Home > Internationales > Frankreich > Arbeitskampf > Transport > flughafen_bs2 | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Nach dem Streikbrecher-Einsatz von Polizisten an französischen Flughäfen: Ungewohnte Töne in der französischen Streikdebatte, wie sie mittlerweile im Allgemeinen abläuft: Ein bürgerliches Presseorgan (die liberale Pariser Abendzeitung ,Le Monde’) beklagt in einem Leitartikel über die Weihnachtstage 2011, im Zusammenhang mit einer Ausübung des Streikrechts, eine „Geiselnahme“. Und es meint - beinahe ist dies schon zur rühmlichen Ausnahme in der Medienwelt geworden - nicht die Streikenden, die die Öffentlichkeit (Passagiere, Nutzer/innen von Transportbetrieben) „als Geiseln“ nähmen. Sondern gemeint ist dezidiert die französische konservativ-wirtschaftsliberale Regierung, die durch ihr Vorgehen „das Streikrecht in Geiselhaft nimmt“. In gewisser Weise wird dadurch die Diskussion vom Kopf auf die Füße gestellt. Vgl. http://www.lemonde.fr/societe/article/2011/12/23/quand-le-droit-de-greve-est-pris-en-otage_1622245_3224.html . Ein positiv zu verzeichnender Schritt in der Berichterstattung. Doch worum ging es? Wir berichteten am 22. Dezember 11 in Labournet darüber: Polizistinnen und Polizisten ersetzten seit dem Vormittag des 22. Dezember 11 streikende Sicherheitsbedienstete am Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle. Am 26/27. Dezember 11 ging der Arbeitskampf dort mit einem Schlichtungsabkommen zu Ende. Man konnte mit Fug & Recht der Auffassung sein, dass dieses Vorgehen der französischen Regierung illegal sei: Jedem Arbeitgeber ist es in der Tat gesetzlich verboten, bislang nicht in seinem Dienst stehende Personen als Aushilfskräfte einzustellen, um einem Arbeitskampf zu begegnen oder ihn auszuhebeln. Ausdrücklich verbietet das französische Arbeitsgesetzbuch (Code du travail) in seinem Artikel L.1250-10 den Abschluss von befristeten Verträgen sowie Leiharbeitsverträgen, um auf diesem Wege einen Streik auszuhebeln. Doch Sinn der gesetzlichen Vorschrift ist es offenkundig, generell das Unterlaufen eines Arbeitskampfs durch vorübergehende Beschäftigung unternehmensfremder Personen zu untersagen. Dieses Verbot wird durch das jüngste Vorgehen der Regierung im Arbeitskampf an den Flughäfen auf manifeste Weise verletzt. Was jüngst am Pariser Flughafen Roissy praktiziert wurde, liegt vielleicht noch knapp unterhalb der gesetzlichen Verbotsgrenze, aber jedenfalls dicht davor. Das Ende vom Lied Am 26. Dezember schlossen mehrere Gewerkschaften am Flughafen von Paris-Roissy ein Abkommen zur Beendigung des Streiks. Dieses sieht im Grundsatz vor, dass die Streikenden je einen Monatslohn als jährliche Prämie - in Form einer einmaligen Sonderzahlung - erhalten sollen. Die Ausständischen hatten eine Erhöhung um 200 Euro monatlich, und eine Angleichung an die am Flughafen von Marseille-Marignane herrschenden Bedingungen, gefordert. Vgl. Unterschrieben haben das Abkommen zunächst die Flugbediensteten-Branchengewerkschaft des christlichen Gewerkschaftsbunds CFTC, jene der „unpolitisch-reformerischen“ Gewerkschaft UNSA sowie die verbalradikal-schillernde FP (Force Ouvrière). Die eher sozialdemokratische Gewerkschaftsvereinigung CFDT überlegte zunächst noch, plante aber ebenfalls, das Abkommen zu unterzeichnen. Zunächst nicht unterzeichnet hat hingegen die „postkommunistische“, etwas linkere Gewerkschaft CGT, die zunächst ihre Basis konsultieren wollte. Der Ausgang des Streiks mit dem Abkommen entspricht nicht wirklich dem, was die Arbeitskämpfenden gefordert hatte. Doch ihre Befürchtung wuchs (bei einer Mehrheit der Ausständischen), dass ihr Streik unter Umständen ohne jegliches Ergebnis enden und sich totlaufen werde, falls es zu keiner schnellen Einigung käme. Während der Feiertage und der Periode des Jahresendes war die öffentliche Aufmerksamkeit für ihren Streik gering, aufgrund der Ferienflüge - auch wenn nur eine relativ kleine Minderheit von Franzosen in der Weihnachtszeit mit dem Flugzeug in den Urlaub abgeht - drohte zudem in Teilen der Öffentlichkeit der Unmut über den Streik geschürt zu werden. Und zu einer wirklichen Unterbrechung des Flugverkehrs kam es ja von vornherein nicht. Auch wenn der Einsatz von Polizisten umgekehrt die Verspätungen NICHT wirklich reduzierte (da die Beamten für die speziellen Kontrollen an den dafür eingerichteten Bildschirmen überhaupt nicht ausgebildet wurden), so drohte er doch zusätzlich psychologisch zermürbend auf die Streikenden zu wirken. Am 27. Dezember hatten daraufhin alle abhängig Beschäftigten am Flughafen die Arbeit wieder aufgenommen; vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-eco/2011/12/27/97002-20111227FILWWW00199-aerien-les-agents-ont-repris-le-travail.php Neues Gesetz zur Einschränkung des Streikrechts (in der Praxis) geplant Am 24. Januar 2012 wird, wie wir kurz vor Weihnachten bei Labournet berichteten, das französische Parlament im Übrigen über einen Gesetzentwurf beraten, der die Einführung eines Service minimum - eines auch in Streikzeiten garantierten Mindest-Dienstleistungssolls - im Flugverkehr zum Gegenstand hat. Artikel von Bernard Schmid vom 3.01.2012 |