Home > Internationales > Frankreich > Politik > wahl12_1l | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Konservative Regierung führt drastische Verschärfungen in der Ausländerpolitik durch Wahlkampf mit schmutzigen Mitteln. Und die Ideologie wird bereits in Praxis gegen Einwanderer umgesetzt. Von Asylsuchen bis zu ausländischen Studierenden. Das nennt man eine koordinierte Offensive. Frankreichs rechter Innenminister Claude Guéant, eiskalte Verkörperung der "Staatsraison" und des notfalls auch über Leichen gehenden politischen Kalküls, übt sich in einem demonstrativen Rundumschlag. Alles, was nach "Ausländern" aussieht, kommt an die Reihe: Einbürgerungen, "Ausländerkriminalität", Antragsteller/innen für Aufenthaltstitel - und demnächst auch Asylsuchende. Offenkundig legt die konservativ-wirtschaftsliberale Regierungspartei UMP im Vorfeld der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im April, Mai und Juni dieses Jahres Wert darauf, für die rechtsextreme Wählerschaft attraktiv zu bleiben. Dass dies Wähler/innen nicht abhalten dürfte, doch lieber gleich für Marine Le Pen zu stimmen, steht auf einem anderen Blatt. Seine letzte Trouvaille: Am 04. Februar 12 trat Guéant als Redner bei einer Veranstaltung der zwischen dem rechten Rand der Konservativen und dem rechtsextremen Front National angesiedelten Studentenorganisation UNI auf. Die 1969 gegründete UNI (Union nationale interuniversitaire), war zunächst durch Teile der gaullistischen Rechten, darunter ihre damalige "Parallelpolizei" oder Quasi-Miliz SAC (Service d'action civique), als "Damm" gegen die 68er Bewegung gegründet worden. Ab den 1980er Jahren wurde sie jedoch teilweise zwischen dem konservativen Block und dem aufstrebenden Front National zerrieben. Vor nunmehr zwei Jahren gründete die Regierungspartei UMP deswegen ihre eigene Studierendengewerkschaft, unter dem Namen MET; einige Kader der UNI schlossen sich ihrerseits daraufhin der Jugendorganisation des FN an . Dies hinderte Guéant nicht an seinem Auftritt. Vor einem solchen Publikum ließ Guéant sich am 04. Februar 12 über die "Ungleichwertigkeit der Kulturen" aus. Dazu spuckte er ferner folgende Töne: "Jene (Kulturen), welche die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verteidigen, erscheinen uns überlegen gegenüber jenen, die die Tyrannei, die Minderwertigkeit von Frauen, sozialen oder ethnischen Hass akzeptieren." Auf das Munterste vermengte der Minister dabei politische und gesellschaftliche Phänomene mit angeblichen "kulturellen" Tatbeständen. Zum Schluss rief er aus: "Wir müssen unsere Kultur/Zivilisation verteidigen!" (Anm.: Der französische Begriff der ,civilisation' entspräche im Deutschen tendenziell eher dem "Kultur"begriff, in jenen Diskussionen, die die Begriffe "Zivilisation" und "Kultur" einander gegenüberstellen.) An den folgenden Tagen fügte er noch ausdrücklich hinzu, er habe dezidiert "die muslimische Religion" gemeint, welche "in Frage steht" . Was sucht der Mann eigentlich: Geht es ihm nur um Hetze, oder möchte er ausdrücklich Attentate auf französischem Boden provozieren, um (unter dem Motto "Wir oder das Chaos") vor den Wahlen als Retter der bedrohten Franzosen posieren zu können? Darauf antwortete übrigens am Dienstag dieser Woche - 07. Februar 12 - in der französischen Nationalversammlung der linke karibikfranzösische Abgeordnete Serge Letchimy, der die Insel La Martinique im Parlament vertritt. Bezüglich der vermeintlich überlegenen Kultur verwies er Claude Guéant auf Kolonialverbrechen, Sklavenhandel und "die Ideologien, die zur Errichtung von Konzentrationslagern führten". Das Regierungslager tobte, seine Minister regten sich künstlich auf und verließen - Premierminister François Fillon an ihrer Spitze - geschlossen den Plenarsaal. Die Sitzung wurde aufgehoben. Solches war seit der Dreyfus-Affäre nicht erneut vorgekommen (vgl. http://blog.lefigaro.fr/election-presidentielle-2012/2012/02/du-jamais-vu-depuis-laffaire-dreyfus.html ). Teile der bürgerlichen Presse stellten die Sache so dar, als habe der Abgeordnete Letchimy unmittelbar Guéant in die Nähe des Nazismus gerückt. Der regierende Bürgerblock forderte die Sozialdemokratie, ihre Parteispitze und ihren Präsidentschaftskandidaten - den auf die bürgerliche Mitte schielenden Softie François Hollande - ultimativ zur öffentlichen "Entschuldigung" auf. Diese verweigerten jedoch zumindest eine offensive Distanzierung, Parteichefin Martine Aubry verwies auf die vorausgehenden "ständigen Provokationen" des Ministers. Und François Hollande druckste ein bisschen herum (Serge Letchimy habe "sich verletzt gefühlt") , ohne jedoch den Karibikfranzosen offen zu verurteilen. Am Abend des Mittwoch organisierte das Präsidium der Nationalversammlung einen "Versöhnungsversuch". Letchimy traf mit Minister Guéant zusammen und diskutierte mit ihm, eine von manchen erwartete "Entschuldigung" unterblieb jedoch. Am Donnerstag früh wurde unterdessen bekannt, seine Insel La Martinique habe Letchimy zwischenzeitlich einen warmen und freundlichen Empfang bereitet. Dort selbst und auf der Nachbarinsel Guadeloupe wurde Guéant unterdessen in den letzten Tagen durch viele örtliche Gewählte und Mandatsträger zur persona non grata erklärt. Sein Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy hatte seinerseits im Winter 2005/06 eine Reise auf die Antillen (französischen Karibikinseln) aufgrund von heftigen Protesten annullieren müssen, nachdem zuvor die rechte Mehrheit in der Nationalversammlung ein Gesetz zur Verklärung der Kolonialvergangenheit verabschiedet hatte. Dieses wurde daraufhin im Januar 2006 entschärft. Doch Claude Guéant bietet nicht nur Maulaffen feil, und trägt nicht nur ideologische Diskurse vor. In Gestalt der "Ausländerpolitik", für die er an maßgeblicher Stelle und in wesentlichen Teilen verantwortlich zeichnet, nehmen diese unterdessen auch materielle Gewalt an. Abschiebezahlen: Plansoll übererfüllt, Plansoll wird heraufgesetzt Ein "noch nie erreichtes Resultat", also ein quasi historisches Ergebnis, nannte Claude Guéant bei einer Pressekonferenz am Dienstag, den 10. Januar 12 zur Vorstellung seiner "Bilanz" die Abschiebezahlen für das Jahr 2011. In seiner zweiten Amtszeit als damaliger französischer Innenminister (von Juni 2005 bis kurz vor der Präsidentschaftswahl im April/Mai 2007) hatte Nicolas Sarkozy zum ersten Mal jährlich vorher festzulegende Abschiebezahlen definiert. Damals legte er für das laufende Jahr 2005 eine zu erreichende Zahl von 23.000 abzuschiebenden Einwandern fest; im Jahr zuvor waren es, ausweislich der amtlichen Statistik, noch 16.000 gewesen. Im ersten Jahr dieser von Kritiker/inne/n so bezeichneten ,politique du chiffre' (Politik nach Zahlenvorgaben), 2005, wurde das Ziel jedoch nicht gänzlich erreicht. Die Zielvorgabe wurde unterschritten, und rund 20.000 Abschiebemaßnahmen wurden real durchgeführt (Anmerkung 1). Doch seitdem haben sich die Zeiten gründlich geändert. Jährlich wurde die zu erreichende Zahl von Abgeschoben zusätzlich angehoben: 25.000, 26.000. Sobald Nicolas Sarkozy im Mai 2007 zum Staatsoberhaupt gewählt worden war, wurden diese Planzahlen zum Staatsziel erklärt. Präsident Sarkozy schrieb sie seinen "Ministern für Einwanderung und nationale Identität", so lange dieses Ministerium existierte (Brice Hortefeux, Eric Besson) - und nach dessen Abschaffung vor einem Jahr seinem jetzigen Innenminister Claude Guéant - in ihre Aufgabendefinition hinein. Im zurückliegenden Jahr 2011 wurde erstmals die Zielvorgabe, welche selbst auf einem Rekordniveau lag (28.000 Abschiebungen im laufenden Jahr), übertroffen. Dies behauptete jedenfalls Minister Claude Guéant anlässlich seiner Pressekonferenz vom 10. Januar d.J. Demnach waren 28.000 "Rückführungen" vorab geplant, jedoch 32.922 real durchgeführt. Dieser zahlenmäßige Rekord erklärt sich u.a. aus der kurzzeitigen verstärkten Wanderungsbewegung aus Tunesien im Februar/März 2011 (nachdem dort die polizeistaatliche Grenzkontrolle nach dem Sturz der alten Diktatur von Präsident Ben Ali zurückging) in Richtung Italien/Frankreich, und den staatlichen Antworten darauf. Über 5.000 Tunesier wurden in diesem Zusammenhang allein im Jahr 2011 aus Frankreich abgeschoben (2). Laut der auf "Innere Sicherheitspolitik" spezialisierten Publikation Les Cahiers de la sécurité war im zurückliegenden Jahr die Zahl an der italienisch-französischen Grenze aufgegriffenen Tunesier gegenüber dem Vorjahr 2010 (also dem Jahr vor den Umbrüchen in Nordafrika) um 1.789 % gestiegen, hatte sich also fast verzwanzigfacht. Im begonnenen Jahr 2012 ist nicht damit zu rechnen, dass diese - einer besonderen historischen Situation geschuldeten - Voraussetzungen sich in ähnlicher Weise wiederholen. Dennoch setzte Claude Guéant bei seiner Pressekonferenz gleich eine noch "ehrgeizigere" Zielmarke fest: 35.000 Abschiebungen sollen im laufenden Jahr 2012 durchgeführt werden, tönte er. Gleichzeitig sank die Anzahl der erteilten "ersten Aufenthaltserlaubnisse" auf französischem Boden insgesamt - eine Gesamtmenge, die für ein bis drei Jahre einreisende ausländische Studierende ebenso umfasst wie Antragsberechtigte auf Familienzusammenführung und Asylsuchende - von 189.455 im vorletzten Jahr, auf noch 182.595 im zurückliegenden Jahr. Als Zielsetzung bezeichnete Claude Guéant es, in naher Zukunft auf 150.000 pro Jahr zurückzugehen. Unterstützung erhielt er dabei einmal mehr von Arno Klarsfeld. Der regierungsnahe Anwalt, den Nicolas Sarkozy im Jahr 2011 zum neuen Leiter des "Amts für Einwanderung und Integration" (OFII) - einer zentralen Behörde für die französische Immigrationspolitik - ernannt hatte, stützte sich wenige Stunden nach der Bilanzverkündung durch Innenminister Guéant auf dem Fernsehsender BFM ins Zeug. Arno Klarsfeld, 46jähriger Karrierist ohne Statur, dessen (unverdiente) Reputation in Gänze von den historischen Leistungen seiner Eltern - der Anti-Nazi-Aktivisten Serge und Beate Klarsfeld - zehrt und der selbst als weitestgehend inkompetent gelten muss, wird seit 2006 immer wieder durch Nicolas Sarkozy auf die Bühne gebracht. Damals, im Sommer 2006, ernannte Innenminister Sarkozy ihn zum "Vermittler" für die damalige Operation zur "Legalisierung" mancher ausländischer Eltern schulpflichtiger Kinder & Jugendlicher. 6.000 von rund 30.000 Antragsteller-inne-n erhielten damals, nach strenger "Einzelfallprüfung", Aufenthaltstitel, die übrigen wurden abgelehnt. Seitdem kam bzw. griff Sarkozy, auch als Präsident, immer wieder auf die Dienste des sich für smart haltenden Arno Klarsfeld zurück. Besonders, um die Einwanderungspolitik der Rechtsregierung zu verteidigen, indem er ihr eine vermeintliche "moralische Legitimation" verleiht: Aufgrund seiner Herkunft (3) soll er belegen, dass die Politik der Jagd auf Einwanderer nichts, aber auch gar nichts mit hässlichen Dingen der Vergangenheit wie etwa "Judenrazzien" unter der deutschen Besatzung (die tatsächlich etwas qualitativ Unterschiedliches und völlig Anderes darstellten, da sie nur eine Vorstufe für die Deportation in Vernichtungslager waren!) zu tun habe. Und so legitimiert Arno Klarsfeld immer wieder und immer wieder Ausländer-Razzien und Abschiebungen mit dem Hinweis darauf, die Opfer würden "ja nicht nach Auschwitz gebracht", was natürlich zutrifft, die Sache aber trotzdem auch nicht positiv macht. Im Januar 2012 kam es übrigens zum Clash im Parlament, als sozialdemokratische Abgeordnete aufgrund der Sprüche des arroganten Idioten Arno Klarsfeld über rumänische Roma aufstanden und eine Sitzung verließen (4). Im Januar 2012 nun agitierte der quasi regierungsoffizielle Einwandererpolitiker Arno Klarsfeld bei dem erwähnten TV-Sender drauf los: In Zeiten der Wirtschaftskrise bildeten Einwanderer nun einmal eine wirtschaftliche Belastung, und deswegen sei es normal, die (auch höchst "legale") Zuwanderung drastisch zu beschränken. Auch gefährdete Einwanderung, gerade in Krisenzeiten, "die nationale Identität" oder setze sie einer Belastungsprobe aus - soweit wörtlich. Als Zielgruppen für die, jedenfalls bei einer Bestätigung der aktuellen Regierung im Amt zu erwartende, weitere Einschränkung der "legalen" Immigration nannte Arno Klarsfeld ausdrücklich Arbeitskräfte, aber auch die Anspruchsberechtigten für Familienzusammenführung - und "Asylsuchende". Bislang galt theoretisch, jedenfalls (ausdrücklich noch) unter Claude Guéants Amtsvorgänger Brice Hortefeux, dass Asylsuchende aus der allgemeinen Einwanderungs-Kontingentierung auszuklammern seien, da bei Flüchtlingen das Einzelschicksal in besonderer Weise zähle und diese folglich nicht unter Zahlenpauschalen zu fassen seien. Nunmehr wird, als sei es absolut selbstverständlich, auch die Gruppe der Asylbewerber/innen einfach unter die künftig zu reduzierenden Einwandererkontingente druntergeschoben. Auch in einigen Berichten über die Pressekonferenz Guéants werden die Asylsuchenden übrigens wie selbstverständlich mitgezählt. Doch mit besonderer Unverfrorenheit trat Arno Klarsfeld explizit für diese Neubewertung ein. Mogeleien - die die extreme Rechte für Anklagen wegen "Lügen" ausbeutet Tatsächlich mogelt der Minister allerdings bei der Erstellung seiner Bilanz ein bisschen. So behauptet er, die Anzahl von Aufenthaltserlaubnissen zum Zwecke der Arbeitsaufnahme sei (von circa 12.000 im Vorjahr auf circa 9.000 im vergangenen Jahr) zurückgegangen. Dabei zählt er jedoch lt. ,Libération' für 2011 nur noch bestimmte Kategorien von erteilten Aufenthaltserlaubnissen für Arbeitszwecke, etwa die Neueintritte von "besonders qualifizierten Arbeitskräften" auf französisches Territorium (mit einem Visum für Hochqualifizierte). Nicht jedoch die Zahl der zwecks Besetzung eines bestimmten Arbeitsplatzes "legalisierten", bislang "illegalen Einwanderer". Solche "Legalisierungen", die durch das vorletzte Ausländergesetz vom 20. November 2007 ausdrücklich ermöglicht wurden - als Antwort auf die Bedürfnisse der französischen "Arbeitgeberschaft", die befürchtete, aufgrund des wachsenden Drucks auf "illegalisierte" Einwanderer selbst in die Gefahr von Strafverfolgungen aufgrund der Beschäftigung von "Illegalen" zu kommen - sind zwar zahlenmäßig erheblich im Rückgang. Ihre Ausklammerung aus der Statistik beweist dennoch, dass diese teilweise bewusst "frisiert" worden ist, um die politisch erwünschte Demonstration hinzubekommen oder deutlich ausfallen zu lassen. Marine Le Pen, welche als Zielperspektive "10.000 Aufenthaltserlaubnisse pro Jahr" angibt, wird er dadurch freilich noch keine ernsthafte Konkurrenz bereiten können. Und die Chefin des rechtsextremen Front National hindert die ganze Angelegenheit nicht daran, den Minister Guéant öffentlich der "Lüge" zu zichtigen und von einer behaupteten "explosionsartigen Zunahme der Immigration" zu schwadronieren. (5) Einbürgerungen: "historisches Tief" Am 11. Januar 12 machte die liberale Pariser Abendzeitung Le Monde mit folgender Titelschlagzeile auf: "Die Regierung zeigt einen historischen Rückgang der Einbürgerungszahlen an." Die jüngst erfolgte Verschärfung der Einbürgerungskriterien (was u.a. die schwammige Erfordernis der "Integration in die französische Gesellschaft" betrifft) schlug sich im zurückliegenden Jahr in einem drastischen Rückgang der positiv entschiedenen Anträge auf Einbürgerung nieder. Deren Anzahl fiel von 94.500 im Jahr 2010, auf nurmehr 66.000 im Jahr 2011. Dies entspricht einer Absenkung um rund 30 Prozent. Neues Kampagnenziel: "Ausländerkriminalität" Unterdessen hat die Regierung eine neue Offensive zum Thema "kriminelle Ausländer" angekündigt. Schon im Dezember 11 hatte Claude Guéant neue Sondergesetze gegen "straffällige Ausländer" angekündigt: Diese sollten, falls sie "erst seit kurzem sich in Frankreich" aufhalten und "keine engeren familiären Beziehungen", bei Vergehen oder Verbrechen mit Abschiebung bestraft werden können. Bei seiner Pressekonferenz kam Claude Guéant auf dieses Thema zurück. Am selben Vormittag hatte er auch in einem Rundfunkinterview behauptet, "unter den ausländischen Bevölkerungen" sei die Kriminalitätsrate "zwei bis drei mal höher" als unter den Einheimischen. (6) Nicolas Sarkozy hatte, um eine "gemäßigte" Facette seiner Politik zu präsentieren, im Jahr 2003 die so genannte "Doppelstrafe" (double peine) teilweise abgeschafft. Letztere bestand darin, dass in Frankreich straffällige ausländische Staatsbürger auf andere Weise als französische bestraft wurden, nämlich zusätzlich zu einer Haftstrafe (und in ihrem Anschluss) auch noch durch Abschiebung. Nunmehr soll diese "doppelte Strafandrohung" offenkundig erneut eingeführt werden, so fordern es jedenfalls Teile der Regierungspartei UMP lautstark (7). Ausländische Studierende Besonders viele Schlagzeilen machte jedoch in den letzten Wochen und Monaten die Situation der ausländischen Studierenden. Dafür sorgte eine ,circulaire' (ein ministerielles "Rundschreiben" an die Untergebenen in den Verwaltungen, eine ministerielle Verordnung für die Ausländerbehörden) aus dem Hause Claude Guéants vom 31. Mai 2011. Dieses Dokument wurde ab dem Spätherbst 2011 breiteren Teilen der Öffentlichkeit bekannt. Es bewirkt eine erhebliche Verschärfung für die ausländischen Studierenden, was deren Zugang zum Arbeitsmarkt betrifft. Dieser war erst "soeben", d.h. vor fünf Jahren - mit dem Inkrafttreten des Ausländergesetzes "Sarkozy II" vom 24. Juli 2006 - erleichtert worden. Das Gesetz "Sarkozy II" erlaubte es ausländischen Studierenden, die ein gewisses Niveau (Master/Bachelor) erreicht haben, unter gewissen Voraussetzungen eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Zu den Bedingungen zählen das Niveau des erzielten Abschlusses, eine erwünschte Arbeitsaufnahme auf demselben Gebiet wie die Studienfachrichtung, und ein Mindest-Einkommensniveau (ab dem Anderthalbfachen des gesetzlichen Mindestlohns, d.h. ab circa 1.500 Euro nette monatlich). In den Jahren zuvor war die oft schwierige Situation ausländischer Studierenden, die über ihren Abschluss hinaus vorübergehend in Frankreich bleiben möchten, Gegenstand von heftiger Kritik auch aus den politischen und wirtschaftlichen Eliten heraus gewesen. Die rigiden ausländerrechtlichen Bestimmungen, die eine Verlängerung des Aufenthalts oft verhinderten respektive "illegalisierten", sorgten für Verstimmung: Während etwa Briten und US-Amerikaner es verstünden, die internationalen "Eliten von morgen" anzuziehen und (auch im Hinblick auf deren spätere Rückkehr in ihre Herkunftsländer) in positiver Verbindung mit ihnen zu bleiben, dominiere in Frankreich die Abschreckung. Auf diese Weise ängstlich die Türen zu verrammeln, schade jedoch der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft, die es nicht vermöge, eine Anziehungskraft auf "die Köpfe" weltweit auszuüben. So lautete die wirtschaftsliberale Kritik, die sich auf diesem Gebiet zur humanistischen oder antirassistischen Kritik hinzu gesellte. Das unfreiwillige Zusammenwirken von beiden bewirkte im Jahr 2006 die Veränderung, welche ausländischen Studierenden das Sammeln einer ersten Berufserfahrung in Frankreich (oder eine sonstige Verlängerung ihres Aufenthalts) erheblich erleichterte. Claude Guéant vollzog nun eine drastische Wende rückwärts. Die Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme für ausländische Studierende oder Absolventen wurde faktisch zur Ausnahme, statt zur Regeln (unter bestimmten Voraussetzungen), erklärt. Ausländischen Antragsteller/inne/n, die in französischen Hochschulen studiert hatten, solle "die Arbeitsmarktsituation entgegen gehalten" werden können. Dies bedeutete, dass an eine vorübergehende oder längerfristige Arbeitserlaubnis überhaupt nur dann zu denken ist, wenn keine französischen oder EU-Staatsbürger/innen sich auf demselben Sektor um Stellen bewerben. Oder nicht in genügender Zahl, also nur, wenn die Anzahl der zu besetzenden Stellen jene der sich darum bewerbenden Franzosen und EU-Bürger/innen überschreitet. Die neue Maßnahme verhinderte seit dem Sommer 2011 eine Jobaufnahme oder Arbeitserfahrung für viele ausländische Studierende. Und zwar gleichgültig, ob es sich um US-Amerikaner und Kanadierinnen handelte oder um Algerierinnen und Afrikaner aus subsaharischen Ländern. Dies erleichterte es sicherlich, Solidarität zu organisieren, zumal auch viele Unternehmen die neuen Regelungen als absurd betrachteten. Ab Oktober 2011 kam es (erstmals auf dem Vorplatz der Sorbonne) zu mehreren Kundgebungen, und Betroffene organisierten sich in einem "Komitee des 31. Mai". Daraufhin kündigte die Regierung an, Ballast abzuwerfen: Die Arbeitsaufnahme solle für Studierende "mit hohem Potenzial", also die Spitzenkräfte und die Leistungselite unter ihnen, doch wieder erleichtert werden. Am Montag, den 16. Januar 12 publizierte das Innenministerium nunmehr eine neue Verordnung, welche die alte zum Teil abändert. Allerdings bleibt diese reichlich vage; sie sieht lediglich Ausnahmen für die genannten Wunschkandidaten als Kann-Regel (also ohne jegliche Garantie oder Rechtsanspruch) vor. Spezialisten wie der Juriste Serge Slama betrachten die neue Zusatzverordnung denn auch tendenziell als einen Schwung heißer Luft. Sie sprechen davon, dass die erfolgte Abänderungen einigen Hundert Personen - Spezialisten auf ihrem Gebiet - nutzen werde (8). Die Mobilisierung wird jedoch weitergehen. Die französische Studierendengewerkschaft UNEF möchte jetzt vor diesem Hintergrund zu einem Kongress der ausländischen Studierenden mobilisieren. Parallel dazu hat die Regierung unter Innenminister Claude Guéant jedoch eine andere drastische Verschärfung durchgedrückt. Die Gebühr für ausländische Studierende, die einen Aufenthaltstitel beantragen, wuchs explosionsartig an: Im Durchschnitt steigt mitunter um das Sechsfache. Bislang mussten ausländische Studierende für die Erneuerung ihrer (i.d.R. jährlich erteilten) Aufenthaltserlaubnis zwischen 55 und 70 Euro berappen. Nunmehr kostet es hingegen eine Steuer in Höhe von 200 bis 385 Euro - wenn der Aufenthaltstitel erteilt wird. Doch dies noch nicht alles. Hinzu kommt nun nämlich noch eine weitere, spezielle Gebühr von 110 Euro (pro Antrag), die in jedem Falle erhoben und auch dann einbehalten wird, falls der Antrag abschlägig beschieden wird (9). Jedenfalls für ärmere ausländische Studierende wird dadurch der Gang zur Ausländerbehörde erheblich erschwert. (Nicht nur) die marokkanische Internetzeitung Yabiladi spricht in diesem Zusammenhang vom Ausdruck "einer Obsession, einer Neurose" seitens der französischen Regierung, die sich im Umgang mit ausländischen Staatsbürger/inne/n manifestiere (10). Artikel von Bernard Schmid zu den Wahlkämpfen in Frankreich vom 09. Februar 2012 ________ Anmerkungen: 1 - Vgl. dazu: http://www.trend.infopartisan.net/trd0106/t190106.html 3 - Arno Klarsfeld wird in der Öffentlichkeit nicht nur aufgrund der verdienstvollen Tätigkeit seines Vaters Serge Klarsfeld für die "Vereinigung der Söhne und Töchter deportierter Juden" als Persönlichkeit jüdischer Herkunft wahrgenommen und identifiziert. Hinzu kommen eigene, und in diesem Fall eher zweifelhafte, "Leistungen" des definitiv missratenen Sprösslings. Klarsfeld Junior leistete vor einigen Jahren, freiwillig und aus eigenem Antrieb, Militärdienst in der israelischen Armee; und dies nicht irgendwo (oder etwa im israelischen Kernland), sondern in einer Einheit der Grenzarmee im besetzten Westjordanland. Dafür erntete er, allzu berechtigte, Kritik. - Was seine persönliche Inkompetenz betrifft, sei daran erinnert, dass der damals noch ziemlich jugendlich wirkende Arno Klarsfeld an der Seite seines Vaters Serge Klarsfeld als Anwalt der Nebenkläger am Prozess gegen Maurice Papon in Bordeaux 1997/98 teilnahm. Papon wurde, als erster Franzose, wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt, aufgrund seiner aktiven Rolle bei der Deportation von 1.700 Jüdinnen und Juden aus Bordeaux im Zweiten Weltkrieg. So bewandert und kompetent jedoch der Vater als Anwalt agierte, so fatal waren einige der Prozesshandlungen des Sohnes, die bei den Zivilparteien (= Nebenklägern) zu verwunderten bis erbosten Reaktionen führten. Arno Klarsfeld lie? Beweisanträge durch die Lappen geben, oder gab der Gegenseite an Punkten einfach spontan "Recht", in denen Papons Argumentation juristisch höchst angreifbar gewesen wäre. Alles in allem hat sein anwaltliches Wirken in diesem Prozess nun wirklich keinen guten Eindruck hinterlassen... Es fragt sich nur, was der Jüngling also ausgerechnet in einem derart brisanten Prozess überhaupt zu suchen hatte. 4 - Vgl. http://www.leparisien.fr/election-presidentielle-2012/clash-entre-arno-klarsfeld-et-les-deputes-ps-sur-les-roms-11-01-2012-1806546.php und http://www.lcp.fr/videos/reportages/66242-clash-en-commission-de-lois 5 - Vgl. u.a. http://www.leparisien.fr/election-presidentielle-2012/immigration-gueant-se-felicite-de-son-bilan-10-01-2012-1805475.php und http://www.20minutes.fr/societe/856796-bilan-politique-immigration-2011-ces-chiffres-travestissent-realite 7 - http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2012/01/10/97001-20120110FILWWW00539-ciotti-veut-une-loi-pour-les-delits-d-etrangers.php und http://www.lemonde.fr/societe/article/2012/01/17/l-offensive-de-m-gueant-sur-la-delinquance-etrangere_1630610_3224.html#ens_id=1263607 sowie http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2012/01/13/97001-20120113FILWWW00238-delinquance-etrangere-l-ump-propose.php oder http://www.lefigaro.fr/actualite-france/2012/01/12/01016-20120112ARTFIG00795-la-double-peine-combattue-par-sarkozy-est-elle-de-retour.php und http://www.lefigaro.fr/actualite-france/2012/01/12/01016-20120112ARTFIG00794-expulsion-les-delinquants-etrangers-vises.php 8 - Vgl. http://www.telessonne.fr/webtv/lecteur/c-1/v-2575/Le_Journal_du_16_Janvier_2012.html 9 - Vgl. dazu folgenden guten Artikel in einer französischsprachigen libanesischen Zeitung : http://www.lorientlejour.com/category/ 10 - Vgl. http://www.yabiladi.com/articles/details/8150/france-taxe-carte-sejour-etudiants.html |