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Updated: 18.12.2012 16:07
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Frankreich: Widerspruch der Arbeitsinspektoren vor dem Obersten Gerichtshof abgeschmettert. Arbeitsinspektoren möchten nicht zur Ausländerhatz missbraucht werden

Wie bislang nur durch winzig kleine Kurzmeldungen in der Presse von Ende vergangener Woche bekannt wurde, hat der Conseil d'Etat (das höchste Verwaltungsgericht in Frankreich) am Donnerstag, 15. November eine Klage von Gewerkschaften französischer Arbeitsinspektoren abgewiesen. Die Arbeitsinspektion bildet eine Art Gewerbeaufsichtsamt, das über die Einhaltung bestehender Regeln im Arbeitsrecht - von Gesetzen, Verordnungen, geltenden Kollektivverträgen... - zu wachen hat. Ihren Angehörigen ist eine Unabhängigkeit in der Ausübung garantiert, aber statutarisch unterstehen sie dem Arbeits- und Sozialministerium.

1. Auf dem Spiel stand folgende Regelung:

Vier Gewerkschaften von Arbeitsinspektoren hatten im Juli 2007 dagegen geklagt, dass die Angehörigen der ,Inspection du travail' laut einem Regierungsdekret vom 31. Mai dieses Jahres zur Ausübung ihrer Tätigkeit nun auch (neben dem Ressort für Arbeit und Soziales) dem neu geschaffenen "Ministerium für Immigration und nationale Identität" unterstellt werden dürfen. Ihnen zufolge war zu befürchten, dass die Arbeitsinspektoren zur Jagd auf "illegal" sich in Frankreich aufhaltende Einwanderer missbraucht würden. In den Zuständigkeitsregelungen, die in dem Dekret vom 31. Mai 2007 enthalten sind, ist die Rede von einem Beitrag zur Bekämpfung der "illegalen Arbeit von Ausländern". (Vgl. dazu im LabourNet)

Diese Formulierung ist ein absoluter juristischer Nonsens, da sie zwei höchst unterschiedliche Dinge miteinander vermengt: die bei den Sozialkassen nicht angegebene und daher nicht zur Abführung von Sozialbeiträgen führende "Schwarzarbeit" (die auch von "gebürtigen Franzosen" verrichtet wird) einerseits, den "illegalen" Aufenthalt von Zuwanderern/ausländischen Staatsbürger/inne/n auf französischem Boden andererseits. Beide weisen nur eine geringe Schnittmenge auf, da die meisten Sans papiers oder illegalisierten Einwanderer durchaus nicht in unerklärten, sondern in erklärten Arbeitsverhältnissen stecken: Laut Initiativen, die unmittelbar und täglich mit lohnabhängigen Sans papiers zu tun haben, arbeiten nur 10 bis höchstens 15 Prozent von ihnen "schwarz". Der allergrößte Teil von ihnen hingegen arbeitet in erklärten Beschäftigungsverhältnissen, auf die Sozialbeiträge abgeführt werden, und zahlt Steuern. In der Regel arbeiten sie mit den Aufenthaltstiteln einer anderen Person, oder auch mit gefälschten Personalpapieren. (Seit dem 1. Juli 2007 und dem Inkrafttreten eines Ausführungsdekret zum Ausländergesetz "Sarkozy II" vom Juli 2006 wurde in dieser Hinsicht freilich die Schraube angezogen: Nunmehr müssen die Arbeitgeber, von denen manche auch gern mal ein Auge im Hinblick auf die Gültigkeit des Aufenthaltstitels zudrückten, deren Echtheit überprüfen. Und im Falle, dass der Hauch eines Zweifels vorliegt, werden sie dazu verpflichtet, die Präfektur - also die staatlichen Polizei- und Ausländerbehörden im jeweiligen Département - anzurufen. Im Gegenzug wurde den Arbeitgebern jetzt allerdings durch die ,Loi Hortefeux', also das neueste Ausländergesetz vom 23. Oktober 2007, gestattet, die "Legalisierung" ihrer Arbeitskräfte aus ökonomischen Gründen bei der Präfektur zu beantragen, vgl. dazu im LabourNet. Nicht unbedingt aus Menschenfreundlichkeit, sondern eher, um bestimmten Arbeitgebern ein über ihrem Haupt hängendes Damoklesschwert herunter zu nehmen. Gleichzeitig kann der Staat-als-ideeller-Gesamtkapitalist-und-Gendarm-der-kapitalistischen-Ordnung auch ein eigenes Interesse daran finden, so zur "Legalisierung" bestimmter Arbeitsverhältnisse - sicherlich unter Ausschluss anderer - zu drängen: Auf diesem Wege kann er zusätzliche Sozialbeiträge für die öffentlichen Kassen eintreiben.)

2. Ergebnis und nähere Auswirkungen:

Vier Gewerkschaften hatten dagegen geklagt, die zusammen rund 90 Prozent der Arbeitsinspektoren (laut Ergebnissen bei den Personalrätewahlen) repräsentieren. Sie machten, als juristische Basis ihres Widerspruchs, u.a. die statutarischen Regeln zur Unabhängigkeit der Arbeitsinspektoren in der Ausübung ihrer Tätigkeit geltend. Aber die betreffenden Gewerkschaften lehnten - und lehnen - auch die neue Aufgabendefinition in der Sache rundheraus ab.

Das Urteil des höchsten Gerichts im öffentlichen Recht vom vergangenen Donnerstag, dessen Text im Wortlaut bisher noch nicht vorliegt (weder dem Verfasser, noch den klageführenden Gewerkschaften laut einer Vertreterin der CGT-Sektion im Arbeitsministerium am Sonntag), schmettert dieses Ersuchen nun ab. Den Informationen, die bisher in der Presse - in ihren schmalen Meldungen - durchsickerten, zufolge basiert das Urteil des Conseil d'Etat darauf, dass die statutarisch garantierte Unabhängigkeit der Arbeitsinspektoren bei der Ausübung ihrer Tätigkeit (also ihre Unabhängigkeit von Weisungen an einem konkreten Punkt der Durchführung ihrer Kontrollen) durch das neue Dekret nicht in Frage gestellt werden. Über die umstrittene Aufgabendefinition selbst ist bislang jedoch kein Wort zu lesen

Am Mittwoch, 14. November fand zudem eine Sitzung des ,Conseil supérieur de la fonction publique ', des obersten Personalrats aller Staatsbediensteten, in Anwesenheit von Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand statt. Dabei stellte der Minister die Umsetzungsmodalitäten für die Regeln des neuen Dekrets vor. Eine ,intersyndicale', also ein übergewerkschaftlicher Ausschuss, bestehend aus sechs beim Arbeitsministerium vertretenen Gewerkschaften (CGT, CFDT, Force Ouvrière, die sich derzeit vom Schulwesen auf den übrigen öffentlichen Dienst ausdehnende Bildungsgewerkschaft FSU, die linke Basisgewerkschaft SUD und die "unabhängig-reformistische" UNSA) drohte dem amtierenden Minister mit der Anmeldung eines Streiks. Aus anhaltender Opposition gegen die Umsetzung des Regierungsdekrets vom 31. Mai. (Vgl. dazu auch externer Link)

Dem Vernehmen nach hat der Minister sich daraufhin entschieden, das Problem in zwei Hälften zu teilen: Er zog die Artikel 4 und 5 des Ausführungsdekrets zurück, welche die Arbeitsinspektoren und -kontrolleure (zwei von drei der Korps innerhalb der Arbeitsinspektion) betreffen. Hingegen ließ er einen anderen Artikel der Ausführungsverordnung in Kraft treten, welcher die IAS oder "Inspektoren für soziale und sanitäre Angelegenheit" betrifft - also die dritte Kategorie von Bediensteten der Arbeitsinspektion. Letztere können also nun demnach weiterhin, wie geplant, dem schrecklichen "Einwanderungs- und Identitäts"-Ministerium unterstellt werden. Den weiteren Fortgang der Ereignisse gilt es unterdessen abzuwarten.

Bernard Schmid, Paris, 19.11.2007


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