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Updated: 18.12.2012 15:51
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Frankreich: Jugend protestiert, de Villepin sieht plötzlich alt aus

Bernhard Schmid (Paris)

Und dabei hatte er sich das doch so schön einfach vorgestellt! Seitdem Monsieur Dominique Marie François René Galouzeau de Villepin - so lautet sein vollständiger Name mitsamt Adelsprädikat - am 31. Mai vorigen Jahres in das Amt des französischen Premierministers einzog, träumte er davon. Wie er die anderthalb Jahre bis zur nächsten Präsidentschaftswahl in Ruhe durchhalten würde. Und wie er dann in Ruhe in Richtung Elyséepalast, dort wo das französische Staatsoberhaupt amtet und logiert, hinfortsegeln könnte. Einerseits würde er sich von seinem überambitionierten Innenminister Nicolas Sarkozy mit seinem eifrigen Gefuchtel und seinen laut tönenden Sprüchen abgrenzen, andererseits würde er Tatendrang beweisen. Dass die von ihm in Angriff genommene «Reformpolitik», welche ebenso neoliberaler Natur ist wie die unter seinen Amtsvorgängern verfolgte (und zuletzt dem ungeliebt aus dem Amt geschiedenen Jean-Pierre Raffarin), dabei als «ruhig und besonnen» durchgehen würde: dafür würde nämlicher Sarkozy schon sorgen. Seit einem halben Jahr führt Sarkozy den Slogan von der rupture auf den Lippen, also dem «Bruch» mit den bisherigen Verhältnissen. Dies beeindruckt zwar einerseits, da es ein Bild von Dynamik und Veränderungswillen ausstrahlt. Doch andererseits beunruhigt es auch in relativ breiten Kreisen, da klar ist, dass damit vor allem der Abbau sozialer Sicherungsmechanismen und die abhängig Beschäftigten schützender Vorschriften gemeint ist.

Also schön in der Mitte halten, dachte da Monsieur de Villepin bei sich. Irgendwo zwischen der Dampfhammerhetorik von Sarkozy und dem von Konservativ-Liberalen heftig gescholtenen immobilisme , also der «Bewegungslosigkeit», sprich dem Ausbleiben kapitalfreundlicher «Reformen». So lässt sich gut Kurs auf das Palais de l'Elysée halten, denn eine solche Gleichsübung verspricht Popularität - wie dereinst auch die UN-Rede, die de Villepin im Februar 2003 gegen die Kriegspläne der US-Administration Bushs im Irak hielt. Anwesende Diplomaten hatten ihr stehend applaudiert, was völlig unüblich ist . Dabei hatte die französische Staatsspitze doch schlicht ein paar Aktien mehr in Bagdad, sprich: verband einige Interessen mit dem Fortbestand des Saddam-Regimes, die es mit einem gewaltsam herbeigeführten Machtwechsel im Irak zu verlieren drohte. (Anders als die US-Amerikaner, die zwar ihrerseits die irakische Diktatur im mörderischen Krieg gegen den Iran in den 80er Jahren kräftig aufgerüstet hatten - die aber nunmehr den Prozess zu kontrollieren glaubten, und damit auch die Durchsetzung ihrer Interessen garantiert sahen.)

Auch der momentan noch dort residierende Präsident Jacques Chirac versucht den 52jährigen, der nach der Wahl von 1995 mehrere Jahre lang sein Sprecher war, zu seinem Amtsnachfolger aufzubauen. Getreu der Logik «Alles, nur nicht Sarkozy» möchte Chirac gar zu gern den ihn bedrängenden Rivalen, der seine Präsidentschaftsambitionen bereits im November 2003 in einer Fernsehsendung laut hinaus posaunte, in einer letzten grossen politischen Anstrengung aus dem Weg räumen. Ansonsten gibt es für Chirac ohnehin nicht mehr viel zu retten: Befragt, welche sie Politiker sie gern zur nächsten Präsidentenwahl in gut einem Jahr kandidieren sehen möchten, nannten vor einem Vierteljahr nur 1 (ein) Prozent den Namen Chiracs. Da ist für die Zukunft ohnehin alles aus, nur auf die Wahl seines Nachfolgers hätte der Mann gern noch ein Auge geworfen. So hatten die französischen Konservativen in den letzten Wochen zwei offizielle «mutma b liche Kandidaten», de Villepin und «Sarko». Den Zweiten für die Trompeten, der prompt verkündete, man müsse «auch von Anderen lernen» (denn in Frankreich sei nicht allesam besten) und damit schlicht meinte: man muss auch mal beim (post-)thatcheristischen Grossbritannien einige Rezepte abschauen. Und den Erstgenannte für die Beschwörung, es gelte vielmehr «das französische Sozialmodell zu bewahren» ; und dafür, nur dafür, müsse es ein bisschen «umbauen».

Good old Salamitaktik

Doch nun kommt möglicherweise alles anders. Die jüngsten Umbaumaßnahmen am Sozialstaat sind alles andere als populär. Anders als in Deutschland, wo die Große Koalition die Abschaffung des Kündigungsschutzes - während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis - gleich für alle Lohnabhängigen beschloss, möchte de Villepin in Frankreich lieber scheibchenweise vorgehen. Die gute alte Salamitaktik: Im August, mitten im Hochsommer - denn während des Urlaubs protestieren nicht so Viele -, wurde der Kündigungsschutz mittels des "Neueinstellungsvertrags" (CNE) für die Mitarbeiter in kleinen und mittleren Betrieben demoliert.

Jetzt möchte er mit dem "Ersteinstellungsvertrag" (CPE) dasselbe auch für die unter 26jährigen erreichen. Das entsprechende Gesetz kam am 10. Februar 06 durch die Nationalversammlung, und am Dienstag dieser Woche auch durch den Senat, das parlamentarische "Oberhaus". Das so genannte "Gesetz zur Chancengleichheit" wurde daraufhin am gestrigen Mittwoch (08. März) durch die Nationalversammlung, die im Konfliktfall gegenüber dem Senat das letzte Wort hat, in zweiter und letzter Lesung endgültig verabschiedet. Davor war, im Laufe des Mittwoch, noch ein letzter Konfliktpunkt im Vermittlungsausschuss zwischen den beiden Kammern des französischen Parlaments ausgeräumt worden: Die bürgerlich-konservativen Senatoren traten für den "anonyme Lebenslauf" als Anti-Diskriminierungs-Maßnahme (die ebenfalls in dem "Gesetz zur Chancengleichheit" vorgesehen ist) ein, dagegen wollten die Mehrheit der Nationalversammlung wie auch die Regierung diesen Punkt lieber den so genannten "Sozialpartnern" überlassen. Diese Angelegenheit ist nun geklärt: Es wird den "anonymen Lebenslauf" bei Bewerbungen geben, aber nur in den Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten.

Die wesentliche und im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehende Maßnahme des "Gesetzes zur Chancengleichheit" ist aber die Schaffung des CPE oder "Ersteinstellungs-Vertrags" ( Contrat première embauche ). Ihrem Inkrafttreten steht jetzt also von der parlamentarischen Prozedur her nichts mehr im Wege; verhindert werden könnte sie allein durch politische Bedenken, die sich jetzt auch im Regierungslager breit zu machen beginnen. Doch dazu später mehr.

Protest? Protest!

Doch dagegen gibt es heftigen Protest. Am Dienstag (07. März) demonstrierten frankreichweit fast eine Million Menschen dagegen (laut Polizei: "396.000", die CGT gibt an: "über eine Million"). Allein in Paris waren knapp 100.000 Menschen unterwegs. (Die Polizei spricht von "40.000", die CGT dagegen von "200.000". Nach eigenen Beobachtungen dürften es um die 80.000 gewesen sein, davon die größere Hälfte Studierende, Oberschüler/innen und Jugendliche. Auf jeden Fall waren es über doppelt so viele wie beim letzten frankreichweiten Aktionstag, am 7. Februar 2006.) In Marseille spricht die Polizei von sicherlich maßlos untertriebenen "10.000" Demonstranten, die Veranstalter/innen dagegen von "100.000". Eine weitere Hochburg der Stra b enproteste war Toulouse, für dort liegen die Angaben nicht ganz so weit auseinander (23.000 / 30.000), und daneben Bordeaux (16.000 / 50.000).

Parallel dazu kam es auch zu Streikbewegungen und Arbeitsniederlegungen. Dies vor allem in Post- und Finanzämtern und unter Kommunalbeschäftigte, aber nur in geringerer Zahl im Transportsektor - wo eine stärkere Streikwelle jedoch auch die Mobilisierung zu den Demos beeinträchtigt hatte - und eher vereinzelt in den Schulen, was die Lehrerseite betrifft. Auch "harte Kerne" der Kernarbeiterklasse aus der Privatindustrie waren etwa bei der Pariser Demo vertreten, darunter eine Abordnung von Citroën in Aulnay-sous-Bois und mehrere Delegationen von Renault (etwa Renault Flins), die bei der CGT mitliefen.

Die Salamitaktik hat nicht nur ihr Gutes, auch aus Regierungsperspektive. Denn nun fühlt sich die jüngere Generation ganz besonders benachteiligt, wenn sie zwei Jahre lang patronaler Willkür unterstellt werden soll, aus Angst, jederzeit ohne Begründung entlassen werden zu können. Selbst der sozialdemokratische Parteivorsitzende und damit "Oppositionsführer", François Hollande, üblicherweise eine wandelnde Schlaftablette auf zwei Beinen, machte sich dieses Argument der Jugendfeindlichkeit im Februar im Parlament zu eigen: "Sie haben Angst vor der Jugend, Monsieur de Villepin!" schleuderte er damals dem Premierminister entgegen.

"Die Jugend ist es, die die Welt bei annehmbarer Temperatur hält" hatten ein paar Studierende der Sorbonne auf der Dienstagsdemo auf ihr Protestschild geschrieben, und auf der Rückseite: "Wenn der Jugend kühl wird, dann klappert die Welt längst mit den Zähnen". Das bedeutet: Die jüngere Generation ist noch am wenigsten resigniert und lässt sich nicht alles gefallen. Vorne weg gingen die Studierenden (darunter auch ein paar Hochschullehrer gemischt, unter ihnen etwa eminente Arbeitsrechtsprofessoren aus Nanterre) und Oberschüler/innen, deren Demoblöcke allein anderthalb Stunden zum Vorbeiziehen benötigten, von insgesamt drei Stunden, welche die Demo zum Vorbeikommen an einem fixen Ort benötigte. Dann erst kamen die Gewerkschaften an die Reihe, unter die sich aber immer noch an einigen Stellen Jugendliche und Studierende gemischt hatten. Hinten liefen die politischen Organisationen (Kommunistische Partei, LO, LCR...) und ganz hinten eine kleine Abordnung der Langweiler vom so genannten Parti Socialiste.

Ein Hauch von Revolte weht, mal wieder, durch Frankreich. Nicht nur bei den jungen Leuten. Zwei Drittel der Franzosen hielten laut Umfragen die Proteste vom Dienstag für richtig. Innerhalb eines Monats verlor de Villepin, je nach Befragung, 11 bis 13 Prozent an "positiven Meinungen". Nur noch 36 Prozent "vertrauen" ihm laut jüngsten Ergebnissen des CSA-Instituts, gegenüber um die 50 Prozent zu Jahresanfang. Und die allerneuste Umfrage des IFOP-Instituts (durchgeführt am 02. und 03. März) besagt, dass Villepin 11 Prozentpunkte Unterstützung in der öffentlichen Meinung seit Februar, und insgesamt 17 Prozentpunkte seit Januar verloren habe (zu Jahresanfang lag er demnach bei 58 Prozent, jetzt bei 41 Prozent)... Wenn das mal gut geht für ihn!

"C wie chômage (Arbeitslosigkeit), P wie précarité , E wie exploitation (Ausbeutung)" tönte es überall aus den Demonstrationszügen - in Paris nicht anders als in Toulouse oder Lyon, von wo Originaltöne und Ausschnitte aus den Demos über das öffentliche Radio übertragen wurden, das mit deutlicher Sympathie über die Proteste berichtete. Contrat Plein d'Emmerdes (Vertrag, bei dem man voll angeschissen ist) hatte ein anderer Teilnehmer auf sein Schild gemalt, oder dieser Demonstrant: Couillonné Par l'Etat (Für dumm verkauft vom Staat). Wieder andere, Studierende oder Lehrer, liefen hinter einem Transparent mit der Aufschrift Crevez Pour Eux (Krepiert für die) her.

Daneben ertönte an der Spitze der Pariser Demo, die bei eiskaltem Regen vier Stunden lang von der Place de la République zur Place de la Nation zog, aber auch ein verdammt passendes Motto: "Das Wetter ist beschissen, die Regierung ist es auch..."

Der Fortgang der Ereignisse?

Am heutigen Donnerstag um 17 Uhr wollen die großen Gewerkschaft Gewerkschaftsverbände - CGT, CFDT und andere -, die ebenfalls zu dem Aktionstag aufgerufen hatten, am Sitz der CFDT in Paris über neue Aktivitäten gegen die geplante Einführung des CPE beraten. Daneben werden eine Reihe von Universitäten bestreikt. Frankreichweit waren am vorigen Freitag (03. März) laut einem Streikaktivisten aus Aix-en-Provence, der in Radio France Info zu Wort kam, insgesamt 18 oder 19 Hochschulen im Ausstand. Die Studentengewerkschaft UNEF gab, laut der Samstagsausgabe von Le Monde , die Zahl der bestreikten Universitäten mit 13 an. Zu Wochenanfang war in Medienberichten von 18 Hochschulen im Streik die Rede.

Die wichtigste Studentengewerkschaft UNEF ruft jetzt seit Mittwoch morgen frankreichweit zum allgemeinen Ausstand an den Hochschulen auf. Vielerorts ist dieser sozialdemokratisch dominierten Organisation die Dynamik der Mobilisierung aber längst entglitten.

Die wichtigste Frage ist nunmehr, was das Regierungslager tun, und ob es eventuell das CPE-Projekt doch noch zurückziehen wird. Premierminister Dominique de Villepin schloss dies am Mittwoch kategorisch aus... und sah schon seine Felle bei der Präsidentschaftswahl hinfort schwimmen, falls er nunmehr ins Wanken komme. Laut der Donnerstagsausgabe von Le Monde rief der Premier vor der Parlamentsfraktion der konservativen Regierungspartei UMP aus: "Die Präsidentschaftswahl, und vor allem die Konstellation auf der Linken, hängt vom Ausgang der Schlacht um den CPE ab." Und hatte dabei wohl in Wirklichkeit eher an die Konstellation auf der Rechten gedacht, denn falls er nun als Looser dastehen sollte, wäre es um seine Kandidatur möglicherweise schlecht bestellt... Der Minister für den Mittelstand, Renaud Dutreuil, wird in derselben Quelle mit den Worten zitiert: "Entweder scheitern wir, und die Franzosen werden für die Linke stimmen, oder aber der Voluntarismus (Anm.: mit dem die Regierung angeblich Arbeitsplätze schafft) trägt Früchte, und die Franzosen werden dem Premierminister zu danken wissen dafür, dass er durchgehalten hat."

Unterdessen beginnen auch im Regierungslager die ersten offenen Zweifel einzurei b en - wobei nicht auszuschließen ist, dass das Thema auch für Machtkämpfe im bürgerlich-konservativen Lager instrumentalisiert wird. Am Donnerstag früh wird der frühere Außenminister Hervé de Charette im Rundfunk und bei den Nachrichtenagenturen mit den Worten zitiert: "Der CPE ist ein Misserfolg, der uns, falls die Regierung auf stur schaltet, die Präsidentschaftswahl kosten kann." (Zitiert nach einer Reuters-Meldung vom heutigen Tag, 10.02 Uhr) Hervé de Charette hatte sich bei der letztmaligen Abstimmung über das Ma b nahmenbündel des "Gesetzes zur Chancengleichheit" in der Nationalversammlung am Mittwoch abend der Stimme enthalten. "Angesichts der Spannungen und des Unverständnisses, die in der gesamten Gesellschaft zum Ausdruck kommen, muss man das Vorhaben des CPE aussetzen" fuhr Hervé de Charette laut der Meldung der Nachrichtenagentur fort. Und: "Ich verlange, dass der Premierminister die Weisheit, die Bescheidenheit und das Verständnis aufbringt, um seinen Gesetzestext zurück zu ziehen."

Bereits am Mittwoch hatte der ehemalige Staatssekretär für Industrie (bis im vorigen Jahr) Patrick Devedjian zwar nicht den Rückzug des CPE-Projekts als solchen, wohl aber eine substanzielle Überarbeitung gefordert. Er forderte dazu auf, die neue Regelung "aufrecht zu erhalten und (zugleich) zu verbessern", da die Bewegung gegen die Gesetzesbestimmung "weitergehen" werde. Devedjian wollte insbesondere die Pflicht für die Arbeitgeber, im Falle des Abbruchs eines Beschäftigungsverhältnisses dafür Rechtfertigungsgründe zu nennen, in die Gesetzespassage über den CPE aufnehmen lassen. Bisher gehört die Möglichkeit für den Arbeitgeber, einen solchen Vertrag (während der ersten beide Jahre) eben genau ohne Angabe von Gründen aufzukündigen, zu den wesentlichen und zu den strittigsten Punkten des CPE-Projekts.

Die Tatsache, dass Hervé de Charette im innerkonservativen Machtkampf als "Sarkozy nahe stehend" gilt und Patrick Devedjian gar dessen "rechter Arm" während seiner Zeit als Wirtschaftsminister (2004/05) war, lässt sicherlich den Rückschluss zu, dass es möglicherweise auch um eine Schwächung des amtierenden Premierminister gehen könnte. Aber nicht allein! Denn auch der amtierende Arbeits- und Sozialminister Jean-Louis Borloo, der bisher nicht zu den Truppen des "Herausforderers" Sarkozy gehört, hat laut Libération (Donnerstagsausgabe) den CPE in der Debatte um ihn "nur äußert zögerlich" verfochten. (Im Original: du bout des lèvres ) Tatsächlich war schon vor anderthalb Monaten aus der Enthüllungszeitung Le Canard enchaîné zu erfahren, dass der im Prinzip zuständige Minister, Borloo, bei den entscheidenden Weichenstellungen zum CPE im Januar 2006 gar nicht zu Rate gezogen worden war. Demnach war er im Gegenteil durch Premier de Villepin vor vollendete Tatsachen gestellt worden, als das Projekt beschlossen worden war. Dies deutet darauf hin, dass auch über Rivalitäten und Machtkämpfe hinaus ernsthafte Zweifel an dem Vorhaben zu bestehen scheinen.

Auch im Arbeitgeberlager übrigens trägt man Zweifel. Der MEDEF, der Ton angebende Kapitalistenverband, ist derzeit gespalten: Die Führung unterstützt "zaghaft" (so die Einschätzung der Presse) den CPE, aber innerhalb des eigenen Lagers gibt es Kritik an dem Projekt. So möchten viele Arbeitgeber(vertreter) einerseits keinen Sonder-Vertragstypus wie den CPE und zuvor den CNE, sondern möchten lieber die Substanz des "Normal-Arbeitvertrags" (des CDI = des unbefristeten Vertrags) selbst ändern. Sofern stattdessen zur Aufweichung des Kündigungsschutz auf besondere Vertragstypen à la CNE/CPE ausgewichen würde, könnte dies nur zu Abwehrreaktionen gegen den Abschluss solcher Verträge führen und eine Fluchtbewegung hin zum CDI (sofern die neu beschäftigten Lohnabhängigen denn einen Einfluss darauf haben) auslösen.

Daneben bemängeln viele Arbeitgeber und ihre Repräsentanten aber auch die neue "Rechtsunsicherheit", die mit dem CNE und künftig mit dem CPE verbunden sei. Denn die damit verbundene Möglichkeit der Kündigung ohne Angabe von Rechtfertigungsgründen sei "eine trügerische Einfachheit", urteilte etwa die CAPEB, ein Zusammenschluss von Kleinunternehmern im Baugewerbe (laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins L'Expansion vom 06. März). Denn wenn es nach einer solchen Kündigung ohne Angabe von Gründen dann aber zum Rechtsstreit kommt, sehen sich die Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht sehr wohl gezwungen, ihre Gründe offenzulegen. Jedenfalls sofern der Verdacht besteht, dass sich hinter ihrer Entscheidung rechtswidrige, weil diskrimatorische Gründe verbergen (etwa im Falle der Kündigung einer abhängig Beschäftigten aufgrund ihrer Schwangerschaft). Denn in diesem Fall handelt es sich um einen "Rechtsmissbrauch", also eine rechtswidrige Nutzung eines grundsätzlich anerkannten "Rechts" des Arbeitgebers auf Abbruch des Beschäftigungssverhältnisses. Seit dem Urteil eines Arbeitsgerichts von Longjumeau (bei Paris) vom 21. Februar 2006, das zwei mittelständische Unternehmen wegen Rechtsmissbrauchs nicht erst beim Abbruch, sondern bereits beim Abschluss eines CNE ("Contrat nouvelle embauche") verurteilte, ist der Unmut im Arbeitgeberlager ob der "Rechtsunsicherheit" spürbar angewachsen. (Labournet berichtete ausführlich: vgl. dazu http://www.labournet.de/internationales/fr/junge3.html )

Artikel von Bernhard Schmid (Paris) vom 09.3.06

Siehe dazu: CPE: Jugend protestiert. Bildergalerie der Demonstation am 7. März 2006 in Paris von Bernard Schmid - exklusiv im LabourNet Germany


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