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Updated: 18.12.2012 16:07 |
Guinea nach dem putschförmigen Machtwechsel vom 23. Dezember 2008: Gewerkschaften, Militärregierung und Hoffnung auf Neuanfang nach den Jahren des Stillstands und der "zum System gewordenen Korruption" VORBEMERKUNG: Es handelt sich bei diesem Text um die (am gestrigen Donnerstag überarbeitete) Langfassung eines Artikels, der am selben Tag unter der Überschrift "Der Oberst, der aus dem Wald kam" in der Berliner Wochenzeitung ,Jungle World' erschien - auf dem Stand von Anfang der Woche. Auch am gestrigen Donnerstag ernannte die Militärregierung in Guineas Hauptstadt Conakry ein neues Kabinett, das aus Offizieren und Technokraten zusammengesetzt ist. Im Laufe der kommenden Woche werden wir deswegen nochmals auf das Thema "Vorgänge in Guinea" zurückkommen. Das gibt es nicht alle Tage: Die Armee übernimmt die Macht, setzt die Verfassung außer Kraft, entmachtet die konstitutionellen Organe - und fast alle zeigen sich damit zufrieden. Auch die Gewerkschaftsverbände, die noch vor kaum zwei Jahren einen massenhaft befolgten Generalstreik durchführten, welcher die damalige Regierung beinahe stürzen konnte und dessen Niederschlagung durch Polizei und Armee rund 120 Todesopfer kostete. Ähnlich haben sich die Ereignisse der jüngsten Zeit in der westafrikanischen Republik Guinea zugetragen. In der Ausgabe der Pariser Abendzeitung Le Monde vom Freitag, 9. Januar 2009 erklärte die Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbands CNTG (Nationaler Verband der guineeischen Werktätigen), Rabiatou Serah Diallo: "Wir Gewerkschafter freuen uns, darüber, dass er es getan hat." "Er" ist dabei der Kopf des absolut unblutig verlaufenen Putschs vom 23. Dezember und seitdem amtierende, vorläufige Präsident der Republik: der 44jährige Oberst Moussa Dadis Camara. Bereits in den Tagen nach dem Staatsstreich haben Gewerkschaftsvertreter an den Konsultationen im Camp Alpha Yaya, dem Sitz der militärischen Befehlshaber, ebenso teilgenommen wie Repräsentanten der politischen Klasse und ausländische Diplomaten. Den Putsch ausgelöst hatte der Tod des 74jährigen Staatsoberhaupts Lansana Conté, der seit 1984 ununterbrochen amtiert hatte und - am Vorabend der Machtübernahme durch eine Gruppe von Offizieren - an Altersschwäche starb. Zuletzt war er im Dezember 2002 in Wahlen, die auf internationaler Ebene allgemein als unfair (sechs von acht Bewerbern waren zuvor durch eine willfährige Justiz vom Wahlantritt ausgeschlossen worden) und manipuliert galten, im Amt bestätigt worden. Rabiatou Diallo ist als ausgesprochen mutige Frau bekannt. Die einzige weibliche Gewerkschaftsvorsitzende des afrikanischen Kontinents war während des Generalstreiks im Januar und Februar 2007 selbst zeitweise durch Militärs verhaftet, festgehalten und mutmaßlich misshandelt worden. Ihre derzeitige Position begründet sie folgendermaßen: "Als ich vom Tod von Lansana Conté hörte, habe ich den Bürgerkrieg kommen sehen. Aufgrund des Ethnozentrismus, der innerhalb der Armee vorherrscht. Es zeichnete sich ab, dass es darum ginge, welcher General die Macht zugunsten seiner jeweiligen ethnischen Gruppe übernehmen würde." Statt eines oder mehrerer Generäle hat nun also ein junger Offizier von der mittleren Ebene, der bislang innerhalb der Armeehierarchie eher eine Außenseiterposition einnahm, vorläufig die politische Macht übernommen. Dadis Camara führt nach allgemeiner Auffassung ein bescheidenes Leben an der Seite seiner hundertjährigen Mutter, seiner Frau und seiner sechs Kinder. Zudem entstammt er keiner der mächtigen ethnischen Gruppen im Lande - das sind jene der Peul, der Malinké und der Soussou -, sondern aus der Waldprovinz Guinée Forestière im äußersten Süden des Landes, an der Grenze zu Liberia und Elfenbeinküste. Guinée Forestière , das klang bis dahin in den Augen vieler Angehöriger der Armeehierarchie oder der Elite des Landes wie ein Synonym für "Bauerntrottel". Kein "Hinterwäldler" Ein solcher ist Dadis Camara aber sicherlich nicht. Unter schwierigen Bedingungen, da er aus armen Verhältnissen stammt und kaum über finanzielle Mittel verfügte, studierte er in der Hauptstadt Wirtschaftslehre und Jura. Später absolvierte er Lehrgänge im Ausland, insbesondere eine Sprachschule in Leipzig und eine Offiziersakademie in Dresden - allerdings nicht, wie es früher bei "progressiven" Militärs in Afrika üblich gewesen wäre, zu DDR-Zeiten, sondern in den Jahren 1996 bis 2000. Nach seiner Rückkehr erhielt er einen Posten in der Abteilung für Treibstoffversorgung der Armee. Eine solche Position war oder ist, in den meisten Fällen, gleichbedeutend mit einer wichtigen Rolle in den Netzwerken der Korruption, die Politik und Wirtschaft des Landes notorisch prägen. In Guinea hängt eine Position innerhalb der Oligarchie - also in der politischen und ökonomischen Elite - so gut wie überhaupt nicht mit einer Stellung im Produktionsprozess zusammen. Denn die Wirtschaft des Landes beruht im Wesentlichen nicht auf der Herstellung oder Weiterverarbeitung von Industriewaren; sondern stellt eine Rentiersökonomie dar, in der Reichtum fast ausschließlich aus dem Abbau und dem Export von Rohstoffen fließt. Um an (gehobenem) Wohlstand und günstigen sozialen Positionen teilzuhaben, muss man also eine gute Stellung in einem Netzwerk innehaben, das einen Zugriff auf die staatlichen Einfuhr- und Ausfuhrzölle ausübt. Die Elite verhält sich gegenüber der Nationalökonomie des "eigenen" Landes weitgehend parasitär. Denn da sie nicht am Produzieren, sondern an Import und Export verdient, haben ihre Mitglieder kein oder kaum ein Interesse daran, dass das Land sich entwickelt: Eine Importlizenz, die in Guinea Arbeitsplätze vernichtet und heimische Produktionskapazitäten zerstört, aber den Angehörigen eines klientelistischen Netzwerks im Staatsapparat Mehreinnahmen verspricht, ist ihnen allemal recht. Diese Funktionsweise ähnelt der in vielen Rentiersökonomien der so genannten Dritten Welt, die im Wesentlichen von der Ausfuhr unverarbeiteter Rohstoffe abhängen: Einheimische, strukturell korrupte Eliten können sich ebenso gut mit ihr arrangieren wie internationale Großmächte, die einen - vergröbert als neokolonial zu bezeichnenden - Einfluss ausüben. In Guinea streiten sich besonders Frankreich, die USA, aber auch Russland und China um Anteile am Kuchen. Aber in dieser westafrikanischen Republik sind die Züge der quasi-mafiösen Rentiersökonomie, die ein Entwicklungshemmnis darstellt, aber durch internationale Großmächte gern aufrechterhalten wird, in ganz besonderem Ausmaß zugespitzt. Guinea zählt neben Südafrika, Kongo und Kamerun zu den rohstoffreichsten Ländern des Kontinents, aber auch zu den mit Abstand ärmsten (abgesehen von den beiden Nachbarländern Sierra Leone und Liberia, die infolge der grausamen Bürgerkriege in den 1990er Jahren total zerrüttet wurden). Unkorrumpierbar? Dadis Camara hatte einen ausgesprochen lukrativen Posten erlangt, denn die Abteilung für Treibstoffversorgung der Armee lenkte einen Gutteil der von ihr erworbenen Ressourcen - Benzin und Diesel - auf den Schwarzmarkt um. Für erhöhtes Entgelt konnten viele Einwohner der Hauptstadt Conakry am Camp Alpha Yaya ihren Tank auffüllen, während Benzin an den "normalen" Tankstellen verknappte. Aber Camara legte kein gesteigertes Interesse an den Bereicherungsmöglichkeiten, die der Posten ihm bot, an den Tag: 2003 legte er sein Amt nieder und kehrte, um seine Ausbildung zu verbessern, vorübergehend ins Ausland zurück. Nach Deutschland, wo er sich zeitweise auch an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg sowie in München aufhielt. Aufgrund seines freiwilligen Abgangs von einem solch lukrativen Posten wurde er von vielen Armeekollegen für "verrückt" erklärt. (Allerdings setzte ein Präsidialdekret vom Dezember 2008 ihn wiederum auf einen führenden Posten in ebendiesem Sektor ein.) Dies deutet darauf hin, dass Camara bislang nicht, oder jedenfalls nicht in so starkem Ausmaß, an den inoffiziellen klientelistischen Netzwerken der Macht teilhatte. Insofern steht er personell tatsächlich für einen wichtigen Bruch mit bisherigen Praktiken der Macht. Es wäre im Übrigen nicht das erste Mal, dass einige - vor allem jüngere und untere - Offiziere der Armee in einem Land der so genannten Dritten Welt "progressiver" auftreten als Angehörige der etablierten "politischen Klasse". Denn in vielen dieser Länder ist eine Armeekarriere oft die einzige Chance für Söhne aus einem armen Elternhaus, eine aussichtsreiche Laufbahn einzuschlagen. Den Hass auf Privilegien und soziale Ungerechtigkeit tragen viele von ihnen ehrlich mit sich herum. Auch wenn linkspopulistische Militärregime und -putsche oft früher oder später zu autoritären Regimes führen - das schlimmste Beispiel liefert Libyens Oberst Muammar Kaddafi, der 1969 mit einer Gruppe junger Offiziere an die Macht kam und sie seitdem ohne Unterbrechung ausübt -, so gibt es doch auch positive Gegenbeispiele. Das progressivste Beispiel, das in ganz Afrika in Erinnerung geblieben ist, ist dabei mit dem Namen von Thomas Sankara verbunden. Der Präsident Burkina-Fasos von 1983 bis 87, der bei einem Putsch mit mutma b licher französischer Unterstützung (unter Anführung seines bis heute amtierenden Nachfolgers Blaise Compaoré) am 15. Oktober 1987 getötet wurde, war selbst durch einen Staatsstreich junger Offiziere ins Amt gekommen. Camara scheint bislang von den korrumpierenden, seit Jahrzehnten bestehenden Praktiken der Macht in Guinea weitgehend unberührt. Dies hängt sicherlich auch mit seiner Herkunft zusammen: Unter dem ersten Präsidenten Guineas nach der Unabhängigkeit von 1958 bis 84, Ahmed Sékou Touré, hatten überwiegend die Malinké die politische Macht und Verwaltungsposten inne. Unter seinem Nachfolger Conté - 1984 bis 2008- fiel diese Rolle den Soussou zu. Der Handel wurde unterdessen vorwiegend durch die Peul, sowie durch libanesische Geschäftsleute, kontrolliert. Die Herkunftsregion Camaras war an dieser Aufteilung der führenden Rollen unter den verschiedenen ethnischen Gruppen kaum bis gar nicht beteiligt. (Aus einem ähnlichen Grund war seinerzeit schon General Lansanca Conté durch die Militärs, die im März 1984 nach dem Tod von Präsident Sékou Touré geputscht hatten, ausgewählt worden: Die Soussou, die nur rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen, bilden gegenüber den zahlenmäßig stärksten ethnischen Gruppen - den Peul und den Malinké - eine relativ schwache Bevölkerungsgruppe. Deswegen war es Conté während seiner Amtszeit nicht möglich, alle wichtigen Posten in Politik und Verwaltung in sämtlichen Landesteilen mit Angehörigen der eigenen Ethnie zu besetzen. Dies im Gegensatz zu der Rolle, welche die Malinké unter Präsidfent Sékou Touré gespielt hatten. Dennoch kehrte auch unter Lansana Contés Herrschaft alsbald eine Klientelwirtschaft auf "ethnischer" Basis ein. Allerdings ist die Herkunftsregion des jetzigen Chefs der neuen Militärregierng, Dadis Camara, vergleichsweise schwach besiedelt und ihre Bevölkerung zudem "ethnisch" zersplittert; man findet dort Guerzés, Kissis und Tomas. Insofern ist mit einer "ethnisch" begründeten Herrschaftsstruktur unter ihm wohl nicht zu rechnen.) Aus diesem Grunde sehen viele Bürger/innen des Landes die - in ihren Augen vorübergehende - Übernahme der politischen Führung durch Camara tatsächlich als Vorteil an. Denn es trifft wirklich zu, dass nach dem von Vielen seit längerem erwarteten Ableben von Präsident Conté politische Spannungen in Aussicht standen, deren "ethnische" Aufladung drohte. Eine gefährliche Entwicklung, die - aus vergleichbaren Gründen - andere afrikanische Länder ebenfalls erlebt haben. Denn vielerorts reagieren die klientelistischen Netze, die Macht, Ämter im Staatsdienst und Zugang zu Versorgungsleistungen für sich und "Ihresgleichen" zu reservieren versuchen, auf Krisensituationen durch Hetze gegen bestimmt ethnische Gruppen. In Rwanda führte eine solche Situation 1994 zum Genozid gegen die Tutsi, in der Elfenbeinküste führte die Ethnisierung der Gegensätze zwischen der Nord- und der Südhälfte des Landes zum Bürgerkrieg in den Jahren von 2002 bis 2007. In Kamerun reagierte das Regime auf oppositionelle Regungen häufig, zuletzt nach den Unruhen vom Februar 2008, mit Hetze gegen die Bamiléké. Letztere kontrollieren dort Teile des Handels kontrollieren und weisen zugleich eine Jahrzehnte lange politische Oppositionstradition (vor dem Hintergrund ihrer Rolle im Unabhängigkeitskampf in den späten fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts) auf. So auch in Guinea: Während und nach den Protesten und dem Generalstreik vor zwei Jahren versuchte die Regierung, Neid und Hass gegen die Peul als Gruppe, der viele Händler angehören, zu schüren. Aber auch die Einwohner vieler Elendsviertel an der Peripherie von Conakry sind Peul, die von den Hochplateaus im Hinterland Conakrys und im Zentrum des Staatsgebiets (Provinz Fouta Djalon) zugewandert sind. Dies führte zu einer explosiven Situation, zumal nachdem die Staatsorgane - infolge der Unruhen von Anfang 2007 und ihrer eigenen Diskreditierung durch die blutige Repression - in vielen Zonen geschwächt worden waren. In vielen Wohnbezirken von Conakry formierten sich seitdem bewaffnete Jugendbanden, denn auch Waffen zirkulieren in verstärktem Ausmaß: Einerseits stammen sie aus den Bürgerkriegen in den Nachbarstaaten Sierra Leone und Liberia in den neunziger Jahren, andererseits wurden auch Schusswaffen von den Repressionsorganen während der Riots erbeutet. Die Jugendbanden in den Außenbezirken von Conakry nennen ihre Stadtteile "Peshawar", "Bagdad" oder "Intifada", geben ihnen also Spitznamen, die an internationale Krisengebiete erinnern sollen. Chronik eines unblutigen Putschs Der Verfassung zufolge ging die Macht nach dem Tod des verblichenen Staatsoberhaupts (Lansana Conté) auf Parlamentspräsident Aboubacar Somparé über. Er aber ist ein Mann aus dem inneren Zirkel der informellen Machtstrukturen, welch letzterer niemals bereit schien, die politische Herrschaft freiwillig aus den Händen zu geben. Nachdem das Mandat des 2003 - unter umstrittenen Umständen - gewählten Parlaments schon vor über einem Jahr abgelaufen war, hatte sich Somparé seit längerem gegen "verfrühte" Neuwahlen ausgesprochen, da diese nur zu Destabilisierung und "ethnischen" Zusammenstößen führen könnten. Gleichzeitig aber schürte die Oligarchie, der er angehörte, die Ethnisierung der politischen und sozialen Konflikte. Somparé wurde nun durch den Putsch vom 23. Dezember 2008 entmachtet. Ebenso wurden 22 Generäle, die der "alten Garde" rund um das verstorbene Staatsoberhaupt und somit einer erzkorrupten Cliqué angehören, unter ihnen der bislang amtierende Generalstabschef Diarra Camara, am 28. Dezember unfreiwillig außer Dienst und in Rente geschickt. Bei dem Staatsstreich handelt es sich also auch um eine Revolte der jüngeren und in der Armeehierarchie tiefer angesiedelten Offiziere gegen ihre, eng mit der herrschenden Oligarchie verwobenen, Vorgesetzten in höherem Alter. [Anm] Dadurch bewiesen die jungen Offiziere, dass sie tatsächlich den Willen zu einem politischen Neuanfang hegen, der von vielerlei Seite begrüßt wird. In weiten Teilen der Bevölkerung scheint die neue Militärregierung in Gestalt des "Nationalen Rats für Demokratie und Entwicklung" CNDD derzeit durchaus populär zu sein. Auch die Gewerkschaftsvorsitzende Rabiatou Diallo stö b t sich in ihrem oben zitierten Interview mit Le Monde nicht allzu sehr an der Natur der derzeitigen Militärregierung - obwohl sie auch betont, gewaltförmige Machtübernahmen und Putschs seien aus Prinzip abzulehnen, und die jetzigen Machthaber dürften nur vorübergehend im Amt bleiben, um dort die Abhaltung pluralistischer Wahlen vorzubereiten. Im Hinblick auf die Ereignisse vom 23. Dezember 2008 äu b ert Diallo: "Ein Putsch gegen eine Leiche ist kein Putsch." Zwar richtete sich der Staatsstreich in Wirklichkeit nicht im engeren Sinne gegen "eine Leiche", gemeint ist Ex-Staatspräsident Lansana Conté, sondern gegen dessen durch die Verfassung designierten Nachfolger für die Interimsperiode, Parlamentspräsident Aboubacar Somparé. Allerdings konnte dieser mit Fug und Recht als Repräsentant eines "morschen", vollkommen heruntergekommenen, abgehalfterten und diskreditierten, oligarchischen Regimes gelten. Ferner hat Dadis Camara in seinem allerersten Interview nach der Übernahme der politischen Macht in Conakry, das er am 25. Dezember 08 dem französisch-panafrikanischen Wochenmagazin Jeune Afrique gewährte, u.a. angekündigt: "Wir werden alle Verträge der öffentlichen Hand" - die durch die vormalige korrupte Verwaltung oftmals zum persönlichen Vorteil einiger Schmiergeld kassierender Funktionäre, aber zum Nachteil der Entwicklungschancen des eigenen Landes abgeschlossen wird - "revidieren. Die Konzession für den Freihafen von Conakry an (die Firma) Getma International zum Beispiel wird schlicht und einfach annulliert werden. Trotz eines durch die Kanzlei FFA Ernst & Young erstellten Untersuchungsberichts, die diesen Vertrag als offenkundig nachteilig für den guineeischen Staat eingestuft hat, wollte die Vorgängerregierung unbedingt unseren Hafen verschleudern." Und, vor allem: "Wir werden alle Bergbauverträge neu aushandeln, um das Gleichgewicht zugunsten Guineas wiederherzustellen." (Vgl. JA , Ausgabe vom 04. Januar 2009, S. 20 fff., zitiert v. S. 23) Auch dies scheint im Augenblick für einen positiven Neuanfang zu sprechen. Allerdings scheinen auch die Tendenzen, unter Umständen und bei Bedarf Rückgriff auf autoritäre Methoden zu halten, bei den derzeit politisch federführenden Militärs mitunter unter der Oberfläche durchzublicken. So kolportiert das Wochenmagazin Jeune Afrique in seiner Ausgabe vom 11. Januar 2009, der am 30. Dezember durch die Militärs ins Amt gerufene Interims-Premierminister Kabiné Komara - ein 58jähriger Technokrat, der bislang eine führende Position beim Baninstitut Afreximbank innehatte - habe Dadis Camara in Sachen Todessstrafe gebremst. In einer Ansprache an die Nation, welche der führende Kopf der neuen Militärregierung am 31. Dezember hielt, hatte Komara durch sein Insistieren den folgenden Satz streichen lassen: "Der, der tötet, verdient den Tod." Eine ähnliche Aussage hatte CNDD-Chef Camara unterdessen bereits in seinem Interview mit ,JA' vom 25. Dezember getätigt ("Die Korruption hat unser Land zerfressen. Es geht so nicht weiter. Derjenige, der tötet, wird getötet werden, und wer das Geld des Staates stiehlt, wandert ins Gefângnis. .. Der CNDD hat nicht die Macht übernommen, um eine Diktatur zu errichten, aber er wird mit den Räubern unnachgiebig verfahren.") Reaktionen Auf internationaler Ebene protestierten die USA und die Afrikanische Union auf verbaler Ebene scharf gegen den Putsch, aus grundsätzlicher Ablehnung der Form der Machtübernahme. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (englisch ECOWAS, französisch CEDEAO) hat die Mitgliedschaft der Republik Guinea aus demselben Grund am 10. Januar 2009 "suspendiert", also ausgesetzt. Hingegen begnügte sich die frühere Hegemonialmacht Frankreich damit, ihre offizielle "tiefe Besorgnis" auszudrücken, was durch das Magazin Jeune Afrique dahingehend interpretiert wird, dass Paris die Resultate des Putschs absegne, aber die zeitnahe Abhaltung von Wahlen fordere. Diese Position deckt sich im Augenblick mit der Haltung der meisten guineeischen Oppositionsparteien und Gewerkschaften, die in ähnlicher Weise "möglichst frühzeitige" Wahlen verlangen. Die Militärregierung hatte zunächst angekündigt, bis Ende 2010, also innerhalb von zwei Jahren, einen pluralistischen und internationalen Normen genügenden Urnengang abzuhalten. Dies ist nach Auffassung von Gewerkschaftschefin Rabiatou Diallo zu spät, sie ist der Ansicht, er lasse sich innerhalb eines Jahres organisieren. Inzwischen aber hat der CNDD -im Laufe der ersten Januarwoche 2009 - versprochen, noch im Laufe des Jahres 2009 wählen zu lassen. Ausblick Es bleibt abzuwarten, ob Dadis Camara als die derzeitige "Nummer Eins" sich an sein Versprechen hält. Es ist gut möglich, dass es so kommt. So haben die Militärs im etwas weiter nördlich gelegenen Mauretanien tatsächlich, nachdem sie am 3. August 2005 den langjährigen Diktator Ould Taya entmachtet hatten, die bürgerliche Demokratie eingeführt und ein gutes Jahr später demokratische Wahlen abhalten lassen. Allerdings haben sie, infolge von Konflikten in der Elite, die Macht seit dem 6. August 2008 erneut an sich gerissen. Zumindest derzeit haben sie die von ihnen selbst eingeführte Demokratie auch wieder außer Kraft gesetzt. (Nunmehr spricht die mauretanische Junta von Wahlen "im kommenden Mai".) Dies veranschaulicht, wie ambivalent die Situation ist. Denn auch ein zweites Szenario ist ebenfalls gut vorstellbar: Je länger die Militärs an der Macht bleiben werden, desto gemütlicher werden es sich zumindest einige von ihnen dort eingerichtet haben. Wie leicht es ihnen dann fällt, sie wieder loszulassen, wird die Zukunft erweisen müssen. Auch der kürzlich verstorbene Präsident Lansana Conté selbst war 1984 auf ähnliche Weise an die Macht gekommen: Nach dem Tod des langjährigen Staatsoberhaupts Ahmed Sékou Touré (Präsident von 1958 bis 84), der mit harter Hand ein strikt antikolonialistisches, jedoch ebenso rigide autoritäres Regime angeführt hatte, übernahm damals die Armee die Amtsgeschäfte, um eine politische Liberalisierung einzuleiten. Die Militärs, oder präziser: die Fraktion rund um General Lansana Conté, behielt sie jedoch in der Folgezeit in ihren Händen. Auch wenn ein gewisser Austausch der Eliten stattfand und die "herrschende" bzw. privilegierte Elite (unter Sékou Touré: die Malinké, unter Conté: die Soussou, die aber zahlenmäßig zu schwach waren, alle Posten allein aufzufüllen) ausgewechselt wurde, so behielt das oligarchische System seine Grundzüge bei. Und trotz der Verabschiedung einer neuen Verfassung im Dezember 1990, die unter anderem die erstmalige Einführung des Parteienpluralismus vorsah, blieb politische Macht stets in denselben Händen und wurden Wahlen regelmäßig manipuliert. Heute jedoch gilt: Camara kann nicht damit rechnen, dass die Guineer ein Militärregime, das die klientelisti schen Netzwerke der Oligarchie übernimmt, auf Dauer tolerieren werden. Ihre Kampfkraft haben die Gewerkschaften und die guineeische "Zivilgesellschaft" in jüngerer Zeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die nähere Entwicklung freilich bleibt desweiteren abzuwarten. Artikel von Bernard Schmid vom 15.1.09 Anmerkung: Wie genau Dadis Camara dabei an die Spitze kam respektive sich selbst an die Spitze setzen konnte, bleibt im Moment noch unklar. Mehrere Berichterstatter kolportieren das hartnäckig sich haltende Gerücht, wonach Camaras Name bei einer Verlosung unter den putschenden Jungoffizieren gezogen worden sei, und dies drei mal hintereinander - nachdem zuvor eine Abstimmung mit erhobener Hand ein Pattergebnis zwischen ihm und dem General Mamadoouba "Toto" Camara ergeben habe. (So behauptet es u.a. die Pariser Abendzeitung Le Monde in ihrem Hintergrundartikel vom 07. Januar 09) Dadis Camara selbst hingegen hat diese Nachricht energisch dementiert: "Mein Soldatenwort, es hat keine Losziehung gegeben. Wir haben miteinander gesprochen und uns verständigt." (Vgl. oben zitiertes Interview in Jeune Afrique , JA). Und auch das Wochenmagazin Jeune Afrique selbst stellt in einem redaktionellen Bericht den Ablauf der Ereignisse anders dar: Ihm zufolge hatte ein anderer potenzieller Bewerber um die Führung der neuen Militärregierung, Oberstleutnant Sékouba Konaté, bei der Absprache unter den jungen Offizieren seine Kandidatur zurückgezogen und sich für jene des (im Rang höher stehenden) Generals "Toto" ausgesprochen. Daraufhin habe Dadis Camara ihm jedoch erwidert: "Wenn Du den Platz nicht willst und ihn ,Toto' Camara überlassen möchtest - ich will ihn." (JA vom 04. Januar 09, S. 25) Eventuell stimmt ja auch einfach beides, und die von ,JA' geschilderte Übernahme der Initiative durch Dadis Camara hat daraufhin erst zu der Pattsituation zwischen ihm und General "Toto" Camara geführt, die daraufhin - vielleicht - per Losziehung aufgelöst worden wäre... |