letzte Änderung am 15. Sept. 2003

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Manifest der Frauen aus den Trabantenstädten

Wir dokumentieren im folgenden, fast ungekürzt, das "Manifest der Frauen aus den Trabantenstädten" sowie eine Zusammenfassung des begleitenden Forderungskatalogs.

Deutlich wird, dass zwar an manchen Stellen verbal an den herrschenden"Sicherheits"-Diskurs angedockt wird (und der unscharfe, auf die französischen Banlieues nicht wie auf US-Städte zutreffende Ghetto-Begriff öfters benutzt wird) - aber dennoch die konkreten Forderungen keineswegs auf Repression und polizeistaatliche Lösungen, sondern auf dringliche und legitime soziale Veränderungen ausgerichtet sind. Zu wünschen wäre, dass dies auch in den Medien stärker betont würde, anstatt die Bewegung der Frauen in den Vorstädten als Bestätigung für den "sicherheitspolitischen" Diskurs zu benutzen, der die Banlieues vor allem aus polizeilicher Perspektive wahrnimmt.

B.S.

(Übersetzung: Bernard Schmid, 12. September)


Das Manifest der Frauen aus den quartiers - Weder Huren noch unterwürfig, ab sofort und nicht anders !

"Da, wo die Männer (Anm.: im Französischen hommes, was sowohl "Männer" als auch "Menschen" bezeichnen kann) leiden, dort ertragen die Frauen diese Leiden. Wirtschaftliche Marginalisierung und Diskriminierungen haben zur Bildung von Ghettos geführt, in denen die Bürger sich nicht als gleich(e) empfinden, und die Bürgerinnen noch weniger. Wir sind Frauen aus diesen quartiers, die beschlossen haben, nicht mehr im Angesicht der Ungerechtigkeiten zu schweigen, die wir durchleben; wir weigern uns, dass wir im Namen einer "Tradition", einer "Religion" oder schlicht einer Gewalt stets dazu verdammt seien, sie zu erdulden.

(...)

Wir denunzieren den allgegenwärtigen Sexismus, die verbale und physische Gewalt, das Verbot von Sexualität, die als tournantes (Anm.: " Dreh- oder Kreisspiel ", eine bei manchen Jugendgangs praktizierte Form von Kollektivvergewaltigungen, die breit durch die Medien gingen und denunziert werden) modernisierten Vergewaltigungen, die erzwungenen Heiraten, die sich als Wächter aufspielende Brüderschaft und die Familienehre oder die quartiers, die zu Gefängnissen werden . Wir denunzieren all dies, um nicht länger der Ghetto-Logik nachzugeben, die uns alle in der Gewalt einschließt, wenn es kein Aufbegehren gibt.

Zu einer Zeit, in der alle nach Antworten auf die Gewalt suchen, die unsere Gesellschaft unterminiert, wollen wir sagen, dass der erste Schritt über unsere Befreiung, über den Respekt unserer elemantarsten Rechte führen muss. Behörden, Medien, politische Parteien sprechen von der Banlieue und ihren Bewohnern nur in der männlichen Form.  

Wir erscheinen nur von Zeit zu Zeit, "net", erfolgreich in der Schule oder in der Küche, wo die Mahlzeit für die quartier-Feste bereitet werden. Stille herrscht über unser Leben, über jene, die abgehauen / ausgerissen sind, über jene, die von morgens bis abends den Haushalt machen, die sich verstecken um zu lieben oder die sich als Mutter wiederfinden, wenn sie kaum der Kindheit entwachsen sind.

Also haben wir entschieden, nicht mehr abzuwarten, bis alles immer schlimmer wird, wir haben beschlossen zu handeln, damit das Leben besser wird für uns, für unsere Familien und unsere quartiers. Ohne Tabu von den Dingen zu sprechen, die man vor anderen verbirgt, wird von manchen nur schwer akzeptiert werden.

Ihnen sagen wir: Wie wollt Ihr gegen die Ungerechtigkeit, den Rassismus, die (gesellschaftliche) Zurückweisung, den Misserfolg in der Schule, das Gefängnis gewinnen / siegen, wenn auch Ihr unterdrückt?

Millionen Frauen in den Banlieues wollen nicht mehr vor die falsche Alternative zwischen Unterwerfung unter die Unordnung / die Abnormitäten (Anm.: im Original les désordres) des Ghettos und der Darbietung ihres Körpers auf dem Altar des Überlebens gestellt sein.

Weder Huren noch unterwürfig ­ einfach Frauen, die ihren Wunsch nach Freiheit (aus-)leben wollen, um ihr Verlangen nach Gerechtigkeit einzubringen."


Es folgt ein Forderungskatalog unter dem Titel :

"Für eine voluntaristische staatliche Politik, um die republikanischen Werte zu stärken und den sozialen Frieden zu begünstigen"

Er teilt sich in die Kapitel :

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