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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Alternativkonzepte: Echt und weniger echt... "Vertreter von Alternativkonzepten zur herrschenden Wirtschaftsordnung haben es, auch in Zeiten der Finanzkrise, nicht leicht. Werden ihre Vorschläge einmal nicht in der breiten Medienöffentlichkeit totgeschwiegen oder politisch marginalisiert, dann müssen ihre Verfechter sich gegen "Markenfälschungen" wehren - also gegen politische Konzeptionen, die zwar das Etikett, aber nicht den Inhalt übernehmen. Dies droht im Augenblick der Nichtregierungsorganisation ATTAC..." so beginnt der Artikel "Mühen der « Globalisierungskritik » in Zeiten der Krise" von Bernard Schmid vom 25. September 2009 (Vom Autor überarbeitete Fassung eines Artikels für das Neue Deutschland). Mühen der « Globalisierungskritik » in Zeiten der Krise ATTAC in Frankreich, Sarkozy/Kouchner und die Retter der Bankenmafia - Vor Nachahmungen und Fälschungen (der Alternativkonzepte) wird gewarnt Überarbeitete Fassung eines Artikels, der für die Tageszeitung ,Neues Deutschland' (Europa-Seite) verfasst wurde Vertreter von Alternativkonzepten zur herrschenden Wirtschaftsordnung haben es, auch in Zeiten der Finanzkrise, nicht leicht. Werden ihre Vorschläge einmal nicht in der breiten Medienöffentlichkeit totgeschwiegen oder politisch marginalisiert, dann müssen ihre Verfechter sich gegen "Markenfälschungen" wehren - also gegen politische Konzeptionen, die zwar das Etikett, aber nicht den Inhalt übernehmen. Dies droht im Augenblick der Nichtregierungsorganisation ATTAC, die 1997/98 zunächst in Frankreich entstanden ist, aber inzwischen in einer Reihe von Staaten - von Deutschland bis Tunesien - ihre "Ableger" aufweist. Gut 200 ihrer Vertreter aus insgesamt 17 europäischen Ländern kamen von Freitag bis Sonntag vergangener Woche (18? Bis 20. September) an der Universität Paris-X in Nanterre, vor den Toren der französischen Hauptstadt, zusammen. Das europaweite Treffen sollte in einer Reihe mit den grenzüberschreitenden "Sommerakademien" des ATTAC-Netzwerks in den vergangenen Jahren stehen: 2006 war man in Weimar zusammengetroffen, 2007 in Toulouse und 2008 in Berlin. In über 15 Arbeitsgruppen wurde über verschiedene Themen wie den Klimawandel, die Zukunft der EU - kurz vor dem zweiten Referendum in Irland über den Lissabonner Vertrag - oder die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen (gegen die diese Woche bei der französischen Post massenhaft gestreikt wird) diskutiert. Aber im Zentrum stand logischer Weise die seit anderthalb Jahren ausgebrochene Finanz- und Wirtschaftskrise, im Vorfeld des G20-Gipfels in Pittsburgh am Donnerstag und Freitag dieser Woche. ATTAC hat es seit Ausbruch dieser Krise in Frankreich nicht immer leicht gehabt, sich Gehör zu verschaffen. Zwei mal rief das Netzwerk zu Demonstrationen auf, am 15. November 2008 vor der Pariser Börse und anlässlich des letzten G20-Gipfels, der Anfang April in London stattfand. Es kamen in Paris aber jeweils nur maximal 500 Personen. Während viele Menschen sich vor den möglichen Auswirkungen der Krise fürchten - und im Januar sowie im März Millionen an frankreichweiten Gewerkschaftsdemonstrationen zur Krisenpolitik teilnahmen -, ist zugleich der Glaube an konkrete Alternativkonzepte bislang nur schwach ausgeprägt. Zudem hat ATTAC es schwerer, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, seitdem es 2006 auf und nach dem Kongress in Rennes zu einer politischen Spaltung kam. Die Anhänger einer stärkeren Aufwertung der Souveränität des Nationalstaats und/oder der EU - als Krisenregulierer, die stärker in dar Marktgeschehen eingreifen sollen - und jene einer außerstaatlichen Orientierung, die eher auf die internationale Vernetzung sozialer Bewegung setzen, standen sich dort gegenüber. Infolge eines spannungsgeladenen Kongresses, auf dem Vorwürfe wegen Wahlbetrugs bei der Leitungswahl laut wurden - ein Gericht stellte soeben das Strafverfahren diesbezüglich ein (vgl. dazu auch: http://www.mediapart.fr/club/blog/philippe-corcuff/180909/fraude-electorale-attac-elements-d-information-et-epilogue-judicia ) -, spaltete sich ein Teil des Netzwerks, eher der institutionellere Flügel, unter dem Namen M'PEP (ungefähr: "Bewegung für Volksbildung") um den Ex-ATTAC-Vorsitzenden Jacques Nikonoff ab. Eine der wichtigsten Gründungsideen bei Entstehung der französischen NGO in den Jahren 1997/98, die sich von Anfang an eine Kritik an weltwirtschaftlichen Strukturen und am Finanzkapitalismus auf die Fahnen schrieb, beruhte auf der Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen. Diese spezifische Steuer, die nach dem US-amerikanischen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften James Tobin benannt wurde, sollte es ermöglichen, jedenfalls bestimmte Auswüchse des Finanzkapitalismus einzudämmen - indem jene Kapitalflüsse, die auf häufigen Transaktionen zu reinen Spekulationszwecken beruhen, verteuert würden .Und sie sollte Geldmittel freimachen, die in die "Entwicklung" von Ländern der so genannten Dritten Welt - und zugunsten der Reduzierung struktureller wirtschaftlicher Abhängigkeit ihrer Länder - investiert werden sollten. Nun hat auch das französische, und britische, politische Establishment diese Idee entdeckt und erstmals ihre Anwendung reklamiert. Nur ist nicht alles Gold, was glänzt. - Anfang vergangener Woche forderte etwa der französische Außenminister Bernard Kouchner die Einführung einer Variante der so genannten Tobin-Steuer. Doch ihre Höhe fiele - in der Fassung, die er vorschlägt - lächerlich gering aus: Kouchner sprach von beispielsweise 0,005 % pro finanzieller Transaktion. Er erwähnte, dass "London ebenfalls mit dem Prinzip einverstanden" sei. ¨ Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy seinerseits regte kurz vor dem Pittsburg-Gipfeltreffen an, eine Abart der Tobin-Steuer einzuführen. Dabei folgte er einem Vorschlag, den der britische Lord Adair Turner - der Vorsitzender einer Aufsichtsbehörde für das Finanzwesen, FSA - im August der Öffentlichkeit unterbreitet hatte. Sarkozy möchte ihn nun auf dem G20-Gipfel, beim dort stattfinden "Forum für Finanzstabilität", debattieren. Bislang sind allerdings weder die EU-Kommission noch die deutsche Regierung unter Angela Merkel mit dem Vorstoß einverstanden. Im Unterschied zum bisherigen ATTAC-Konzept soll die Steuer à la Sarkozy allerdings nicht dazu dienen, die Entwicklung armer und benachteiligter Ländern zu fördern; sondern dazu, einen Fonds zu alimentieren, um "in Not" geratene Banken und Finanzinstitute mit dessen Hilfe wieder flott zu machen. (Vgl. auch: http://www.planetenonviolence.org/G20-Sarkozy-Veut-Recuperer-La-Taxe-Tobin-Pour-Aider-Ses-Amis-Banquiers_a2014.html ) Darauf dürften nun die vereinten Bemühungen von Sarkozy, Kouchner und der politischen Klasse in London hinauslaufen, falls der G20-GIpfel ihnen denn folgt. Unterdessen wehrt sich ATTAC aber gegen diese Vereinnahmung. Die NGO erinnert daran, dass die Ausgangsidee von James Tobin - im Gegensatz zu dem, was Bernard Kouchner vorschlug - eine Steuer in Höhe von 0,5 bis 1 Prozent pro Finanztransaktion, also in nicht nur rein symbolischer Höhe, beinhaltet. Auch soll die Steuer in ihrer ursprünglichen Konzeption dazu dienen, humane und soziale Entwicklungsziele zu befördern - und nicht dazu, die angeschlagene Finanzwirtschaft zu sanieren. Zugunsten dieser Idee möchte ATTAC nun wieder in die Offensive kommen. Am Montag lancierte die französische Sektion des Netzwerks zudem mit drei anderen, in der Entwicklungspolitik aktiven NGOs und mit vier Gewerkschaften (CGT, CFDT, SUD, SNUI) eine Kampagne gegen "Steuerparadiese" und Geldwäsche durch Großunternehmen. Die Akteure dieser Kampagne erinnern daran, dass ausnahmslos alle führenden französischen Unternehmen und Banken, die dem Aktienindex CAC40 angehören, in als "Steuerparadies" geltenden Ländern eigene Filialen unterhalten. (Vgl. http://www.humanite.fr/2009-09-22_Politique-_-Social-Economie_Syndicats-et-ONG-montent-au-paradis ) Vgl. zu der Tagung und den aktuellen Aktivitäten von ATTAC in Frankreich auch: http://www.regards.fr/article/?id=4263&q=category:1001 http://www.oid-ido.org/article.php3?id_article=1031 - http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?pfach=1&n_firmanr_=109361&sektor=pm&detail=1&r=382585&sid=&aktion=jour_pm&quelle=0 Bernard Schmid, 25. September 2009 |