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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Die Ausländerpolizei hat weder Humor noch Sinn für Satire: Ein irrer Prozess in Rennes Das französische Innenministerium versteht keinen Spaß, wenn es um die Ehre seiner Schergen, pardon: seiner Ausländerpolizei geht. Jene hört auf den griffigen Namen "Paf", für ,Police aux frontières' (gleich "Polizei an den Grenzen"). Pafff...! Auch jene, die damit betraut sind, im Auftrag der Politik die Drecksarbeit zu verrichten, haben ebenso wenig Sinn für Ironie und Humor, wird ihre vermeintliche "Ehre" angegriffen. Und so kam es, dass ein Alles in Alles ziemlich irrer Prozess im westfranzösischen Rennes anberaumt wurde. Am vergangenen Freitag (12. Dezember) fand die mündliche Verhandlung statt, das Urteil fällt voraussichtlich am 12. Januar 2009. Als Kläger trat das französische Innenministerium auf, das - und dies ist jedenfalls bislang durchaus ungewöhnlich - Strafanzeige aufgrund des Inhalts eines kritischen Flugblatts erhoben hatte. Vorwurf: Verletzung der Ährä der Ausländerpolizei. Angeklagt waren Mitglieder des "Kollektivs für die Unterstützung der Sans papiers" von Rennes, also des Solidaritätskollektivs für die "illegalisiert" in Frankreich lebenden Einwanderer. Konkret ging es in dem Flugblatt vom April 2008, das die inkriminierten Äußerungen enthielt, um eine Kritik an - sehr realen - Praktiken der Ausländerpolizei (PAF). Ironisch wird darin für eine Bewerbung um einen Job bei der Ausländerpolizei geworben. Und auf sarkastische Weise werden die "Befriedigungen" dieses Berufs ausgemalt, wobei die Schilderungen von real zu beobachtenden Praktiken ausgingen: "die Sans papiers in ihrem Zuhause aufsammeln"; "Kontrollen nach Aussehen (Anm.: bei denen beispielsweise nur <afrikanisch aussehende> Menschen um eine Personalienfeststellung ersucht werden) organisieren"; "den Sans papiers jedes Mal, wenn Du einen Ortswechsel mit ihnen vornimmst, Handschellen anlegen"; und "wenn Du die Kinder liebst, dann darfst Du sie einsperren". Ferner wird versprochen, dass man "einem Sans papiers, der zu viel Lärm veranstaltet, eine kleine Beruhigungsspitze verabreichen darf". Besonders in der Klage, die das französische Innenministerium einreichte, hervorgehoben werden aber die folgenden Bemerkungen: "Die PAF liebt rassistische Witze", und: "Die PAF ist der bewaffnete Arm der Xenophobie (Ausländer-, Fremdenfeindlichkeit) des Staates". Anlass für das Erstellen und Verteilen des Flugblatts war die brutale Kontrolle von sieben Oberschülern - ausnahmslos afrikanischer Herkunft - im Bahnhof von Rennes gewesen. Drei Flugblätter und zwei Plakate, die beschlagnahmt worden waren, dienten dem französischen Innenministerium unter Michèle Alliot-Marie (UMP) als Grundlage für seine Strafanzeige. Empfindlich, empfindlich, die werten Ministerialbeamten... Das französische Innenministerium griff sich konkret drei Personen aus dem Solidaritätskollektiv heraus, die vor Gericht gestellt wurden. Jedoch fanden sich am vergangenen Freitag Dutzende von Personen ein, von denen sich rund 30 vor Gericht "selbst bezichtigten", dasselbe Delikt begangen zu haben - um darauf aufmerksam zu machen, dass es sich um eine kollektive politische Handlung und nicht um eine individuelle "Tat" drehe. Der Verhandlungssaal war so proppenvoll. Als Zeuge der Verteidigung sagte auch der sozialdemokratische Bezirkspräsident Jean-Louis Tourenne aus. Er sprach vor Gericht über die zahlreichen "Erniedrigungen" besonders von minderjährigen Immigranten durch die PAF - etwa in Gestalt der Handknöchel-Untersuchung, die dazu dienen soll festzustellen, wer minderjährig und wer (angeblich) schon volljährig ist. Der Staatsanwalt betonte in der Verhandlung seine angebliche "Unabhängigkeit" (in Wirklichkeit sind die Staatanwaltschaften an Weisungen aus dem Justizministerium gebunden). Er sprach seine Anerkennung für den "uneigennützigen Kampf" des Solidaritätskollektivs aus, lobte aber auch die "Deontologie" (ungefähr: Standesehre) des betroffenen Zweiges der französischen Polizei. Und forderte eine, obwohl "symbolisch" bleibende, Geldstrafe. Das Urteil wird im Januar bekannt gegeben... Vgl. auch: ,Libération' vom 13./14. Dezember 2008; und folgenden verlinkten Artikel Bernard Schmid, Paris, 15.12.2008 |