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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Gestern und heute im französischen Senat : Das neue Einwanderungsgesetz von Nicolas Sarkozy Alle Fotos im Text von der Demo am 13.05.2006 von B. Schmid Am gestrigen Dienstag und heutigen Mittwoch (06./07. Juni) verabschiedet der französische Senat, das Oberhaus des Parlaments, das so genannte «CESEDA-Gesetz» ( loi CESEDA ). Zuvor hatte die Nationalversammlung, die erste parlamentarische Kammer, es bereits am 17. Mai in erster Lesung angenommen.
Die Philosophie des Gesetzesvorhabens beruht auf zwei Schlüsselbegriffen, l'immigration choisie und l'immigration subie - die «ausgewählte» und die «erlittene Einwanderung». Erlitten bedeutet in diesem Falle, dass Frankreich die Anwesenheit unerwünschter Zuwanderer erdulden müsse. Anders als unter seinem Amtsvorgänger im Innenministerium, dem nationalkonservativen Hardliner Charles Pasqua, gibt Sarkozy nicht die Parole aus, dass «null Zuwanderung» nach Frankreich das Ziel sei. Hat er doch wohl verstanden, dass diese offizielle Zielvorgabe ohnehin nie vollkommen einhaltbar war - garantieren doch Gesetze und internationale Abkommen etwa das Recht auf Familienzusammenführung. Letzteres Recht wird durch die Gesetzesvorlage aber stark beschnitten: Nicht nur werden die Fristen für den Nachzug der EhegattInnen verlängert, sondern die sozialen Bedingungen werden verschärft. Prekärer wird auch die Situation der ausländischen StaatsbürgerInnen, die mit französischen Männern oder Frauen verheiratet sind. Nunmehr können sie erst nach drei Jahren legalen Aufenthalts die französische Staatsbürgerschaft beantragen, und auch nur, wenn sie dem schwammig formulierten Kriterium der «republikanischen Integration» genügen, das jeder Bürgermeister für sich auslegen kann. Früher waren es einmal sechs Monate, die Konservativen unter Pasqua hatten die Frist bereits auf zwei Jahre verlängert. Abgeschafft wird durch die gesetzliche Neuerung ferner die bisherige Regelung, die 1998 durch die Sozialdemokraten eingeführt und später durch die Konservativen beibehalten worden war, wonach ein Einwanderer bei zehnjährigem nachgewiesenem Aufenthalt in Frankreich einen legalen Niederlassungstitel erhalten konnte. Damit sollten ausweglose menschliche Situationen ausgeräumt werden: Wer es geschafft hat, zehn Jahre lang (auch «illegal») seinen Aufenthalt in Frankreich aufrecht zu erhalten, wird wohl kaum in ein - zwischenzeitlich vielleicht nicht mehr wiederzuerkennendes - fernes Herkunftsland zurückkehren. Statt dieses bisher, seit 1998, gesetzlich verbrieften Rechts wird es künftig nur noch ein staatliches Gnadenrecht geben: Nach einer «Einzelfallprüfung» mit schwammig definierten Kriterien soll eventuell über die «Legalisierung» des Aufenthalts eines Immigranten entschieden werden können.
Der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade, der im Jahr 2000 gewählt wurde und damals auch mit Hilfe französischer konservativ-liberaler Kreise (und namentlich des Wirtschaftsliberalen Alain Madelin, der im vorigen Jahrzehnt Silivio Berlusconi nacheiferte und heute Sarkozy unterstützt) den seit 20 Jahren quasi autoritär regierenden «Sozialisten» Abdou Diouf besiegen konnte, soll vor Wut über Sarkozys neues Gesetz kochen. Gleichzeitig lässt er nun zukünftig alle senegelasesischen Student(inn)en, die in Frankreich studieren, eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen, wonach sie sich bereit erklären, nach ihrer Ausbildung zurück zu kehren und dem Senegal zu dienen. Sie sollen sich demnach selbst verpflichten, für 10 Jahre in dem Land zu arbeiten. Dies meldete die Tageszeitung Le Soleil am 23. Mai. Im Kontext eines sich abzeichnenden Rivalisierens der Staaten um die Abwerbung der best ausgebildeten Eliten drohen deren (potenzielle) Angehörige selbst unterdessen das Nachsehen zu haben - wenn das Resultat vom Ganzen wachsender Druck auf Studierende und potenzielle Auswanderungskandidaten sein sollte. Die senegalesische Presse zitiert Präsident Wade mit den Worten: «Ich kann nicht akzeptieren, dass Nicolas Sarkozy mir Leute (weg)nimmt, die der Senegal ausgebildet hat, das ist nicht ehrlich». Dieses Herangehen ist sogar nachvollziehbar, allerdings völlig vom Staat her gedacht, als dessen Quasi-Eigentum oder jedenfalls «Standortfaktor» die Menschen erscheinen müssen. Frankreich: Öffnung und Verriegelung des Arbeitsmarkts
Was lohnabhängige Anbieter ihrer Arbeitskraft betrifft, so ist unterdessen der französische Arbeitsmarkt noch nicht einmal für die Bürger der neuen EU- Beitrittsländer geöffnet worden. Seit dem 1. Mai 2006 können Arbeitskräfte aus Polen, Tschechien oder dem Baltikum so erstmals in Frankreich arbeiten - aber nur in Sektoren, in denen mehr oder minder akuter Arbeitskräftemangel herrscht, etwa aufgrund der vorherrschenden Arbeits- und. Diese Entscheidung traf die französische Regierung am 13. März 2006. Der größte Teil der Gewerkschaftsorganisationen, denen gern mal nationalistische Abschottungstendenzen nachgesagt werden, hat sich demgegenüber übrigens ziemlich korrekt verhalten: Fast alle wichtigen Gewerkschaften, mit Ausnahme des kleinen christlichen Gewerkschaftsbunds CFTC und der Standesgewerkschaft der höheren Angestellten CGC, haben sich für die sofortige Öffnung des gesamten Arbeitsmarkts für die betroffenen Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen Staaten ausgesprochen. Aus Sicht dieser Gewerkschaften verspricht nicht die Abschottung des nationalen Arbeitsmarkts - die ohnehin illusorisch sei - Rettung vor Dumpinglöhnen, sondern die Erkämpfung gleicher Lohn- und Arbeitsbedigungen für alle Beschäftigten. Gegen die Verschärfung der Ausländergesetzgebung gab es auch Proteste, so demonstrierten am 13. Mai in Paris über 20.000 Menschen dagegen. (Vgl. die Fotos im Text dazu) Da die Regierung - wie auch für ihre vorherigen regressiven Vorhaben im wirtschaftlichen und sozialen Bereich - das Dringlichkeitsverfahren gewählt hat, das die Rechte des Parlaments schmälert, muss jedoch mit einer Verabschiedung der Vorlage bis Anfang Juli gerechnet werden. Reaktionen
Ähnlich wie die deutschen braunen Kameraden in ihrem letzten zitierten Satz, bezeichnet auch die französische extreme Rechte - um Abgrenzung von Nicolas Sarkozy - das Gesetz als letztendlich wirkungslos, was die Abwehr unerwünschter Einwanderung betreffe. Es handele sich um ein Placebo, und die Massen würden letztendlich noch einmal betrogen. Eine Wirkung des Gesetzes, die in zahlenmäßig steigender Einwanderung liege, sieht - soweit absehbar - allein das ungefähr als linksnationalistisch, EU-skeptisch und nationalistisch-republikanisch zu bezeichnende Wochenmagazin « Marianne ». In ihrer Titelstory vom 13. Mai über Nicolas Sarkozy behauptet die Wochenzeitschrift (die für eine Begrenzung von Zuwanderung eintritt ; angeblich ein Thema, das man « nicht der extremen Rechten überlasse » dürfe, die durch « politisch korrektes Schweigen » nur gestärkt werde), in Wirklichkeit würde durch Sarkozys « ausgewählte Einwanderung » oder 'immigration choisie' die Zuwanderung nach Frankreich noch anwachsen. Damit würden, so behauptet das Magazin, auch die gesellschaftlichen Probleme weitehrin zunehmen.
Sarkozy auf Afrikatournee Die Nationalversammlung, das «Unterhaus» des französischen Parlaments, hat die Gesetzesvorlage des konservativen Innenministers Nicolas Sarkozy bereits am 17. Mai gebilligt. Just am Abend desselben Tages begann Sarkozy eine Tournee, die ihn durch mehrere afrikanische Staaten führen sollte. Doch dieses Mal erwies der Pariser Minister sich auch in Ländern, deren Eliten als langjährige treue Verbündeten Frankreichs auf dem Kontinent gelten müssen, als unwillkommen. Dieser Auftritt auf internationalem Parkett ist dem Minister eher misslungen. In einem Land musste er seinen Auftritt gar absagen: Ursprünglich hatte Sarkozy auch in den Senegal reisen wollen, eines der Schlüsselländer Westafrikas. Aber dort wollte man ihn nicht empfangen, und in letzter Minute musste er sein Programm noch abändern, wie die Tageszeitung 'L'Humanité' kolportiert. Dagegen konnte er Mali und Benin noch seinen Besuch abstatten.
Neben dem von ihm proklamierten Ziel, das von ihm konzipierte neue Einwanderungsgesetz in den westafrikanischen Ländern zu «erklären», wollte Sarkozy seinen Aufenthalt auf dem Kontinent auch dazu nutzen, «ein neues Kapitel in den französisch-afrikanischen Beziehungen» zu proklamieren. In einer Rede in Benins Hauptstadt Cotonou (> http://www.radio-kankan.com/NEWS.76+M5a0e43b9bcb.0.html ) betonte der französische Innenminister, die Phase sei vorbei, in der Paris alle möglichen Diktaturen in Afrika unterstützt habe, solange sie nur dazu dienten, die Interessen Frankreichs zu wahren. Vielmehr werde Frankreich nun aktiv die Demokratisierung in den Ländern des Kontinents stützen. Sarkozy legte in seiner Selbstdarstellung in Frankreich im Nachhinein Wert darauf, dass er deswegen die Staaten Mali und Benin ausgewählt habe, um diese Botschaft zu befördern: In Mali hat die Bevölkerung 1991 aus eigener Kraft die vorherige Militärdiktatur gestürzt und deöokratische Verhältnisse durchgesetzt, und in Benin fand im März dieses Jahres ein demokratischer Machtwechsel statt. Was Nicolas Sarkozy dabei aber verschwieg, da es diese Aussage konterkariert hätte: Ursprünglich hatte er auch nach Gabun reisen wollen, und damit in eine der stabilsten Diktaturen des afrikanischen Kontinents, deren Präsident Omar Bongo seit nunmehr bald 39 Jahren - er kam 1967 an die Macht - amtiert. Dagegen hatte der französische Präsident Chirac aber sein Veto eingelegt, wie Libération am 18. Mai schrieb, denn Gabun gilt ihm als Schlüsselland von zentraler strategischer Bedeutung. Omar Bongo, dessen Regime seine Machtposition auf einer Fülle von Petrodollars aufgebaut hat, wird als wichtiger Finanzier von Teilen der französischen politischen Klasse betrachtet. Dabei dürfte der Chirac-Clan eine wichtige Position einnehmen. Zu Anfang des Jahres 2001 - als ein Skandal um illegale Waffenlieferungen aus Frankreich nach Angola für kurze Zeit einen Blick auf die mafiösen Verbindungen des französischen Establishments auf dem afrikanischen Kontinents freigab - hatte Omar Bongo in Frankreich öffentlich damit gedroht, er wisse genug, «um die (französische) Fünfte Republik zwanzig mal in die Luft gehen zu lassen.» (Vgl. dazu Bernard Schmid, Paris, 07.06.2006 |