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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Staatsbegräbnis für den CNE (Vertrag ohne Kündigungsschutz): Arbeitsminister kündigt an, alle CNE in ,normale' unbefristete Arbeitsverträge umzuwandeln

Die Neuigkeit an und für sich ist positiv, aber sie dient gleichzeitig dazu, neue anderweitige Rückschritte zu verschleiern: Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand kündigte am 26. Februar an, alle Arbeitsverträge vom Typ CNE (Contrat nouvelle embauche, "Neueinstellungsvertrag") würden automatisch rechtlich in "normale" unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt. Die Meldung machte am gestrigen Mittwoch überall Schlagzeilen und schmückte die Seite Eins der Wirtschaftstageszeitung ,Les Echos', der (ungefähren) französischen Entsprechung zum deutschen ,Handelsblatt'. Ein Teil der Arbeitgeberverbände beschwerte sich daraufhin darüber, "übergangen" worden zu sein bzw. "die Pistole auf die Brust gesetzt zu bekommen", und bezeichnete die Info als "schlechte Neuigkeit für die Beschäftigung".

Der CNE ist ein besonderer Arbeitsvertrag, der in den ersten 24 Monaten seiner Laufzeit keinen Kündigungsschutz enthält. Er wurde am 2. August 2005 per Regierungsdekret eingeführt und blieb heftig umstritten. Im Juli 2007 wurde er durch die französische Justiz faktisch verurteilt, da er im Widerspruch zur Richtlinie Nummer 158 der International Labour Organisation (ILO) stehe, die für Kündigungen einen triftigen Grund fordert, während eine Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen des CNE ohne Nennung von Rechtfertigungsgründen erfolgen kann. Im November 2007 erteilte die ILO offiziell Frankreich eine Rüge aufgrund der Einführung des CNE. (Vgl. Näheres im LabourNet)

Es blieb die Frage im Raum stehen, was aus den übrigbleibenden, bereits abgeschlossenen Arbeitsverträgen vom Typus CNE nun werden würde. Sollten die Beschäftigten dennoch weiterhin 24 Monate in einem kündigungsschutzlosen Arbeitsverhältnis bleiben, so lange, bis die zweijährige Super-Probezeit auch für den letzten abgeschlossenen CNE abgelaufen sein wird? Oder wäre im Falle einer Kündigung ein Arbeitsgericht dennoch zuständig?

Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand hat nun, laut der Sprachregelung der französischen Presse vom Donnerstag, die "radikale Lösung" gewählt. Ab dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur "Modernisierung des Arbeitsmarkts", das bis im April dieses Jahres vom Parlament verabschiedet werden und die Bestimmungen des Abkommens der "Sozialpartner" vom 11./18. Januar dieses Jahres zum Thema umsetzen soll (vgl. im LabourNet), werden dann die noch vorhandenen CNEs in "normale" unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt werden. Damit wird der Wegfall des Kündigungsschutzes für diese Arbeitsverhältnisse explizit aufgehoben.

Die Negativseite: Diese, an und für sich positive, Neuigkeit dient vorwiegend zur gesellschaftlichen Legitimierung eines neues Gesetzes, das faktische Rückschritte - die freilich durch die Mehrzahl der Gewerkschaftsverbände (vier von fünf nationalen Gewerkschaftsbünden) durch ihre Unterschrift abgesegnet worden sind - absegnen wird. In ihrer Donnerstagsausgabe zitiert die Pariser Abendzeitung ,Le Monde' zudem den Staatssekretär Eric Besson, dem zufolge das Abkommen bzw. das kommende Gesetzeswerk nur den Anfang einer "Reform" auf dem Weg zur so genannten ,Flexisécurité' ("Flexibilisierung des Arbeitsmarkts bei gleichzeitiger Absicherung der Lohnabhängigen") bilden werde. Aber noch lange nicht ausreiche.

Zu einem der offenen Punkte der Gesetzesnovelle erklärte Minister Bertrand, dass die Probezeiten (die durch das Abkommen verlängert werden, auf bis zu acht Monate für Führungskräfte und höhere Angestellte) nunmehr im Gesetz festgeschrieben würden. Bislang waren sie nicht im Gesetz verankert, sondern konnten nur durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vorgesehen werden - dann musste aber nachweisbar sein, dass sie explizit vereinbart worden waren. Künftig werden damit die kündigungsschutzfreien Perioden auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar sein.

Einen weiteren, leicht bitteren Beigeschmack enthält die Ankündigung von Xavier Bertrand dadurch, dass eine Umwandlung aller CNEs in "Normalarbeitsverträge" demnach erst ab Sommer 2008 auf dem Programm steht, d.h. wenn das geplante neue Gesetz erst einmal durch alle Instanzen der parlamentarischen Beratung hindurch verabschiedet sein wird. Die allermeisten CNEs haben dann ohnehin nur noch wenige Monate bis zum Ende ihrer Probezeit zu durchlaufen, da seit dem Urteil vom Juli 2007 kaum noch Arbeitsverträge dieses Typus unterschrieben worden sind.

Insgesamt sollen, laut ,Les Echos' in ihrer Mittwochsausgabe, eine Million CNE-Verträge unterzeichnet worden sein. Allerdings entsprächen (nur) "10 Prozent" davon "geschaffenen Arbeitsplätzen", was bedeutet, dass zum überwiegenden Teil - in 90 Prozent der Fälle - der Mitnahmeeffekt überwiegt und durch den Wegfall des Kündigungsschutzes keine neue Stellen geschaffen, sondern nur ohnehin ,bereit stehende" Arbeitsplätze besetzt worden sind. Ferner fügt ,Les Echos' hinzu, dass unbekannt sei, wie viele CNE bislang schon (während der jeweiligen Probezeit) wieder aufgekündigt worden seien, da es keinerlei Statistik darüber gibt.

Dennoch dürfte die geplante Umwandlung der CNEs in "Normalarbeitsverträge" im Moment noch einige Zehntausend Beschäftigte betreffen.

Bernard Schmid, Paris, 25.12.2006


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