Menschen aus der Innenstadt von Bombay (Mumbai) vertrieben worden. Sie "störten" den Expansionsboom der traditionellen Wirtschaftsmetropole Indiens - und speziell die geradezu explosive Steigerung der Bautätigkeit in der Stadt (die von allen möglichen Seiten immer so stark gewünschte Wachstumsrate beträgt hier beinahe 6 Prozent und soll 2006 noch höher werden - dh Vertreibungen werden zunehmen). Eine Tätigkeit, die von der Landesregierung von Maharashtra so intensiv "gefördert" wird, dass eine Untersuchungskomission bereits Korruptionsverdacht äusserte.

Mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs der Republik wird dieser Entwicklung weiter Vorschub geleistet - so sieht es die "National Alliance of People's Movements" in ihrer Presseerklärung "SC Verdict on Mill Lands Emboldens Builder Lobby" vom 9. März (Die Presseerklärung am Ende der Seite- Dokument 1).

Das Landes-Gesetz von 1991, das der Oberste Gerichtshof mit seinem Urteil jetzt faktisch aufhob, war bereits ein Schritt zur Kommerzialisierung des Landes gewesen - bis dahin durfte im Stadtzentrum kein Land verkauft werden. Es sah aber immerhin vor, dass jeweils ein Drittel des Geländes für "öffentliche Zwecke" für "Sozialen Wohnungsbau" und für "Unternehmenstätigkeit" genutzt werden müssten. Der danach entwickelte Bebaungsplan sah den Bau von 45.000 Wohneinheiten für "einkommensschwache" Familien vor. Bereits 2001 wurde diese Zahl von der Landesregierung auf 5.000 Wohneinheiten herabgestuft - passiert ist in diesem Zeitraum und danach nichts: ausser dass jetzt keinerlei sozialer Wohnungsbau mehr vorgesehen ist.

Strukturen und Widerstände

Jeder der meint, die Slums (nicht nur in Indien) wären einfach eine Zusammenballung von Hütten, irrt sich - zum einen, weil es überall auch "bessere" Bauten gibt, zum anderen weil Slums überall auf der Welt, und erst recht in einem Land, wo es sie schon so lange gibt, wie in Indien, gewachsene und vielschichtige Strukturen, inklusive Machtstrukturen haben. Wo Menschen seit zwei Generationen zusammenleben, entwickelt sich dies sozial notwendig. Auch wenn der (englische) Beitrag "Unwanted Citizens" externer Link von Aman Sehti im Nachrichtenmagazin "Frontline" vom 14. - 27. Januar 2006 nicht über Bombay, sondern über Slums in Delhi geht, so wird darin doch sehr deutlich, dass es eben strukturierte Gemeinschaften sind - auch wenn die Bürger "unerwünscht" sind. Und gerade in Bombay (anderswo aber auch) sind die Slumbewohner keineswegs sozial einheitlich - einfache Bankangestellte gehören heute nach verschiedenen Presseberichten in ihrer Mehrzahl dazu. Andere "Neubürger" sind (etwa seit 1980) auch MigrantInnen aus jenen Bundesstaaten, in denen sehr viele sogenannte Ureinwohner leben. Den Hauptteil machen jene 68 Prozent der Beschäftigten Bombays aus, die im informellen Sektor arbeiten, wird aus dem (englischen) Beitrag "The informal sector and urban poverty" externer Link von Rahul Srivastava, vom Januar 2005 in "Infochange India" deutlich.

Widerstand gegen Räumungen von Wohnvierteln hat es vom ersten Bulldozereinsatz an gegeben, und auch mancher Polizist, der natürlich wie immer nur "seine Pflicht" tat, hat seinen Einsatz bereut. Jetzt aber, da im ökonomischen Aufbruch quer durch das Riesenland "gesäubert" wird, gibt es erstmals den Versuch, Slumverteidigung national zu koordinieren. In dem (englischen) Beitrag "Indian Slum dwellers organise against demolitions" externer Link vom 16. Januar 2006 beim "Centre for Civil Society" der Universität Kwazulu Natal berichtet Maya Valecha über die Gründung der Koordination "Jan Aandolan", die es immerhin erreichte, dass am 21. Dezember 2005 erstmals landesweite Protestaktionen gegen Massenräumungen stattfanden - und weitere vorgesehen sind. Ausserdem gibt es erste Gespräche zwischen organisierten Slumbewohnern und organisierten landlosen Landarbeitern, ihre gemeinsamen Kämpfe auch gemeinsam zu führen.

Der Aufruf zur ersten Protestdemonstration gegen das Urteil am 14. März (Dokument 2, unten) ist in der Breite und Vielzahl der Organisationen, die sich beteiliegn keineswegs alltäglich - auch wenn aufgrund der struktur, die oben angedeutet wurden, die indischen Gewerkschaften in den Slums aktiver sind, als viele andere in anderen Ländern.

(Zusammengestellt von hrw)

 

Dokument 1: Die Presseerklärung des NAPM zum Urteil des Obersten Gerichtshofs

SC Verdict on Mill Lands Emboldens Builder Lobby Need to Strengthen Struggle for Workers' Rights

The people's organizations all over India are shocked and dismayed by the Supreme Court ruling of setting side the Mumbai High Court judgment and allowing the mill-owners the unrestrained right to sale and use over 600 acres of mill land in the heart of Mumbai.

The Court verdict ishould have taken into cognizance the legitimate right to housing of the mill-workers and the poor and the rights of the citizens for free spaces within the metropolis. The ruling would further encourage the builder lobby, which has been eyeing for the unrestrained right to go on for high-rise buildings meant for the high and mighty, clogging the arteries of the metropolis.

This builder-politician's nexus has been clamouring for the displacement of over 4, 00,000 slum dwellers from Mumbai since December 2004. The unchecked construction activity is cited as one of the causes for the flood havoc in the metropolis last monsoon. This lobby is now going for indiscriminate displacement of the poor and lower class people in the name of Mithi river cleaning, while not touching high-rise structures or the Bandra-Worli bridge. Instead, the people are apprehensive that the land is being cleared to hand over the builders with the help of minister in the Maharashtra cabinet, who is inducted by P.B. Samant report on corruption. It is feared that the SC judgment has come as a boost for the same reckless and anti-poor lobby.

We fear, and justifiably so, that the SC judgment would embolden builder-politician nexus to displace the poor and toiling people and hand over the land to the builders, in the name of development. The Maharashtra government has been acting more as an agent for the builders lobby, than as a protector of the rights of the marginalised people. In such even the Court remains the guardian of the common people's rights and life. We wish that the Court should have fulfilled its role of the guardian of the Constitutional and human rights of the most depressed sections of our population, as was said in no uncertain terms by Dr. B.R. Ambedkar, the architect of Indian Constitution..

It is clear that the people's movements have to strengthen and intensify their struggle for the rights. Now, it is only the people's power which would protect the Constitutional values. We appeal to the State Assembly, Parliament and the political parties to come to join hands with the people and enact the appropriate legislation for establishing the rights of common people and restraining the capitalist-builders' lobby from playing with the life of the people and the Nature, which sustained the metropolis

Medha Patkar, Sanjay Sangvai

Dokument 2: Der Demonstrationsaufruf für den 14. März

March in Mumbai on March 14, 2006

People of Mumbai! Lets fight for open spaces, clean air, infrastructure and public housing! Maharashtra government must legislate for citizens not only mill owners and builders!

The people of Mumbai, are shocked by the Supreme Court judgment on mill lands. The Supreme Court judgment has not only given commercial interests more importance than the collective needs of a dying city, it has actually supported the blatantly illegitimate demands of the builders and mill owners.. Its implications are far reaching..

VIOLATION OF THE BASIC PROPERTY LAW: YOU CANNOT SELL WHAT YOU DO NOT OWN!

600 acres of land in the heart of Mumbai is occupied by textile mills, most of which have been closed. Much of this land was leased to the mill owners or sold at very low rates for the purpose of starting mills over a century ago. The land could not be sold, until 1991 when the law was amended, then too mainly for reviving sick mills. Today when the mills have shut down, there is a rush to exploit it as real estate, without providing livelihood and homes to the mill workers and much needed infrastructure for the city. The judiciary and the State Government have been callous enough to support sale of this land by Mill owners with hardly any conditions..

CHEATED OF OUR RIGHT TO HOUSING, INFRASTRUCTURE, OPEN SPACE, FRESH AIR!

By Rule 58 of the DCR of 1991, mill lands could be sold, provided a third was reserved for public use [like parks and play grounds], a third for affordable housing and a third for owners to develop as they pleased. Mill owners got equal FSI for the land that they were 'giving up'. But they were greedy for more. A modification in 2001 by the Maharashtra Government reduced the land available for public spaces -parks, playgrounds pedestrian areas, etc- from 200 acres to just 32 acres. Where there would have been in 45000 low cost houses, there would now be just 5000 houses. This was struck down by the Mumbai High Court and now reinstated by the Supreme Court. The extensive unplanned commercial development that would take place as a result of this sale, would cause terrible congestion, traffic problems and put an enormous strain the on existing services which are woefully inadequate. Only Mumbaiites can truly understand what this means.

A CAUSE FOR ALARM!

The opening up of the mill lands as per the Supreme court judgment will set the wrong precedent for all other such large govt owned lands most of which are on lease such as the Bombay Port Trust land, the waterfront, land owned by the Railways, etc, which could be then opened up to private developers for commercial exploitation. People in Mumbai will then only be able to walk around malls instead of open spaces.

DEVELOPMENT FOR WHOM?

The Supreme Court in its ruling says that it "had to choose between environment and development and it chose development which it claims is "sustainable". This development is certainly not in the interest of citizens of Mumbai and cannot be described as sustainable . In this case it is not just the environment, but largely local people, citizens of Mumbai who are being marginalized for the benefit of a few.

DO WE AS CITIZENS HAVE THE POWER TO RECLAIM WHAT RIGHTFULLY BELONGS TO US?

This is valuable land in the heart of the city, can and should be used to provide affordable housing for the mill workers, rehabilitation for slums and dilapidated tenanted buildings, low income housing, green spaces and vegetation to act as pollution sinks, public amenities like markets, playgrounds, community centres, special schools and medical institutions, public Infrastructure facilities, sewerage lines and plants, that would reduce the load on the overworked infrastructure of the Mumbai city and even the revival of the textile industry. No elected representatives or public servants have the right to gift it away.

It is time to come together and demand our rights as citizens. We have the right to participate in the planning of the city. We demand that the Maharashtra govt immediately and urgently bring in legislation providing 1/3rd, 1/3rd and 1/3rd division of the mill-land area in the interest of the people and the environment.

We call on you to join us on the protest march to the Mantralaya on March 14th at 3 pm from Azad Maidan, to demand justice for Mumbai, to demand that the Maharashtra govt. which should represent the citizens of Mumbai, immediately legislate to protect the mill workers and the city!

AGNI, AKSHARA, ALL INDIA BANK EMPLOYEES ASSOCIATION, ALL INDIA BANK OFFICERS CONFERERATION, ALL INDIA LIC EMPLOYEES FEDERATION, ALL INDIA TRADE UNION CONGRESS, CENTRE OF INDIAN TRADE UNIONS, CITISPACE, COMET MEDIA, COMMUNIST PARTY OF INDIA, COMMUNIST PARTY OF INDIA (MARXIST), DUCUMENTATION RESEARCH AND TRAINING CENTRE, EKTA, FOCUS ON THE GLOBAL SOUTH, FORUM AGAINST OPRESSION OF WOMEN, GIRNI BHADEKARU SANGHARSH SAMITI, GIRNI KAMGAR SANGARSH SAMITI, INDIAN FEDERATION OF TRACE UNIONS, INDIA CENTRE FOR HUMAN RIGHTS AND LAW, LOK RAJ SANGHATAN, MAHARASHTRA ASSOCIATION OF RESIDENT DOCTORS, MAJLIS, MOVEMENT FOR PEACE AND JUSTICE, MUMBAI ENVIRONMENTAL SOCIAL NETWORK, INTERNATIONAL NETWORK FOR TRADTITIONAL BUILDING ARCHITECTURE AND URBANISATION, MUMBAI PORT TRUST AND DOCK WORKERS UNION, NATIONAL ALLIANCE OF PEOPLES MOVEMENTS, NATIONAL FISHWORKERS FORUM, NIRBHAY BANO ANDOLAN, NIVARA HAKK SAURAKSHAN SAMITI, PEOPLES MEDIA INITIATIVE, SHAHER VIKAS MANCH, STATE GOVERNMENT EMPLOYEES UNION, YOUNG PROFESSIONALS COLLECTIVE, YOUTH FOR UNITY AND VOLUNTARY ACTION


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