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Updated: 18.12.2012 15:51
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Frankreich: Der juristische Kampf gegen den CNE kommt voran. Der gewerkschaftliche und soziale Kampf nicht so sehr...

Im juristischen Kampf gegen den "Neueinstellungsvertrag" (CNE, Contrat nouvelle embauche) in Frankreich konnte jüngst ein neuer, wichtiger Erfolg verbucht werden. Zur Erinnerung: Der CNE ermöglicht es, genau wie der am 10. April unter dem Druck massiver sozialer Proteste durch die Regierung zurückgezogene "Ersteinstellungsvertrag" (CPE, Contrat première embauche), den Kündigungsschutz für eine zweijährige Dauer auszuhebeln. Während dieser auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses folgenden 24 Monate, die im regierungsamtlichen Neusprech als "Periode der Konsolidierung des Beschäftigungsverhältnisses" bezeichnet werden, kann der oder die Lohanbhängige ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Im Unterschied zum erfolgreich niedergekämpften CPE, der die Generation der unter 26jährigen betroffen hätte, betrifft der CNE nicht eine spezifische Altersgruppe. Der CNE ist für alle abhängig Beschäftigten in kleinen und mittleren Betrieben anwendbar, die höchstens 20 Mitarbeiter/innen aufweisen. Aber diese Bedingung erfüllen 90 % der französischen Betriebe. Und zudem erlaubt es eine Regierungsverordnung vom 02. August 2005 (Labournet berichtete damals: "Reformterror im Hochsommer"), alle jungen Beschäftigten unter 26 Jahren aus der Berechnung der Beschäftigtenzahl des Unternehmens auszuklammern: Sie zählen nicht mit.

Der CNE ist also seit August 2005 in Kraft, und auch durch den jüngsten Erfolg der sozialen Bewegung (in Gestalt der Verhinderung seines "Zwillingsbruders" CPE) konnte seine Rücknahme bisher nicht erreicht werden. Doch an der juristischen Front konnten die Gewerkschaften, die Musterprozesse gegen im Rahmen des CNE erfolgte Entlassungen vorbereitet und angestrengt haben, bereits mehrere Erfolge erreichen.

Umwandlung des CNE in ein Normalarbeitsverhältnis

Am Freitag, den 28. April hat nunmehr zum ersten Mal ein Arbeitsgericht einen "missbräuchlich" vom Arbeitgeber aufgekündigten Arbeitsvertrag vom Typ CNE in einen unbefristeten "Normalarbeitsvertrag" (CDI, Contrat à durée indéterminée) umgewandelt und der betroffenen Arbeitnehmerin einen Schadensersatz von 10.000€ zugestanden. Die konkreten Fakten sehen folgendermaßen aus: Ein Justizverwalter in Versailles bei Paris, Maître Philippe Samzun, hatte im Sommer 2005 eine Lohnabhängige namens Linda De Wee zunächst in einem befristeten Arbeitsvertrag mit einer Laufdauer von 6 Monaten eingestellt. Im Januar 2006 bot er ihr an, aus dem befristeten einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu machen, aber einen unbefristeten Vertrag mit besonderen Bedingungen - eben einen CNE. Nachdem die abhängig Beschäftigte Fehlzeiten aufgrund einer Erkrankung hatte, wurde sie ohne Angaben von Gründen gekündigt. Wie es der CNE eben erlaubt.

Das Arbeitsgericht von Longjumeau bei Paris wählte dafür also auch die Rechtstechnik einer "Umqualifizierung" des Arbeitsvertrags, der ihm zufolge (mit Rückwirkung bis zum Anfang des Arbeitsverhältnissen) rechtlich als unbefristeter Normalarbeitsvertrag zu gelten hat. Diese Technik der "requalification" wird bisher vor allem dann angewandt, wenn bei befristeten Verträgen der Rechtsgrund der Befristung unwirksam ist, oder wenn befristete Verträge über das gesetzlich erlaubte Maß hinaus (ein einmalige Verlängerung ist zulässig, danach muss eine "Karenzperiode" von einem Drittel der ursprünglichen Vertragsdauer eingehalten werden, ohne dass ein neuer Zeitvertrag abgeschlossen werden könnte) abgeschlossen werden. In solchen Fällen werden die befristeten Verträge gerichtlich in unbefristete umgewandelt. Dies hat das Gericht nunmehr auch für einen CNE gemacht.

Das ist neu: Bisher hatten zwar mehrere Arbeitsgerichte Kündigungen im Rahmen des CNE für "rechtsmissbräuchlich" erklärt und deshalb den betroffenen Lohnabhängigen einen Schadensersatz zugesprochen. Der "Rechtsmissbrauch" resultiert daraus, dass man juristisch zu der Auffassung kommt, zwar habe der Arbeitgeber aufgrund der Sonderregelungen des CNE das Recht zur jederzeitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses - tue er dies aber aus grundsätzlich verwerflichen Gründen (etwa aufgrund einer grundsätzlich rechtswidrigen Diskriminierung), dann habe er die Wahrnehmung dieses Rechts verwirkt. Aus der "missbräuchlichen" Verwendung seines prinzipiell bestehenden Rechts zur jederzeitigen Kündigung folgt für den Arbeitgeber aber nur eine finanzielle Schadensersatzpflicht. Die Umwandlung in einen "Normalarbeitsvertrag" dagegen eröffnet potenziell weiter gehende Perspektiven. Zwar wird auch im "Normalarbeitsvertrag" die unwirksame Kündigung normalerweise (nur) durch eine finanzielle Entschädigung sanktioniert. Doch wenn die Kündigung diskriminierend war oder in ein Grundrecht des/r Lohnabhängigen eingriff, dann erwächst daraus für den Arbeitgeber die Pflicht zur Weiterbeschäftigung, bei Ausbezahlung aller seit der Kündigung ausstehenden Löhne.

Es war ebenfalls das Arbeitsgericht im Pariser Vorort Longjumeau, das am 21. Februar 2006 erstmals einen Arbeitgeber wegen missbräuchlicher Kündigung eines CNE verurteilt hatte. Bemerkenswerter Weise hat das Laiengericht sogar einen Arbeitgeber-Vertreter zum Vorsitzenden. Inzwischen sind andere Gerichte diesem ersten Markenstein, das es gesetzt hatte, gefolgt. Nunmehr hat es einen neuen gesetzt. In der Begründung seines Urteils kam das Arbeitsgericht u.a. auch zu dem Schluss, die Notverordnung der Regierung de Villepin vom 02. August 2005 zur Einführung des CNE sei nicht rechtswirksam, da sie einer höherrangigen Norm internationalen Rechts widerspreche, nämlich der Konvention Nummer 158 der Internationalen Labor Organization (ILO). Ihr zufolge darf eine Kündigung eines abhängig Beschäftigten nur unter Nennung eines triftigen Grundes ausgesprochen werden.

...Der gewerkschaftliche Kampf dagegen bleibt mau

In seiner Eröffnungsrede auf dem 48. Kongress der CGT, der am vorigen Freitag im nordfranzösischen Lille zu Ende ging, hatte Generalsekretär Bernard Thibault am 24. April erklärt: "Wir haben den CPE erledigt, jetzt müssen wir uns zum Ziel setzen, den CNE zu erledigen." Dies sollte unter anderem auch bei den 1. Mai-Demonstrationen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Dort ist es aber im Wesentlichen bei fünf Transparenten in den CGT-Blöcken (so jedenfalls die Situation in Paris) zum Thema geblieben. Auch sonst kann man nicht von einer besonderen Dynamik der diesjährigen Demos zum 1. Mai sprechen. In Paris demonstrierten nach Angaben der Veranstalter/innen circa 30.000 Menschen, die Wahrheit dürfte näher bei 20.000 liegen. Im übrigen Frankreich waren bis 15 Uhr (also vor dem Anfang der Pariser Demo), an 110 Orten, 35.000 Menschen laut Polizeiangaben und 60.000 laut Veranstaltern auf die Straßen gegangen.

In Paris kam es zu einer Rangelei zwischen Studierendenorganisationen, da dort die (sozialdemokratisch dominierte) Studierendengewerksschaft UNEF zunächst nicht zulassen wollte, dass Vertreter studentischer Protestkollektive und der Anti-Repressions-Bewegung (im Zusammenhang mit den jüngsten sozialen Konflikten und den 4.300 Verhaftungen dabei) sich vor ihr einreihten. Bemerkenswert war die starke Teilnahme der Kollektive von Sans Papiers (illegalisierten Einwanderern).

Bernard Schmid, 02.05.2006


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