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Updated: 18.12.2012 15:51
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Reaktionen auf Regierungspläne

"Ganz Frankreich ist zur Notwendigkeit der „Wettbewerbsfähigkeit“ bekehrt. Ganz Gallien? Nein: Ein kleines Dorf von Unbelehrbaren... Hm, es wäre nicht völlig richtig, unsere heutige Geschichte so zu beginnen. Denn gar so klein ist das Dorf der Widerspenstigen nicht" so beginnt der aktuelle Beitrag "Politische und gewerkschaftliche Reaktionen auf die Regierungsbeschlüsse zur „Wettbewerbsfähigkeit“" von Bernard Schmid vom 09. November 2012, eine faktische Fortsetzung des Beitrags vom 7. November.

Politische und gewerkschaftliche Reaktionen auf die Regierungsbeschlüsse zur "Wettbewerbsfähigkeit"

(vgl. Labournet am Mittwoch, 07. November)

Ganz Frankreich ist zur Notwendigkeit der "Wettbewerbsfähigkeit" bekehrt. Ganz Gallien? Nein: Ein kleines Dorf von Unbelehrbaren... Hm, es wäre nicht völlig richtig, unsere heutige Geschichte so zu beginnen. Denn gar so klein ist das Dorf der Widerspenstigen nicht.

Sogar die zweite Regierungspartei neben der französischen Sozialdemokratie, ,Europe Ecologie-Les Verts' (Europa Ökologie-Die Grünen) - das zur Europaparlamentswahl 2009 gegründete Wahlbündnis aus Linksliberalen und Grünen - zeigt sich erzürnt. Die französische Ökopartei, welche noch nicht gar so verkommen ist wie die deutschen Grünen, überlegt sogar, ihren Platz in der Regierung in der Frage zu stellen. Dies erklärte am heutigen Freitag früh ihr Spitzenpolitiker Jean-Vincent Placé. Bei ,Radio Classique' sprach er in einem Interview davon, dass die jüngsten Regierungsbeschlüsse zur "Wettbewerbsfähigkeit" in seinen Worten "sehr zugunsten der Unternehmen, ohne ökologische Gegenleistung" ausfallen. Er fügte hinzu: "Wir fragen uns, was wir in dieser Regierung tun." Hm, gute Frage. (Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2012/11/09/les-ecologistes-s-interrogent-sur-leur-participation-au-gouvernement_1788247_823448.html externer Link)

Allerdings sind nicht alle Reaktionen aus dem grün-linksliberalen Lager in der Sache besonders kritisch. So erklärte der Parteisekretär von EE-LV, Pascal Durand, am gestrigen Donnerstag zwar, er sei reserviert gegenüber der geplanten Anhebung der Mehrwertsteuer - zeigte sich aber "eher einer Erhöhung der CSG zugeneigt." (Vgl. http://actu.orange.fr/le-talk/le-talk-orange-le-figaro-du-8-novembre-interview-pascal-durand-lefigaro-interview_1177122.html externer Link) Diese "Allgemeine Sozialabgabe" CSG ist eine, nicht zum Einkommen proportionale, Pro-Kopf-Steuer.

Sowohl die Mehrwertsteuer (TVA) als auch die CSG werden als Instrumente in Erwägung gezogen, um die Sozialkassen aufzufüllen. Denn diese werden sonst durch die Regierungsbeschlüsse vom Dienstag aufgrund von "Steuerkrediten" für Unternehmen (also Subventionen in Gestalt von Steuerrückzahlungen oder -nachlässen für die Betriebe, welche progressiv ansteigen, um binnen drei Jahren Höhe eine von 20 Milliarden Euro jährlich zu erreichen, vgl. http://tempsreel.nouvelobs.com/monde/20121106.FAP3514/matignon-annonce-20-milliards-de-credit-d-impot-pour-les-entreprises-et-une-hausse-de-la-tva.html externer Link) geleert. Derzeit konkret geplant ist vor allem eine Erhöhung der Mehrwertsteuern, also der - sozial ungerechten, da anders als die Einkommenssteuer nicht zu den Einkünften proportionalen - Konsumbesteuerung. Derzeit weisen die Mehrwertsteuern in Frankreich drei Stufen auf: 5,5 % (Grundbedarfsgüter), 7 % (Gastronomiepreise, Baukosten, ..) und 19,6 % . Ab Anfang übernächsten Jahres betragen sie dann dagegen 5 Prozent, 10 Prozent und 20 Prozent. Einzige "soziale Gesten" dabei sind die Absenkung des untersten Satzes, sowie die Verschiebung der Buchpreise aus der mittleren (künftig 10 % Mehrwertsteuer) in die untere Kategorie (künftig 5 % TVA).

Besonders die geplante Anhebung der Konsumbesteuerung, unter eklatantem Bruch eines der Leitsätze im Wahlkampf von François Hollande - welcher gegen die durch Nicolas Sarkozy geplante Anhebung der Hauptstufe der TVA (von 19,6 % auf 21,2 %) zu Felde zog -, trifft auf eine starke Opposition in der Gesellschaft. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CSA, welche am Dienstag und Mittwoch dieser Woche durchgeführt wurden, erklärten 62 Prozent der Befragten ihre Ablehnung. Unter den Angestellten und Arbeiter/inne/n erreichte diese Ablehnung 74 Prozent. Als einzige soziale Gruppe waren höhere Angestellte sowie Freiberufler dafür (zu 67 %), was auch damit zusammenhängt dürfte, dass proportional betrachtet ein niedrigerer Anteil ihres Einkommens in den unmittelbaren Konsum geht. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-eco/2012/11/08/97002-20121108FILWWW00667-forte-opposition-a-la-hausse-de-la-tva.php externer Link)

Ansonsten ergeben derzeit die Umfragen, dass die Regierungsbeschlüsse vom Dienstag unter den Anhänger/innen/ der konservativ-wirtschaftsliberalen Rechten erheblich besser aufgenommen werden, als in anderen politischen Lagern. Vgl. dazu http://www.lefigaro.fr/politique/2012/11/08/01002-20121108ARTFIG00693-les-mesures-ayrault-mieux-acceuillies-a-droite.php externer Link; sowie eine detaillierte Auswertung der Antworten unter: http://www.lefigaro.fr/assets/pdf/Regard-des-Francais-sur-le-rapport-Gallois_Le-FigaroV3.pdf externer Link pdf-Datei

Und ein Blog bei der konservativ-wirtschaftsliberalen Tageszeitung ,Le Figaro' sah in den Regierungsbeschlüssen sogar eine « göttliche Überraschung » ; vgl. http://blog.lefigaro.fr/social/2012/11/un-plan-competitivite-qui-fait.html externer Link

Auf gewerkschaftlicher Ebene zeigt sich die CGT mittlerweise ausdrücklich kritisch. Ihr künftig amtierender Generalsekretär (ab Mäz 2013), Thierry Lepaon, erklärte die Regierungsbeschlüsse zur "Wettbewerbsfähigkeit" am gestrigen Donnerstag im Namen des Gewerkschaftsverband zum "politischen Fehler" (vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2012/11/08/la-cgt-voit-dans-le-plan-ayrault-une-erreur-politique_1787783_823448.html externer Link) Während Premierminister Jean-Marc Ayrault behauptet, die neuen Geschenke an die Unternehmen schüfen "über 300.000 Arbeitsplätze bis 2017" (vgl. http://www.lesechos.fr/economie-politique/france/dossier/0202365250985/0202373424196-jean-marc-ayrault-le-credit-d-impot-doit-creer-plus-de-300-000-emplois-a-l-horizon-de-2017-508794.php externer Link) rechnete Lepaon vor, dies mache immerhin jährlich 70.000 Euro Subvention für die Unternehmen pro Arbeitsplatz. Da sei es doch günstiger, statt dessen in öffentliche Dienste zu investieren. Hingegen zeigte sich besonders der zweitstärkste Gewerkschaftsverband in Frankreich, die an der Spitze rechtssozialdemokratische CFDT - ihr neuer Generalsekretär Laurent Berger tritt sein Amt am 28. November 12 an -, weniger kritisch. (Vgl. http://social.blog.lemonde.fr/2012/11/07/la-cgt-et-la-cfdt-divergent-sur-la-competitivite/ externer Link) Doch bei den CFDT-Funktionären dürfte ohnehin bereits in vielerlei Hinsicht Hopfen & Malz verloren sein.

Die Opposition gegen die sozial ungerechten Beschlüsse, die auf neue Geschenke für die Unternehmen hinauslaufen, wächst. Die Mehrheit im jetzigen Regierungskabinett sieht dies freilich anders. Es ist ja auch nur schlappe zwanzig Jahre her - eine Kleinigkeit, ein Furz -, dass noch jede Parlamentsmehrheit auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik daran arbeitet, zuvörderst die Produktionskosten für die Unternehmen und insbesondere die so genannten "Lohnnebenkosten" zu senken... (Vgl. http://www.lemonde.fr/politique/article/2012/11/08/depuis-vingt-ans-la-france-diminue-les-charges-des-entreprises_1786486_823448.html externer Link)  

Bernard Schmid, 9.11.2012


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