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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Gestern und heute im französischen Senat : Das neue Einwanderungsgesetz von Nicolas Sarkozy Alle Fotos im Text von der Demo am 13.05.2006 von B. Schmid Am gestrigen Dienstag und heutigen Mittwoch (06./07. Juni) verabschiedet der französische Senat, das Oberhaus des Parlaments, das so genannte «CESEDA-Gesetz» ( loi CESEDA ). Zuvor hatte die Nationalversammlung, die erste parlamentarische Kammer, es bereits am 17. Mai in erster Lesung angenommen. Loi CESEDA? Das rätselhaft wirkende, technische Kürzel bezeichnet «die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern und das Asylrecht». Es handelt sich um die nächste Runde bei der Verschärfung der Einwanderungsgesetzgebung, nachdem diese bereits im November 2003 in überwiegend regressivem Sinne angepasst worden war. Beide Male war der konservative Innenminister Sarkozy Autor der jeweiligen Gesetzesvorlagen. Die Philosophie des Gesetzesvorhabens beruht auf zwei Schlüsselbegriffen, l'immigration choisie und l'immigration subie - die «ausgewählte» und die «erlittene Einwanderung». Erlitten bedeutet in diesem Falle, dass Frankreich die Anwesenheit unerwünschter Zuwanderer erdulden müsse. Anders als unter seinem Amtsvorgänger im Innenministerium, dem nationalkonservativen Hardliner Charles Pasqua, gibt Sarkozy nicht die Parole aus, dass «null Zuwanderung» nach Frankreich das Ziel sei. Hat er doch wohl verstanden, dass diese offizielle Zielvorgabe ohnehin nie vollkommen einhaltbar war - garantieren doch Gesetze und internationale Abkommen etwa das Recht auf Familienzusammenführung. Letzteres Recht wird durch die Gesetzesvorlage aber stark beschnitten: Nicht nur werden die Fristen für den Nachzug der EhegattInnen verlängert, sondern die sozialen Bedingungen werden verschärft. Prekärer wird auch die Situation der ausländischen StaatsbürgerInnen, die mit französischen Männern oder Frauen verheiratet sind. Nunmehr können sie erst nach drei Jahren legalen Aufenthalts die französische Staatsbürgerschaft beantragen, und auch nur, wenn sie dem schwammig formulierten Kriterium der «republikanischen Integration» genügen, das jeder Bürgermeister für sich auslegen kann. Früher waren es einmal sechs Monate, die Konservativen unter Pasqua hatten die Frist bereits auf zwei Jahre verlängert. Abgeschafft wird durch die gesetzliche Neuerung ferner die bisherige Regelung, die 1998 durch die Sozialdemokraten eingeführt und später durch die Konservativen beibehalten worden war, wonach ein Einwanderer bei zehnjährigem nachgewiesenem Aufenthalt in Frankreich einen legalen Niederlassungstitel erhalten konnte. Damit sollten ausweglose menschliche Situationen ausgeräumt werden: Wer es geschafft hat, zehn Jahre lang (auch «illegal») seinen Aufenthalt in Frankreich aufrecht zu erhalten, wird wohl kaum in ein - zwischenzeitlich vielleicht nicht mehr wiederzuerkennendes - fernes Herkunftsland zurückkehren. Statt dieses bisher, seit 1998, gesetzlich verbrieften Rechts wird es künftig nur noch ein staatliches Gnadenrecht geben: Nach einer «Einzelfallprüfung» mit schwammig definierten Kriterien soll eventuell über die «Legalisierung» des Aufenthalts eines Immigranten entschieden werden können. Gleichzeitig schafft der Gesetzestext eine neue Elite unter den Zuwanderern, die zum Beispiel sofort das Recht auf Familienzusammenführung wahrnehmen kann. Für sie gibt es den neuen Aufenthaltstitel «Kompetenzen und Talente ». Wer Kapital, ökonomischer oder intellektueller Natur, zum Vorteil der französischen Wettbewerbswirtschaft mitbringen kann, wird willkommen sein - allerdings hängt das Aufenthaltsrecht, das auf drei Jahre befristet ist, am Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses. Die afrikanischen Länder beschuldigen die französische Regierung, «die Abwanderung der Gehirne» organisieren zu wollen: Während die gut ausgebildeten Eliten angezogen werden sollen, würde die Unterbindung der sonstigen Zuwanderung die Emigrationsländer von wichtigen Ressourcen abschneiden. So überweisen die rund 150.000 in Frankreich lebenden Malier jährlich 180 Millionen Euro an ihre Familien oder Dorfgemeinschaften im Herkunftsland. Kann nur noch eine schmale Elite auswandern, so drohen solche Finanzierungen zu versiegen, während ihre Kompetenzen dann im Ursprungsland - wo sie ausgebildet worden sind - fehlen. Der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade, der im Jahr 2000 gewählt wurde und damals auch mit Hilfe französischer konservativ-liberaler Kreise (und namentlich des Wirtschaftsliberalen Alain Madelin, der im vorigen Jahrzehnt Silivio Berlusconi nacheiferte und heute Sarkozy unterstützt) den seit 20 Jahren quasi autoritär regierenden «Sozialisten» Abdou Diouf besiegen konnte, soll vor Wut über Sarkozys neues Gesetz kochen. Gleichzeitig lässt er nun zukünftig alle senegelasesischen Student(inn)en, die in Frankreich studieren, eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen, wonach sie sich bereit erklären, nach ihrer Ausbildung zurück zu kehren und dem Senegal zu dienen. Sie sollen sich demnach selbst verpflichten, für 10 Jahre in dem Land zu arbeiten. Dies meldete die Tageszeitung Le Soleil am 23. Mai. Im Kontext eines sich abzeichnenden Rivalisierens der Staaten um die Abwerbung der best ausgebildeten Eliten drohen deren (potenzielle) Angehörige selbst unterdessen das Nachsehen zu haben - wenn das Resultat vom Ganzen wachsender Druck auf Studierende und potenzielle Auswanderungskandidaten sein sollte. Die senegalesische Presse zitiert Präsident Wade mit den Worten: «Ich kann nicht akzeptieren, dass Nicolas Sarkozy mir Leute (weg)nimmt, die der Senegal ausgebildet hat, das ist nicht ehrlich». Dieses Herangehen ist sogar nachvollziehbar, allerdings völlig vom Staat her gedacht, als dessen Quasi-Eigentum oder jedenfalls «Standortfaktor» die Menschen erscheinen müssen. Frankreich: Öffnung und Verriegelung des Arbeitsmarkts In Frankreich wiederum versucht Sarkozy, die Beschränkung der Zuwanderung in den Bereichen «niedriger (und mittlerer) Qualifikation» als Schutz für die einheimischen Arbeitskräfte zu verkaufen, und damit auch Beifall im nationalistischen bis tendenziell rassistischen Teil der französischen Wählerschaft zu erheischen. Nach dem Motto: «Unten» machen wir den Arbeitsmarkt für Arbeitskräftekonkurrenz dicht, dagegen machen wir ihn im «oberen» Bereich auf. Allerdings ist dies eine Milchmädchenrechnung, denn der hauptsächliche Lohndrückermechanismus entsteht derzeit nicht durch Zuwanderung «gering qualifizierter» Arbeitskräfte - die von ihnen übernommenen Jobs will ohnehin kaum ein Europäer verrichten . Sondern er entsteht überwiegenbd sondern durch die Öffnung des Dienstleistungsmarkts für den Wettbewerb von Unternehmen aus der ganzen EU, über die am Montag dieser Woche in Brüssel eine Einigung nach dem bisher anhaltenden Streit um die Dienstleistungs-Richtlinie eine Einigung erzielt werden konnte. Bereits heute üben in anderen EU-Ländern ansässige Unternehmen so einen Druck auf das Lohngefüge aus - so wurde im Frühjahr 2005 bekannt, dass die französische Télécom auf in Portugal ansässige Subfirmen für Arbeiten in Frankreich zurückgriff, die portugiesische Löhne ausbezahlte, auch wenn dies nicht legal war. Es ist also das Wirken von Firmen und Selbständigen, nicht die direkte Zuwanderung von Lohnabhängigen, die eine Spirale der Dumpingkonkurrenz in Gang zu bringen droht. Was lohnabhängige Anbieter ihrer Arbeitskraft betrifft, so ist unterdessen der französische Arbeitsmarkt noch nicht einmal für die Bürger der neuen EU- Beitrittsländer geöffnet worden. Seit dem 1. Mai 2006 können Arbeitskräfte aus Polen, Tschechien oder dem Baltikum so erstmals in Frankreich arbeiten - aber nur in Sektoren, in denen mehr oder minder akuter Arbeitskräftemangel herrscht, etwa aufgrund der vorherrschenden Arbeits- und. Diese Entscheidung traf die französische Regierung am 13. März 2006. Der größte Teil der Gewerkschaftsorganisationen, denen gern mal nationalistische Abschottungstendenzen nachgesagt werden, hat sich demgegenüber übrigens ziemlich korrekt verhalten: Fast alle wichtigen Gewerkschaften, mit Ausnahme des kleinen christlichen Gewerkschaftsbunds CFTC und der Standesgewerkschaft der höheren Angestellten CGC, haben sich für die sofortige Öffnung des gesamten Arbeitsmarkts für die betroffenen Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen Staaten ausgesprochen. Aus Sicht dieser Gewerkschaften verspricht nicht die Abschottung des nationalen Arbeitsmarkts - die ohnehin illusorisch sei - Rettung vor Dumpinglöhnen, sondern die Erkämpfung gleicher Lohn- und Arbeitsbedigungen für alle Beschäftigten. Gegen die Verschärfung der Ausländergesetzgebung gab es auch Proteste, so demonstrierten am 13. Mai in Paris über 20.000 Menschen dagegen. (Vgl. die Fotos im Text dazu) Da die Regierung - wie auch für ihre vorherigen regressiven Vorhaben im wirtschaftlichen und sozialen Bereich - das Dringlichkeitsverfahren gewählt hat, das die Rechte des Parlaments schmälert, muss jedoch mit einer Verabschiedung der Vorlage bis Anfang Juli gerechnet werden. Reaktionen In den Reaktionen auf das neue Einwanderungsrecht überwiegt die Einschätzung, wonach es künftig weniger Zuwanderer schaffen würden, legal in Frankreich zu leben. Deutsche Rechtsradikale begrüßen es unter diesem Gesichtspunkt. (Vgl. die Neonazi-Webpage « de.Altermedia.info », Eintrag vom 22. Mai 2006 unter dem Titel : « Andere Länder, andere Sitten - Frankreich gibt sich verschärftes Einwanderungsgesetz ». Ein Auszug daraus : « Ohne Zweifel ist ein solches Gesetz ein großer Fortschritt, der auch für Deutschland nachahmenswert wäre, die Frage ist lediglich, ob solche Gesetze noch rechtzeitig kommen bzw., ob sie überhaupt ausreichend sind, um die bestehende Ausländerproblematik zu lösen. So ist natürlich nichts gegen die Zuwanderung qualifizierter Leute in Berufsbereichen einzuwenden, wo sie wirklich gebraucht werden, aber was wird mit all dem bereits im Lande befindlichen fremdvölkischen Menschenmaterial, daß als nutzlosen humanoiden Müll zu bezeichnen (...)? Wäre es hier nicht an der Zeit, darüber nachzudenken, wie man diese wieder dorthin zurückschickt wo sie hergekommen sind, ehe sie hier die Verhältnisse ganz und gar übernehmen? Doch diese Frage stand auch in Frankreich nicht auf dem Tapet und so wird man wohl auch weiterhin befürchten müssen, daß die neue Gesetzgebung lediglich als politisches Placebo anzusehen ist (...) ») Ähnlich wie die deutschen braunen Kameraden in ihrem letzten zitierten Satz, bezeichnet auch die französische extreme Rechte - um Abgrenzung von Nicolas Sarkozy - das Gesetz als letztendlich wirkungslos, was die Abwehr unerwünschter Einwanderung betreffe. Es handele sich um ein Placebo, und die Massen würden letztendlich noch einmal betrogen. Eine Wirkung des Gesetzes, die in zahlenmäßig steigender Einwanderung liege, sieht - soweit absehbar - allein das ungefähr als linksnationalistisch, EU-skeptisch und nationalistisch-republikanisch zu bezeichnende Wochenmagazin « Marianne ». In ihrer Titelstory vom 13. Mai über Nicolas Sarkozy behauptet die Wochenzeitschrift (die für eine Begrenzung von Zuwanderung eintritt ; angeblich ein Thema, das man « nicht der extremen Rechten überlasse » dürfe, die durch « politisch korrektes Schweigen » nur gestärkt werde), in Wirklichkeit würde durch Sarkozys « ausgewählte Einwanderung » oder 'immigration choisie' die Zuwanderung nach Frankreich noch anwachsen. Damit würden, so behauptet das Magazin, auch die gesellschaftlichen Probleme weitehrin zunehmen. Die französische Sozialdemokratie führte einen relativ wirren Eiertanz vor, was ihre Reaktionen auf die « loi CESEDA » Nicolas Sarkozys betrifft. In den letzten Apriltagen erklärte sich der frühere Premierminister (1984 und 86) und zuletzt als Wirtschaftsminister (2000/02) amtierende Laurent Fabius bereit, im Falle eines Regierungswechsel die heute illegalisierten Immigranten oder Sans Papiers kollektiv zu « regularisieren », d.h. ihnen legale Aufenthaltstitel zu geben. Dies hatte zuletzt in dieser Form, d.h. kollektiv und ohne Einzelfallprüfung, der « sozialistische » Präsident François Mitterrand (Fabius' großes Vorbild) 1981/82 gemacht, damals wurden 132.000 Immigranten « regularisiert ». Später relativierte Fabius' Sprecher diese Position: Der ehemalige Minister habe nur auf die bohrende Frage eines Fernsehjournalisten nach einer möglichen « Regularisierungsoperation » geantwortet, die in ihrer zugespitzten Form nur eine Ja- oder Nein-Antwort zugelassen habe. In Wirklichkeit schließt Fabius also eine « Regularisierung » per Einzelfallprüfung (wie zuletzt unter Premierminister Lionel Jospin und seinem linksnationalistischen Innenminister Jean-Pierre Chevènement 1997/98) nicht aus. Dass Fabius zuvor überhaupt verbal so weit gegangen war, hängt damit zusammen, dass der Mann, der zu Zeiten seiner Regierungstätigkeit eher auf dem rechten und wirtschaftsliberalen Flügel der französischen Sozialdemokratie stand, zur Zeit um « linke » Profilierung bemüht ist: Er gedenkt, seinem Vorbild François Mitterrand nachzueifern, und ist der Auffassung, dass man sich in Oppositionszeiten und vor einem politischen Machtwechsel einen eher links wirkenden und konfrontativen Diskurs zulegen müsse. Um nämlich die Wahlen gegen die Konservativen überhaupt gewinnen zu können - was danach kommt, ist eine andere Sache. Sein innerparteilicher Mitbewerber um die Präsidentschaftskandidatur, Dominique Strauss-Kahn, ebenfalls ein ehemaliger (sozialliberaler) Wirtschaftsminister, dagegen vertrat von Anfang an die Linie einer «Einzelfallprüfung» im Umgang mit illegalisierten Immigranten. Diese ist nunmehr auch in den Programmentwurf des Parti Socialiste (PS) eingegangen, der im Mai publiziert wurde. Wie die (grundsätzlich dem PS nahe stehende) Tageszeitung 'Libération' in den letzten Maitagen monierte, schließt dieser Entwurf zugleich nicht einmal die Abschiebung minderjähriger Zuwanderer aus, und geht damit in diesem Punkt noch weiter als die derzeitige konservative Politik. Sarkozy auf Afrikatournee Die Nationalversammlung, das «Unterhaus» des französischen Parlaments, hat die Gesetzesvorlage des konservativen Innenministers Nicolas Sarkozy bereits am 17. Mai gebilligt. Just am Abend desselben Tages begann Sarkozy eine Tournee, die ihn durch mehrere afrikanische Staaten führen sollte. Doch dieses Mal erwies der Pariser Minister sich auch in Ländern, deren Eliten als langjährige treue Verbündeten Frankreichs auf dem Kontinent gelten müssen, als unwillkommen. Dieser Auftritt auf internationalem Parkett ist dem Minister eher misslungen. In einem Land musste er seinen Auftritt gar absagen: Ursprünglich hatte Sarkozy auch in den Senegal reisen wollen, eines der Schlüsselländer Westafrikas. Aber dort wollte man ihn nicht empfangen, und in letzter Minute musste er sein Programm noch abändern, wie die Tageszeitung 'L'Humanité' kolportiert. Dagegen konnte er Mali und Benin noch seinen Besuch abstatten. «Ein Rassist in unseren Stadtmauern» titelte die malische Tageszeitung Info Matin pünktlich zu Sarkozys Besuch, «Zorn in Bamako» eine andere Publikation in der Hauptstadt Malis. 21 Abgeordnete des Parlaments von Mali hatten zuvor offiziell die Ausladung des hohen Staatsbesuchs gefordert. Überall, wo der hyperehrgeizige Minister und Präsidentschaftskandidat hin kam, sammelten sich Menschen zu kleineren oder größeren Protestversammlungen, und vor seinem Hotel fand ein Sit-in statt. Anlässlich einer hitzigen Publikumsdebatte in einem Hotel in Bamako antwortete der französische Innenminister auf Vorhaltungen, wonach Frankreich den afrikanischen Ländern ihre Eliten abwerben und diese ansonsten nur wirtschaftlich ausbeuten wolle, mit einem Satz, der bis nach Paris Furore macchen sollte: «Frankreich benötigt Afrika wirtschaftlich nicht mehr». Worauf hin ihm ein Teilnehmer sarkastisch entgegnete, er stoße in Frankreich überall auf Gaststätten mit dem Namen «Café de France», aber seines Wissens «wächst in ganz Europa kein einziger Kaffeestrauch». Das Argument ließe sich aber auch die Deckung des französischen Erdölbedarfs ausdehnen, für den Länder wie Algerien, Kamerun und Congo-Brazzaville eine entscheidende Rolle spielen. Über Sarkozys eher unglücklichen Satz machte sich auch Eric Fottorino in seiner Kolumne für die Pariser Abendzeitung Le Monde lustig. In Benin, wohin Sarkozy weiterreiste, boykottierten Abgeordnete seinen Empfang im Parlament. Neben dem von ihm proklamierten Ziel, das von ihm konzipierte neue Einwanderungsgesetz in den westafrikanischen Ländern zu «erklären», wollte Sarkozy seinen Aufenthalt auf dem Kontinent auch dazu nutzen, «ein neues Kapitel in den französisch-afrikanischen Beziehungen» zu proklamieren. In einer Rede in Benins Hauptstadt Cotonou (> http://www.radio-kankan.com/NEWS.76+M5a0e43b9bcb.0.html ) betonte der französische Innenminister, die Phase sei vorbei, in der Paris alle möglichen Diktaturen in Afrika unterstützt habe, solange sie nur dazu dienten, die Interessen Frankreichs zu wahren. Vielmehr werde Frankreich nun aktiv die Demokratisierung in den Ländern des Kontinents stützen. Sarkozy legte in seiner Selbstdarstellung in Frankreich im Nachhinein Wert darauf, dass er deswegen die Staaten Mali und Benin ausgewählt habe, um diese Botschaft zu befördern: In Mali hat die Bevölkerung 1991 aus eigener Kraft die vorherige Militärdiktatur gestürzt und deöokratische Verhältnisse durchgesetzt, und in Benin fand im März dieses Jahres ein demokratischer Machtwechsel statt. Was Nicolas Sarkozy dabei aber verschwieg, da es diese Aussage konterkariert hätte: Ursprünglich hatte er auch nach Gabun reisen wollen, und damit in eine der stabilsten Diktaturen des afrikanischen Kontinents, deren Präsident Omar Bongo seit nunmehr bald 39 Jahren - er kam 1967 an die Macht - amtiert. Dagegen hatte der französische Präsident Chirac aber sein Veto eingelegt, wie Libération am 18. Mai schrieb, denn Gabun gilt ihm als Schlüsselland von zentraler strategischer Bedeutung. Omar Bongo, dessen Regime seine Machtposition auf einer Fülle von Petrodollars aufgebaut hat, wird als wichtiger Finanzier von Teilen der französischen politischen Klasse betrachtet. Dabei dürfte der Chirac-Clan eine wichtige Position einnehmen. Zu Anfang des Jahres 2001 - als ein Skandal um illegale Waffenlieferungen aus Frankreich nach Angola für kurze Zeit einen Blick auf die mafiösen Verbindungen des französischen Establishments auf dem afrikanischen Kontinents freigab - hatte Omar Bongo in Frankreich öffentlich damit gedroht, er wisse genug, «um die (französische) Fünfte Republik zwanzig mal in die Luft gehen zu lassen.» (Vgl. dazu ) . ) Danach wurde es um das Thema wieder still. Hinter der Fassade von Sarkozys behauptetem Einsatz für die Demokratisierung in Afrika steht also wahrscheinlich weitaus eher die Tatsache, dass er bisher noch vom Chirac-Clan von den wichtigsten Fleischtöpfen ferngehalten wird. Bernard Schmid, Paris, 07.06.2006 |