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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Fortgang der Proteste gegen die drohende Renten,reform': Allmählich wird's spürbar ernst: Hüpf' oder stirb. Demonstrationen am 02. Oktober und gewerkschaftlicher "Aktionstag" am 12. Oktober. Aber vielerorts wollen die Protestierenden nicht warten - und neben die Dinge, mit Streiks und Versammlungen, selbst in die Hand. Noch steckt die Dynamik allerdings in den Kinderschuhen. Am Freitag um 13 Uhr, wenige Minuten nach Redaktionsschluss unseres bisher letzten Artikels zu den Aussichten des weiteren Kampfs gegen die französische Renten,reform" (http://labournet.de/internationales/fr/rente2010_11.html ), wurden die Beschlüsse publik. Zuvor hatten alle acht französischen Gewerkschafts-Dachverbände sich am Sitz der CGT - des größten und historisch ältesten unter ihnen, ihr Name bedeutet "Allgemeiner Arbeiter-Verband" - in Montreuil bei Paris getroffen. Die zentrale Frage lautete, wie weit es in dem Protest gegen diese sozial regressive "Reform" weitergehen sollte. Sechs der acht Gewerkschaftsbünde einigten sich auf einen gemeinsamen Beschluss. Dieser sieht ein doppeltes neues Mobilisierungsdatum vor:
Die Senatsdebatte wird die Gelegenheit zu "Kompromiss"vorschlägen der bürgerlichen Rechten seien, deren gemäßigter Flügel - die christdemokratisch-liberale Opposition im Mitte-Rechts-Spektrum - einige "Zugeständnisse" an die Lohnabhängigen angedeutet hat. Gérard Larcher, Präsident des Senats und Mitglied von Nicolas Sarkozys reaktionär-wirtschaftsliberaler Regierungspartei UMP, streckte am Wochenende in einem Interview mit der Sonntagszeitung ,JDD' (Journal du dimanche) ausdrücklich "der CFDT die Hand hingegen" und deutete an, einen Kompromiss mit ihr einfädeln zu wollen. Noch ging die Führung des - an der Spitze rechtssozialdemokratischen - Gewerkschaftsverbands, anders als bei der letzten Stufe der Renten,reform" im Jahr 2003 (die durch die CFDT unterstützt wurde), bisher nicht darauf an. Die "Angebote" betreffen künftige Ausnahmeregelungen, die nichts am "Kernstück der Reform" ändern werden, wie Premierminister François Fillon die Anhebung der Lebensarbeitszeit und des Rentenalters (von 60 auf 62 für jene, die dann schon die künftig 41,5 erforderlichen Beitragsjahre beisammen haben oder aber 6 % Abzug an der Rente pro fehlendes Beitragsjahr hinnehmen können ; und für alle anderen von 65 auf 67) bezeichnet hat. So deutet sich vor der Abstimmung im Senat nun an, dass Mütter von mindestens drei Kindern und Körperbehinderte (ab einer Invaliditätsrate von mindestens 50 %; statt bislang 80 %) schon früher als andere Lohnabhängige in Rente gehen können. Zwei Jahre früher im Falle der "Mütter kinderreicher Familien" - ihre Altersgrenze bliebe bei 65 statt künftigen 67 Jahren -, und wesentlich früher für erheblich Körperbehinderte (mit 55 Jahren Lebensalter oder 25 Beitragsjahren; also wie bisher, doch mit verminderten Anforderungen an die Invaliditätsrate). Zudem könnte voraussichtlich die gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, dass ein Branchen-Kollektivvertrag (= Tarifvertrag) ein niedrigeres Rentenalter im Vergleich zum neuen Gesetz vorsieht. Aber auch ohne dass dies ausdrücklich vorgesehen ist, könnte ein Kollektivvertrag ohnehin nach dem sog. "arbeitsrechtlichen Günstigkeitsprinzip" günstigere Regeln für die Lohnabhängigen - im Vergleich zu den Bestimmungen des Gesetzgebers - vorgesehen. Das ist also nichts Neues. Nur besteht der Haken an der Sache darin, dass die Unterschrift unter einen rechtsgültigen Kollektivvertrag nun einmal das Einverständnis der Kapitalseite benötigt. Also wird nichts aus einem früheren Rentenalter, jedenfalls nicht als "Geschenk" - nur vielleicht als "Gegenleistung" zu erheblichen Opfern, in welche durch die Lohnabhängigen (respektive Gewerkschaften) anderswo eingewilligt wurde... Zurück zu den Beschlüssen der ,Intersyndicale', des Gipfels der unterschiedlich ausgerichteten Gewerkschaftsverbände vom vorigen Freitag. Zwei Gewerkschaftsbünde bzw. -zusammenschlüsse, einerseits der verbalradikal auftretende und politisch sehr schillernde Dachverband FO (,Force Ouvrière', ungefähr: Arbeiterkraft) und andererseits die linke Union syndicale Solidaires - lockerer Verband der Basisgewerkschaften vom Typ SUD - lehnten den Mehrheitsbeschluss ab. Aber auch sie unterstützen, wie schon bei den letzten "Aktionstagen" der übrigen Gewerkschaften, den gemeinsamen Aufruf zu Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen. Gleichzeitig fordern sie aber jeweils eine andere Gangart, und schon früher als geplant (also früher als am 12. Oktober) Streiks, die schnell breiter durchgeführt und zudem unbefristet bleiben sollen. FO spricht ferner einem - 24stündigen - "Generalstreik" das Wort, allerdings wird dieser Dachverband sicherlich nicht die entscheidenden Kräften dazu beisteuern (können), jenseits seines mitunter gepflegten und in seinem Falle eher billigen Verbalradikalismus (der neben einer oft sehr "kompromissfreudigen" Verhandlungspraxis von FO steht). An vielen Orten finden aber solche Aktionen, auf kleinerer Ebene, bereits statt. Federführend dabei waren Ende vergangener Woche die Raffinerien des französischen Erdölkonzerns TOTAL: In fünf von ihnen (von insgesamt sechs in Frankreich gelegenen) wurde sowohl am vorigen Donnerstag Abend als auch am Freitag durch eine Vollversammlung eine Fortführung des Streiks - über den "Aktionstag" vom letzten Donnerstag hinaus - mit deutlicher Mehrheit beschlossen. In Le Havre wurde am letzten Freitag das Industriegebiet für mehrere Stunden durch Streiks und faktische Blockaden lahm gelegt, in Saint-Nazaire der Hafen. In Paris wird am Ostbahnhof - an der Gare de L'Est - am heutigen Dienstag um 18 Uhr erstmals eine Berufsgruppen übergreifende Vollversammlung von Aktiven aus allen streikenden oder streikwilligen Sektoren stattfinden. Labournet wird ausführlich darüber berichten. Inzwischen sammelt auch eine Webseite landesweit Informationen über derzeit andauernde oder ausbrechende Streiks gegen die Renten,reform': http://www.7septembre2010.fr/ Neu ist auch, dass Oberschülervereinigungen (UNL, FIDL) und Studierendenverbände (die Studierendengewerkschaft UNEF) nun für kommenden Samstag erstmals die Jugend zur massiven Teilnahme an den Demonstrationen aufrufen. Näheres folgt in den nächsten Tagen. Artikel von Bernard Schmid vom 29.09.2010 |