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Updated: 18.12.2012 15:51
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Fortsetzung zu « Sarkozy richtet die Bullen-Republik ein »

Kampagne der regierenden Rechten zum « Zusammenhang zwischen Einwanderung, Kriminalität und Staatsbürgerschaft » - Nicolas Sarkozy hat eine neue Idee geschissen gefunden

Wettstreit um ideologische Hegemonie zwischen Konservativen und Rechtsextremen - Das Regierungslager reagiert auf den drohenden Machtverlust (u.a.) infolge der jüngsten Korruptionsaffären - Statt progressiven Sozialprotests und/oder der parlamentarischen Opposition soll lieber der Front National ansteigen, mit welchem man sich danach um Einfluss und Wählerschaft streitet - Der regierende Bürgerblock beruft sich darauf, seine Vorschläge seien (angeblich) populär, und nu reine « kleine intellektuell-kulturelle Schickeria » lehne den Mehrheitswillen der Bevölkerung in diesen Punkten ab.

Teil 1 findet sich hier

Teil 3 hier pdf

Je größer die Schnauze, desto größer fällt der politische Effekt aus. Dies muss sich einmal mehr Nicolas Sarkozy gedacht haben, als er am vorletzten Freitag (den 30. Juli) den Mund sehr voll nahm, bevor er in Grenoble zu einer wahrhaften Brandrede anhob. Ihr Thema waren die "Innere Sicherheit", die Einwanderung und der angebliche Zusammenhang zwischen beiden.

Vorwand, Anlass und Ursache

Vordergründig - aber eben nur vordergründig - bestand dabei ein Zusammenhang zwischen jüngsten Ereignissen, die im Laufe des Juli 2010 für Schlagzeilen gesorgt hatten, und den Ankündigungen Nicolas Sarkozys. Besonders in den Vordergrund gerückt wurden dabei lokale Riots und Zusammenstöße mit Polizisten, die am 16., 17. und 18. Juli in einem "sozialen Brennpunkt" von Grenoble (La Villeneuve, einer Trabantenstadt südöstlich von Grenoble mit 11.000 Einwohner/inne/n) sowie in der zentralfranzösischen Kleinstadt Saint-Aignan am 18. Juli stattfanden.

Im Falle von Saint-Aignan, das in der Nähe von Blois liegt, bestand eine Besonderheit darin, dass zuvor ein 22jähriger Angehöriger der ,Gens du voyage' ("Landfahrer", französische Sinti) durch die Gendarmerie erschossen worden war. In Grenoble-La Villeneuve dagegen war es ein 27jähriger Straftäter mit Namen Karim Boudouda, der bei der Flucht nach einem Überfall auf das Kasino von Uriage-les-Bains - in der Nähe von Grenoble - in unmittelbarer Nähe seiner Hochhauswohnung durch Polizisten erschossen wurde. Allerdings hatte er zuvor selbst auf Polizisten geschossen, bei seinem Tod hatte er eine Kalaschnikow (mit der zuvor gefeuert worden war) in der Hand und eine Uzi-Maschinenpistole umgebunden. Eine Beute von 44.000 Euro wurde später im Kofferraum seines Fluchtautos aufgefunden. Mit Karim Boudouda befreundete Jugendliche und sozial deklassierte Jugendliche oder junge Erwachsende in La Villeneuve hatten daraufhin rund 60 Autos abgefackelt, und einzelne von ihnen hatten auf Polizisten geschossen.

Eine örtliche Besonderheit von La Villeneuve besteht darin, dass hier einerseits viele sozial Abgestiegene wohnen, andererseits aber ein Teil der in den siebziger Jahren aus Lyon vertriebenen Strukturen der Organisierten Kriminalität Fuß gefasst haben. In Lyon hatte von 1971 bis 1974 die ,Gang des Lyonnais' (in deren Reihen wiederum viel sozial Deklassierte zu Geld und, zweifelhaftem, "Ruhm" gekommen waren: ihr Anführer Edmond Vidal war in einem "Zigeuner"-Ghetto aufgewachsen, andere Mitglieder waren griechische oder armenische Einwanderer) mit spektakulären Überfällen auf sich aufmerksam gemacht. Hinter ihr stand ein mafiöses Milieu von Leuten, die stärker in Sicherheit lebten als die Gangmitglieder selbst und die - "geldwerte" - Beziehungen zur örtlichen Politik unterhielten. Die ,Gang des Lyonnais' wurde jedoch im Dezember 1974 zerschlagen, und ihre Anführer wurden im Juli 1977 abgeurteilt; derzeit wird ein Film über ihre Geschichte gedreht, und Original-Teilnehmer von damals nehmen an den Dreharbeiten unter dem Regisseur Olivier Marchal teil... Nachdem ihre mafiösen Hintermänner am 03. Juli 1975 in Lyon den Richter François Renaud ermorden ließen, wurde dem Milieu der Organisierten Kriminalität (oder Teilen von ihm) der Boden in Lyon zu heiß unter den Füßen. Daraufhin wich es nach Grenoble aus, wo der frühere Musterstadtteil La Villeneuve ihnen gute Bedingungen bot. Auch aus topographischen Gründen: Um die Architektur interessanter zu gestalten, hatten jene, die den Stadtteil entwarfen, zahlreiche Tunnel- und Labyrinthstrukturen zwischen den und unterhalb der Hochhäuser entworfen. Darin verirren sich nun heute die Polizisten...

Dies Alles war seit längerem bekannt. Sozialarbeiter aus La Villeneuve in Grenoble hatten in den letzten Monaten wiederholt die örtlichen Verantwortlichen darauf aufmerksam gemacht, dass es kleine harte Kerne von insgesamt 30 bis maximal 50 Jugendlichen gebe, die vollständig am Abdriften seien. Einige von ihnen gerieten in die Nähe oder in die Fänge organisierter krimineller Strukturen, wobei sie eher kleine "ausführende Arme" denn Bosse in dem Milieu abgaben. Nichts wurde jedoch an präventiven Aktionen unternommen, man ließ die Situation über Monate und Jahre hinaus "verkommen". Bis es jetzt, anlässlich des Todes von Karim Boudouda, eben zum "Knall" kam, der dann den riesigen Alarm auslöste.

Präsident Nicolas Sarkozy (der sich daraufhin nach Grenoble begab, um dort seine Brandrede zu halten) und Innenminister Brice Hortefeux sprangen nun auf das Trittbrett auf: Die Situation diente ihnen als "gefundenes Fressen" für eine politische Kampagne. Innenminister Hortefeux patrouillierte persönlich in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag vergangener Woche (04./05. August) mit den Polizisten der ,Brigade Anti-Criminalité' - BAC - medienwirksam durch die "sozialen Brennpunkte". Am Tag zuvor war zur Vorbereitung des Ministerbesuchs eine spektakuläre Festnahmeaktion erfolgt: Die Polizei suchte nach dem Komplizen von Karim Boudouda bei seinem Überfall auf das Kasino von Uriage, der nach wie vor flüchtig ist. Vier junge Leute aus dem weiteren sozialen Umfeld des (toten) Trabantenstadtbewohners Karim Boudouda wurden aufgegriffen. Gar zu gerne hätte man, pünktlich zum Ministerbesuch, einen "wichtigen Erfolg" vor den Fernsehkameras präsentiert. Doch die Aktion war überstürzt und blieb ein "Schlag ins Wasser", gegen die vier Festgenommenen lag konkret nichts vor, und sie wurden am folgenden Tag - ohne Beschuldigungen - wieder freigelassen. Ähnlich wie diese Polizeiaktion, die statt auf kriminalistische Feinarbeit eher auf publikumswirksame PR setzte, ist die ganze politische Agitation rund um diese Angelegenheit eine reine Schaumschlägerei.

Das mit Abstand Schlimmste daran ist jedoch, wie seit der Brandrede Nicolas Sarkozys nun systematisch ein angeblicher Zusammenhang zwischen "Ausländerfrage" (der Parteisprecher der regierenden UMP, Frédéric Lefebvre, sprach am 05. August wörtlich von der "Ausländerfrage", << la question des étrangers >>, als einem "der größten Probleme im Land"), Einwanderung, Staatsbürgerschaftsfrage und Kriminalität hergestellt wird.

Doch diese Offensive wiederum wurde seit längerem geplant und vorbereitet. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am 06. August kurz vor 13 Uhr berichtete, wurde die Rede schon seit der Niederlage der Konservativen bei den Regionalparlamentswahlen im März 2010 programmiert. Sie war also gerade keine Reaktion auf Straftaten oder Krawalle der letzten Wochen. Kurz darauf bestätigte die am Freitag Nachmittag erschiene Ausgabe der Pariser Abendzeitung ,Le Monde' (die das Datum vom 07. August trägt), dass seit dem Frühjahrsbeginn alle drei Wochen hochrangige Treffen stattfanden, um eine neue politische Offensive Sarkozys zu den genannten Themen vorzubereiten. [1]

Den wahren Grund, die Ursache für die jüngste ideologische "Sicherheits"offensive der Rechtsregierung bildeten die jüngsten Krawalle also auf keinen Fall. Allenfalls den Anlass zum politischen "Losschlagen" lieferten sie; den Auslöser, auf den man nur gewartet hatte.

Ferner muss die Brandrede von Grenoble auch im Zusammenhang mit den massiven Rechtfertigungs-Notwendigkeiten des konservativen Bürgerblocks, die sich aus den Korruptions- und Steuerhinterziehungs-Affären - die in den letzten Wochen publik wurden wie der Bettencourt- und der Wildenstein-Skandal - betrachtet werden. Das Regierungslager war dadurch zeitweilig stark in die Defensive gedrängt worden. Der hammerharte Auftritt von Grenoble sollte wie ein Befreiungsschlag aus dieser Situation wirken.

Auch hatte das konservativ-reaktionäre Wochenmagazin ,Valeurs Actuelles' , das vor allem über Wirtschafts- und Armeethemen berichtet und in entsprechenden Kreisen gelesen wird (laut einer Leserumfrage von 2004 wählen 66 % Ihres Publikums konservativ und weitere 25 % rechtsradikal) schon in seiner Titelstory vom 08. Juli 2010 die Grundzüge für eine neue politisch-ideologische "Gegenoffensive" Nicolas Sarkozy skizziert. Vor dem Hintergrund der schweren Vorwürfe an das Regierungslager, im Zusammenhang mit den jüngsten Korruptionsaffären (vgl. auch nebenstehenden Artikel vom heutigen Tage) bereite Sarkozy eine neue spektakuläre Initiative vor. Nun müsse er auf die ideologischen Grundbedürfnisse einer rechten Stammwählerschaft eingehen, mahnte das Wochenmagazin, das Umfragen über die Prioritäten rechter Überzeugungs- oder Gesinnungswähler bereit hielt. Im Vordergrund standen dabei Punkte wie ein Minarett-Verbot (nach Vorbild des Schweizer Referendums von Ende November 2009) oder ein gesetzliches Verbot der Initiativen und Gruppierungen, die "illegalen" Einwanderern helfen. Wahrscheinlich haben sich seit dem Erscheinen des Magazins nur einige der konkreten Angriffsflächen geändert - vor dem Hintergrund der Ereignisse von Saint-Aignan und Grenoble wurden die Sinti & Roma einerseits, die "Kriminalitätsproblematik" und ihr angeblicher Zusammenhang zur "Ausländerfrage" andererseits in den Mittelpunkt gerückt -, aber an den Grundzügen wurde nichts geändert.

Widerspruch

Seitdem reißen die Reaktionen nicht ab: Von einem "Abdriften ins Antidemokratische", so die sozialistische Parteichefin Martine Aubry, ist die Rede. Die trotzkistische Partei LO ("Arbeiterkampf") sieht Sarkozy "unter denselben Mülleimern schnüffeln" wie den neofaschistischen Front National. Und in der Pariser Abendzeitung ,Le Monde' kritisierte der linksliberale Schickeria"philosoph" Bernard-Henri Lévy, bekannt als "BHL", "drei schwere politisch-moralische Verfehlungen" Nicolas Sarkozys [2]. Und lag damit in diesem Falle einmal gar nicht falsch. Er kritisierte konkret:

  1. "das Amalgam" (= die unzulässige Vermengung von Problemen oder Sachverhalten, die nichts miteinander zu tun haben) zwischen französischen Sinti oder ,Gens du voyage' , osteuropäischen Roma und Kriminalität;
  2. den Vorschlag, Straftätern mit französischer Staatsangehörigkeit, aber "ausländischer Herkunft" (Originalton Sarkozy) selbige Staatsbürgerschaft zu entziehen, als Bruch mit Artikel 1 der Verfassung: "Die Republik garantiert die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, ohne Unterscheidung zwischen Herkunft, Rasse und Religion";
  3. und Nicolas Sarkozys Ausspruch vom "nationalen Krieg gegen die Kriminellen", den er führen wolle.

Ebenfalls viel Widerspruch rief der Vorschlag von Sarkoys Sicherheitsfachmann Eric Ciotti, die Eltern straffälliger Kinder für bis zu zwei Jahre in Haft zu stecken, hervor. Sippenhaft vom Feinsten! Bislang gab es nur zivilrechtliche Haftung, also Zahlungspflicht, für die vom eigenen Nachwuchs eventuell angerichteten Schäden - aber keine Drohung mit Knast. Dies wiederum veranlasste den früheren sozialdemokratischen Premierminister (von Juni 1988 bis Mai 1991), Michel Rocard, in einem Interview mit dem linkspatriotischen Wochenmagazin ,Marianne' (vom 07. August) heftige Erklärungen abzugeben. Rocard langte tüchtig zu: "(Durch diesen Vorschlag) gehen wir von der individuellen strafrechtlichen Verantwortung zur kollektiven strafrechtlichen Verantwortung über. Das hat man seit dem Vichy-Regime nicht gesehen, das hat man seit den Nazis nicht gesehen. (...) Das ist eine Politik des Bürgerkriegs." Rocard ging davon aus, dass Nicolas Sarkozy "dem Front National hinterherläuft", und kommentierte dies mit den Worten: "Er (Sarkozy) wird es teuer bezahlen, und das wird er verdient haben." - Zuvor hatte Nicolas Sarkozy in seiner Feuerrede von Grenoble am 30. Juli ein, verkürztes, historisches Zitat von Michel Rocard benutzt. Rocard hatte im Jahr 1989, damals als Premierminister, den berühmt gewordenen historischen Ausspruch getätigt: "Frankreich kann nicht alles Elend der Welt aufnehmen". Allerdings hatte er damals auch hinzugefügt: "... Aber es muss seinen gerechten Anteil daran (an diesem Elend der Welt) tragen." Üblicherweise wird das Zitat, das im geschichtlichen Kontext einer auch damals angespannten Debatte um "Ausländerpolitik" und Einwanderung fiel, um seine zweite Hälfte verkürzt wiedergegeben. Genau dies tat auch Sarkozy in seiner Ansprache von Ende Juli. Rocard hat es offenkundig nicht geschätzt, auf diese Weise gerade durch Nicolas Sarkozy vereinnahmt zu werden (dem er bislang scheinbar eher relativ nahe stand, er hatte sogar eine "Untersuchungsmission" von ihm in Auftrag genommen). Und er hat ihm entsprechend geantwortet. Das Wochenmagazin ,Marianne' brachte dazu, in seiner Ausgabe vom vergangenen Samstag, das passende Titelblatt zum Interview: "Sarkozy: Der Übeltäter der Republik". Am Montag hat dies einige Aufregung bei Abgeordneten der Regierungspartei UMP hervorgerufen. Besonders die öfters rechtspopulistisch auftretende Staatssekretärin für Familienpolitik, Nadine Morano, erregte sich öffentlich über den Zeitschriftentitel.

Die Rechtsextremen ihrerseits sind schwer begeistert und sehen sich inhaltlich voll bestätigt. Allerdings fügen sie, eine klassische Reaktion ihrerseits auf konservative Ankündigungen, hinzu: Der Worte sind genug gewechselt, nun wollen wir endlich Taten sehen. Unterdessen haben aber auch Marine Le Pen und Bruno Gollnisch - die beiden inzwischen offiziell "qualifizierten" Bewerber um den Parteivorsitz, die auf dem nächsten Parteikongress am 15./16. Januar 2011 für die Nachfolge Jean-Marie Le Pens kandidieren werden - lautstark ihre geistige "Vaterschaft", ihre Urheberschaft für die jetzt durch Sarkozy propagierten Ideen beansprucht. [3] Am Dienstag, den 10. August legte Bruno Gollnisch mit den Worten nach, auf dem Feld der "Sicherheits"ideologie habe "die (regierende) UMP 35 Jahre Verspätung gegenüber Jean-Marie Le Pen".

Populäre Vorschläge?

Diese Pläne sind jedoch angeblich populär: Die konservative Tageszeitung ,Le Figaro' - knapp vor der liberalen Abendzeitung ,Le Monde' die auflagenstärkste überregionale Tageszeitung Frankreichs - hatte beim Institut IFOP eine Umfrage in Auftrag gegeben. Diese erschien in der Ausgabe vom Freitag (06. August), die triumphierend auf ihrer Seite Eins titelte, die Franzosen gäben den Regierungsplänen Recht, und von einem "Plebiszit" spricht. Demzufolge bestehen angeblich, je nach Einzelmaßnahme, zwischen 55 % - für die Strafandrohung gegen Eltern straffälliger Kids - und 80 % (im Falle der Wegnahme der Staatsbürgerschaft, lt. Fragestellung "bei Polygamie oder Frauenbeschneidung") Zustimmung zu den jüngsten Vorschlägen. Auch der Marschall Philippe Pétain war zeitweilig populär, bevor es vielen Leuten konkret an den Kragen ging. Und viele sagen sich, dass sie ja von den Vorschlägen nicht betroffen seien, die ja nur die Bösen treffen.

Allerdings bestehen noch erhebliche Bedenken über die Repräsentativität und die Transparenz der Umfrage: Anders als bei manch anderen Befragungen werden die Personen "ohne Meinung" oder "Angaben" nicht ausgewiesen, sondern nur die Ja- und die Nein-Stimmen. Auch deshalb fiel die Zustimmung so überdeutlich aus. Und wie sicher bei der on-line durchgeführten Umfragen die Identifizierung der Befragten war und ob Mehrfachantworten durch Teilnehmer ausgeschlossen waren, bleiben offene Fragen, die etwa in mehreren Internetzeitungen formuliert wurden. Auch war es den Antwortenden selbst überlassen, sich für die Umfrage irgendwo politisch einzustufen (etwa als "links"). Während normalerweise überprüft wird, ob die Zusammensetzung einer Befragtengruppe nach objektiven Kriterien - Alter, Berufsgruppe, Wohnort und politische Abstimmungsverhalten im Wahlkreis - nach Wahrscheinlichkeitsmaßstäben einen "repräsentativen" Querschnitt durch die politischen Meinungen der Bevölkerung verspricht. Deshalb monieren etwa Internetzeitungen, dass es vielen Teilnehmern an der Umfrage leicht gefallen sei, sich selbst einfach als "links" zu bezeichnen, während sie in Wirklichkeit Sympathisanten Sarkozys seien. Deswegen komme umso leichter ein signifikatives Ausmaß an "Zustimmung auch unter Linkswählern" zusammen. [4] Ebenso wurden in der linksliberalen Tageszeitung ,Libération' vergleichbare Zweifel über die Glaubwürdigkeit dieser Umfrage angemeldet. Ähnlich argumentierte auch die algerische Tageszeitung ,Liberté': "Umfragenmanipulation - (Das Institut) IFOP faschisiert Frankreich"[5].

Deshalb glauben manche Stimmen, es sei noch zweifelhaft, ob es wirklich eine ernsthafte Zustimmung in (breiten Teilen) der Gesellschaft zu den neuesten Vorstößen der Regierungsrechten gebe, bleibe bisher noch fraglich.

Allerdings schreibt die Pariser Abendzeitung ,Le Monde' auch, der Elysée-Palast habe - bevor Sarkozy seine Brandrede am 30. Juli in Grenoble hielt - selber zuvor die umstrittenen Vorschläge in drei (nicht offiziellen) Umfragen beim Publikum "testen" lassen. Heraus gekommen sei ein vergleichbares Maß an Zustimmung.

Die regierende Rechte jedenfalls kennt keinerlei Hemmungen darin, sich auf die öffentliche Meinung zu berufen, die angeblich voll auf ihrer Seite stehe - mit Ausnahme einer linksliberalen Schickeria aus Intellektuellen oder Kultur-Yuppies. Wobei sie Schickeria-Tpen wie den konformistischen Fernseh"philosophen" BHL (dessen Vermögen wird auf 150 Millionen Euro geschätzt, die sein Vater durch das Abhoolzen der Wälder in Kamerun und der Elfenbeinküste anhäufte) im Blick hat, die ihr eine Steilvorlage für solcherlei Hetze liefern. Der Sprecher der Regierungspartei UMP, Frédéric Lefebvre alias "Sarkozys Pitt-Bull", schimpfte entsprechend über "eine kleine Kaste in Politik und Medien", die das Volk nicht verstehe und sich in "Innere Sicherheits"fragen der Mehrheitsmeinung entgegenstemme [6]. Dieselben Ausdrücke hatte er schon bei anderer Gelegenheit, ein Jahr früher, benutzt [7].

Noch besteht kein zweifelsfreier Aufschluss über das Meinungsklima im Lande. Auch ist noch nicht gesichert, ob die Sicherheitskampagne einen Teil der öffentlichen Meinung von den Korruptionsaffären der regierenden Bürgerlichen - in Verbindung mit Superreichen - ablenken kann und wird, oder ob der durch Letztere genährte Zweifel sich dennoch durchsetzt. Oder aber, dritte und schlechteste Alternative, ob die durch Erstere genährten Ressentiments und die Wut über Letztgenannte sich zu einem rechten "Volkszorn" in Teilen der Gesellschaft vermengen. Das Regierungslager tut jedenfalls alles dafür, dass, wenn es denn an Zustimmung verlieren sollte, eine Opposition sich allenfalls rechts von ihm formieren soll: Nach seinem Kalkül können die Rechtsextremen allein keinen Regierungswechsel herbeiführen, es sei denn im Bündnis mit Konservativen, im Gegensatz zur Sozialdemokratie und der Linksopposition. Wenn das nur nicht zu einem bösen Erwachen führt...

Protest

Bürgerrechtsgruppen, Antirassismusinitiativen, NGOs und Andere - insgesamt 48 Organisationen - rufen für den 04. September zu einer gemeinsame Demonstration gegen die Repressionspläne der Regierung auf. Ihr gemeinsamer Aufruftext findet sich u.a. hier externer Link

Bernard Schmid, Paris, 10.08.2010


1) Vgl. http://abonnes.lemonde.fr/politique/article/2010/08/06/comment-nicolas-sarkozy-a-prepare-l-offensive-securitaire_1396231_823448.html externer Link

2) Vgl. http://abonnes.lemonde.fr/idees/article/2010/08/04/les-trois-erreurs-de-nicolas-sarkozy_1395439_3232.html externer Link

3) Vgl. http://www.lejdd.fr/Politique/Actualite/Le-verbe-dur-mais-la-main-molle-212389/ externer Link

4) Vgl. http://www.lepost.fr/article/2010/08/06/2176211_ah-les-sondages.html#xtor=EPR-275-%5BNL_732%5D-20100807-%5Bmedias-web%5D externer Link
oder
http://www.lepost.fr/article/2010/08/06/2175794_securite-plebiscite-des-annonces-de-la-majorite-ca-reste-a-prouver.html#xtor=EPR-275-%5BNL_732%5D-20100807-%5Bpolitique%5D
externer Link
sowie
http://www.rue89.com/yeti-voyageur/2010/08/06/le-sondage-du-figaro-enterre-le-principe-de-democratie-161215
externer Link

5) Vgl. http://www.liberte-algerie.com/edit.php?id=140616 externer Link

6) Vgl. http://abonnes.lemonde.fr/politique/article/2010/08/09/securite-la-majorite-poursuit-son-offensive_1397050_823448.html externer Link

7) Vgl. http://www.liberation.fr/politiques/0101597971-lefebvre-charge-le-petit-monde-politico-mediatique externer Link


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