letzte Änderung am 28. Oktober 2003 | |
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Die Bewegung der prekären Kulturschaffenden (intermittents du spectacle), die Frankreich den Hochsommer über im Atem hielt, macht seit einigen Tagen wieder viel von sich reden. Denn ihre letzte Aktion vom vorletzten Samstag traf ins Schwarze. An einem Samstag abend fiel das Fernsehprogramm volle zwei Stunden lang aus: Skandal! Die Sendung Star académie (die französische Entsprechung zu "Deutschland sucht den Superstar") hatte gerade begonnen, da gelang es am Samstag gegen 21 Uhr mehreren Dutzend intermittents, in das Fernsehstudio im Pariser Südwesten einzudringen. Für den Fernsehzuschauer gut sichtbar, zeigten sie ein breites Transparent mit der Aufschrift "Schaltet die Fernseher aus" in die Kamera (die vollständige Demoparole lautet "und fangt an zu denken"). Es folgte einiger Tumult, dann ein Werbeblock, und eine vorgefertigte Serie wurde zugeschaltet. Erst gegen 23 Uhr konnte zu star académie zurück in's Studio geschaltet werden. 10 Personen wurden auf Seiten der intermittents verletzt, und vier Festgenommene wurden zu Anfang der letzten Woche dem Untersuchungsrichter vorgeführt.
Der Sender TF1 - der erste Fernsehkanal wurde 1987 durch Premierminister Jacques Chirac privatisiert - behauptete in der Öffentlichkeit tagelang, die Eindringlinge hätten Gewalt angewendet, Türen eingeschlagen und den Moderator bedroht. Die ersten Reaktionen in der Presse waren daher auch überwiegend negativ, die Rede war (sinngemäß) von fanatischer Kompromisslosigkeit. In einem Leserbrief, den die linksliberale Pariser "Libération" am Dienstag voriger Woche publizierte, bekundete ein Schauspieler ("selbst ein intermittent du spectacle"), dass er sich für seine gesamte Berufsgruppe für solcherlei Aktionsformen "schäme".
Doch gegen Mitte voriger Woche begann das Blatt sich zu wenden. Anlässlich einer Vollversammlung der intermittents am Dienstag kam die Videoaufnahme eines Amateurfilmers zum Vorschein, die den Durchsuchungen durch private Wachleute bei TF1 entgangen war. Man sieht darauf sehr deutlich, wie Teilnehmer an der Aktion durch den Sicherheitsdienst zusammen geschlagen werden, während keine Spur von Gewalt seitens der intermittents zu sehen ist. In der Presse löste dies eine rege Debatte aus. "Libération" publizierte etwa eine volle Seite in ihrem Kulturteil dazu und druckte eine Bildfolge von vier Momentaufnahmen (die aus dem fraglichen Filmdokument) stammen) dazu, die einen prügelnden Sicherheitsbediensteten und einen geschlagenen intermittent in eindeutiger Pose zeigt. Zugleich erschienen im Leserbriefteil des Blattes mehrere Schreiben von LeserInnen, die der "Scham"bekundung vom Dienstag energisch und argumentativ widersprachen.
Das Vorbeischauen bei TF1 am Samstagabend (18. Oktober) war der Höhepunkt einer Aktionswoche, zu der auch eine Demo von 3.000 Personen am vorletzten Donnerstag gehörte. Die intermittents protestieren noch immer gegen eine im Sommer verabschiedete Reform, die vielen von ihnen die ökonomische Existenz zu entziehen droht.
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