letzte Änderung am 14.Oktober 2003

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NEUE AUSLÄNDERGESETZE IN DER BERATUNG

1. Arbeitspolitik auf Kosten von Einwanderern

„Den schlimmsten Gesetzestext, der in Frankreich seit 1945 hervorgebracht wurde“ nennt Michel Tubiana, der Vorsitzende der traditionsreichen Liga für Menschenrechte (LDH), den derzeit beratenen Entwurf zur Neuregelung der Ausländergesetze. Dieser sieht eine Reihe von Verschärfungen vor, schränkt etwa das Recht auf Familienzusammenführung ein, und trägt zur "Destabilisierung" der im Land lebenden Immigranten bei, indem er die Fristen für die Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltsrechts zum Teil deutlich verlängert (siehe Zusammenfassung unten). Nur zwei Tage hatte die Nationalversammlung - das parlamentarische „Unterhaus“ ­ im Juli benötigt, um die von Innenminister Nicolas Sarkozy im Frühjahr vorgestellte Gesetzesvorlage in erster Lesung durchzuwinken. Doch Ende September brach die Debatte über den Entwurf doch noch an. Damals schlug die Gruppe Gisti (Beratungs- und Unterstützungsgruppe für Immigranten), eine vor allem aur Rechtsberatung und Analyse der Gesetzentwicklung spezialisierte Initiative, Alarm.

Von der Öffentlichkeit und selbst den Solidaritätsinitiativen für Immigranten völlig unbemerkt, war während der parlamentarischen Beratung im Juli ein wichtiger Änderungsantrag durchgekommen. Bereits bisher war die Beschäftigung ausländischer Staatsbürger, die „illegal“ in Frankreich leben, strafbar ­ für den Arbeitgeber. Dieser riskierte bislang theoretisch eine Strafe von 4.500 Euro Geldstrafe und bis zu drei Jahren Haft, die aber in der Praxis nur sehr selten verhängt wurde. Der Beschäftigte dagegen wurde bisher eher als Opfer dieser Straftat betrachtet, da er unter ungeschützten Bedingungen und ohne soziale Absicherung arbeiten muss. Nach dem Änderungsantrag, der vom konservativen Rechtsaußen Thierry Mariani eingebracht und daraufhin durch Innenminister Sarkozy im Parlament unterstützt worden war, sollte sich dagegen künftig auch der Ausländer strafbar machen. Ihm wurden 3.750 Euro Geldstrafe und drei Jahre Aufenthalts- und Wiedereinreiseverbot in Frankreich angedroht.

Dies hätte vor allem eine dramatische Folge gehabt: Kein schwarz arbeitender, weil „illegaler“ Immigrant hätte sich mehr getraut, seinen Arbeitgeber wegen unbezahlter Löhne oder nach einem Arbeitsunfall zur Anzeige zu bringen. Die perfekte Lösung für das alte Problem, dass der Staat als ideeller Gesamtkapitalist das Elend der „Dritten Welt“ aus dem Land halten, so mancher Einzelkapitalist aber durchaus gern über „illegale“, also billige, Arbeitskraft verfügen will. Ein Kompromiss, der geradezu zukunftsweisend ist: Die Sklaverei ist schließlich auch eine Organisationsform der multikulturellen Gesellschaft.

Bisher konnte ein, auch „illegaler“, Immigrant sich im Fall der Nichtbeachtung seiner Rechte an die inspecteurs du travail ­ eine Art Arbeitsschutzdezernenten ­ wenden, immer noch auf die Gefahr hin, den Job los zu sein. Doch die Neufassung der Gesetzbegung hätte die inspecteurs du travail amtlich verpflichtet, den betreffenden Immigranten selbst zur Anzeige zu bringen. Dagegen liefen diese Untergebenen des Arbeitsministeriums in der vergangenen Woche Sturm. So sehr, dass auch ihr vorgesetzter Minister François Fillon sich gegen die neue Bestimmung wandte ­ über die er um so mehr verärgert war, als sein Ministerkollege Sarkozy ohne Absprache in sein Ressort eingriff.

Als Mitte voriger Woche die Gesetzesdebatte im Senat, dem „Oberhaus“ des Parlaments begann, drohte der Streit sogar die bürgerliche Rechte zu spalten. In der Nacht zum Freitag (10. Oktober) wurde dann in letzter Minute ein Kompromiss gefunden. Mit Zustimmung des Innenministers wurde der strittige Gesetzesartikel wieder entfernt. Allerdings wurde stattdessen der Passus über den Entzug befristeter Aufenthaltstitel verschärft. Demnach droht künftig jedem Migranten, der über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht verfügt ­ etwa weil er im Asylverfahren steckt ­ und der schwarz arbeitet, der Entzug des Aufenthaltstitels mit sofortiger Wirkung. Damit kann er abgeschoben werden. Auch dies dürfte dafür sorgen, so manche migrantische Arbeitskraft willfährig zu halten ­ allerdings nicht die, die ohnehin keine Aufenthaltspapiere besitzen: Sie haben auch keine zu verlieren.

2. Sonstige Bestimmungen der neuen Ausländergesetze

Die sonstigen Bestimmungen des neuen Gesetzespakets sollen hier kurz vorgestellt werden. Sie wurden in der Nacht vom 9. zum 10. Juli dieses Jahres in erster Lesung durch die Nationalversammlung ­ das „Unterhaus“ des französischen Parlaments ­ angenommen. Nun muss erst noch der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, zustimmen; im Anschluss gibt es eine zweite und dritte Lesung. Das ist allerdings vorwiegend Formsache, da die Mehrheiten in beiden Kammern feststehen. Es handelt sich nur um die jüngste Änderung am Dekret vom 2. November 1945, dem Grundlagentext zu den Rechten und Pflichten der in Frankreich lebenden ausländischen StaatsbürgerInnen. Nach über 30 größeren Änderungen stellt der Text ohnehin ein riesiges Flickwerk dar, das je nach politischer Korrektur hin- und hergebogen wird. Nach jeder Änderung der parlamentarischen Mehrheit wird an dem Text herumgedoktort - wenn die Rechte die Mehrheit erringt, im Sinne einer repressiven Verschärfung, und bei einer Regierungsübernahme durch die Sozialdemokratie im Sinne einer gewissen Lockerung (…wobei die Linksparteien selten alle Verschärfungen zurücknehmen, welche die Rechte vorher eingeführt hatten, sondern immer nur einen Teil davon). Die zuvor regierenden, etablierten Linksparteien hatte die Ausländergesetze zuletzt im Mai 1998 verändert. Die Konservativen haben nun ihrerseits wieder Hand an sie gelegt.

3. Abschiebehaft

Eine der wichtigen Bestimmungen des Gesetzes ist die Verlängerung der Höchstdauer der Abschiebehaft. Sie betrug bisher zwölf Tage. Ursprünglich sahen die Pläne des Innenministeriums eine Verlängerung auf 60 Tage vor, doch der Conseil d’Etat (Staatsrat), also das oberste Verwaltungsgericht, widersprach in den letzten Apriltagen. Nun sieht das neue Gesetzt eine Ausdehnung auf 32 Tage Höchstdauer vor. Die Mehrzahl der EU-Länder erlaubt bisher eine längere Abschiebehaft als Frankreich. Deutschland zählt mit einer zulässigen Höchstdauer von bis zu 18 Monaten (Verlängerungen eingeschlossen) zu den Spitzenreitern. In Frankreich hatte bisher der Verfassungsgerichtshof eine Verlängerung verhindert. 1993 erklärte er noch eine Verlängerung über zehn Tage hinaus für unzulässig. Abschiebegewahrsam gilt in Frankreich juristisch nicht als Haft. Die Rechtsgarantien, auf die sich Straf- oder Untersuchungshäftlinge berufen können, sind nicht anwendbar. Das gilt nicht nur für eventuellen Freigang, sondern vor allem auch für Angehörigen- und sogar Anwaltsbesuche (die nicht unmöglich sind, aber stärkeren Hindernissen unterliegen als im „normalen“ Gefängnis).

Den französischen Verfassungsrichtern zufolge hat der Abschiebegewahrsam ausschließlich der unmittelbaren Vorbereitung der erzwungenen Abreise zu dienen. Unzulässig ist es hingegen, ihn zur Verwahrung von Personen zu benutzen, von denen man befürchtet, dass sie sich dem staatlichen Zugriff entziehen und als so genannte illegale Einwanderer ihr Leben fristen. Dazu wird er in anderen EU-Ländern faktisch oft eingesetzt. Tatsächlich werden 85 Prozent der real erfolgenden Abschiebungen in der ersten Woche des Gewahrsams vorgenommen. Danach erhöht sich die Zahl nur noch unwesentlich. Was den Hardlinern der französischen Innenpolitik aber Sorge bereitete, ist die Situation, wenn das vermeintliche Herkunftsland die "Rücknahme" eines angeblichen Staatsbürgers verweigert. Um auch in diesen Fällen die Ausreise erzwingen zu können, wollte das Innenministerium nun die Gewahrsamsdauer ausdehnen. Claire Rodier vom GISTI ­ einer Rechtsberatungsgruppe für Immigranten - vermutet, dass im Hintergrund Absprachen mit Regierungen in der so genannten Dritten Welt getroffen werden. Es deute sich etwa an, dass der Senegal bereit sei, auch mal ein Auge zuzudrücken, wenn dorthin Abgeschobene gar keine senegalesischen Staatsbürger sein sollten.

4. Kollektivabschiebungen

Die seit März 2003 regelmäßig zu Kollektivabschiebungen dienenden Charterflüge will Innenminister Sarkozy auch künftig verstärkt einsetzen. Er rechnete den Abgeordneten der Pariser Nationalversammlung stolz vor, im ersten Trimester des laufenden Jahres (Januar bis März) seien 7 000 unerwünschte Immigranten per Flugzeug oder per Schiff abgeschoben worden. Auf das Jahr hochgerechnet, komme man auf rund 30 000 Abschiebungen, was der jährlichen geschätzten Zahl der "illegalen" Einwanderer entspreche. "Wenn wir es schaffen, jedes Jahr die gleiche Zahl von Personen abzuschieben, so könnten wir die Situation zumindest stabilisieren", führte Sarkozy aus.

In einem Interview in der konservativen Tageszeitung „Le Figaro“ vom 30. April 03 fügte er hinzu: "Wir werden weiter gehen, indem wir jeden Monat die Zahl der abgeschobenen Sans-papiers (…) veröffentlichen, auf die gleiche Art, wie wir jeden Monat die Kriminalitätszahlen publizieren." Die Polizei muss seit dem Amtsantritt Sarkozys vor einem Jahr monatlich ihre Erfolgsstatistiken bei der Verfolgung von Straftätern publizieren, angeblich um zu beweisen, dass die Politik der Härte die Kriminalitätsrate senkt.

5. Zugleich: Verbesserung der Situation straffälliger Ausländer

Es liegt nahe, Sarkozy als reaktionären Scharfmacher zu kritisieren. Aber das reicht nicht aus, um seine Politik hinreichend zu charakterisieren. Der Mann, der längst davon träumt, bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2004 als Kandidat der bürgerlichen Rechte für die Nachfolge Jacques Chiracs anzutreten, kennt die Notwendigkeit eines ausgeglichen wirkenden Erscheinungsbildes. So überholt er seine Amtsvorgänger zugleich „von rechts“ wie auch „von links“. Sarkozy schlug in seinem Gesetzentwurf nämlich etwas vor, und setzte es dann ­ in den letzten Wochen ­ auch gegen innere Widerstände im konservativen Lager durch, woran die Sozialisten in ihrer Regierungszeit (1997 bis 2002) kaum zu denken wagten. Auch wenn linke Basisorganisationen und Menschenrechtsgruppen es immer wieder forderten, kam es von den regierenden Linksparteien nie dazu ­ Sarkozy hat es jetzt gemacht: Nach seinem neuen Gesetz soll die berüchtigte „double peine“ (Doppelbestrafung) weitgehend abgeschafft werden. Doppelbestrafung bedeutet, dass ein Immigrant, wenn er eine der weit über 200 Straftaten begeht, die auf einer speziellen Liste erfasst sind, in der Regel nicht nur zu einer Haftstrafe verurteilt wird - wie französische Gesetzesbrecher auch - sondern zusätzlich abgeschoben wird. Meist wird er dadurch gleich dreifach bestraft, denn aufgrund des Verdachts, er könne sich der drohenden Ausweisung entziehen, werden ihm systematisch der Freigang und eine vorzeitige Haftentlassung gestrichen.

Die Anwendung der „double peine“ führte zu offensichtlichen Ungerechtigkeiten, wenn Familien auseinander gerissen und Einwanderer, die seit ihrer Kindheit in Frankreich lebten, in ein ihnen unbekanntes Herkunftsland verfrachtet wurden. 1998 fand deswegen in Lyon ein Aufsehen erregender Hungerstreik statt. Die damalige sozialdemokratische Regierung unter Lionel Jospin reagierte bestenfalls mit herablassender Rhetorik. Jetzt hatte ausgerechnet der konservative Hardliner Sarkozy die Notwendigkeit einer Veränderung erkannt, angesichts immer wieder ausbrechender Proteste und dramatischer Schicksale. Es handelt sich um eine innenpolitische Frontbegradigung, die der Innenminister in der jüngsten Parlamentsdebatte am 9. Juli so benannt hat: „Dieses Thema, das seit Jahren für Debatten sorgt, war zum Symbol für die (Anm.: gemeint ist eigentlich: die angebliche) Großzügigkeit der Einen“, gemeint sind die linken und intellektuellen Kritiker der Anwendung der Doppelstrafe, „und für die Unmenschlichkeit der Anderen geworden“. Damit sollte jetzt also Schluss sein. „Wir benötigen die double peine nicht, um die Unsicherheit zu bekämpfen und der Einwanderungsströme Herr zu werden“, fügte Sarkozy hinzu. Tatsächlich hatten sich am Symbol der „double peine“ viele Mobilisierungen aufgehängt; zuletzt fand am 10. Mai dieses Jahres in Paris, auf der Place de la République, ein ­ kostenloses ) „Konzert gegen die Doppelstrafe“ mit mehreren Zehntausend BesucherInnen statt.

Die Neufassung der Ausländer- und Strafgesetze sorgt nunmehr dafür, dass bestimmte Kategorien von Ausländern gesetzlich gegen der Anwendung der „double peine“ geschützt sind. Ausgenommen von der Möglichkeit der „Doppelbestrafung“ sind somit nunmehr:

Zu einem früheren Zeitpunkt, also vor Inkrafttreten des Gesetzes, abgeschobene Personen dürfen nunmehr nach Frankreich zurückkehren, wenn sie in eine dieser Kategorien fallen. Innenminister Sarkozy bezeichnete es als „nicht nur ungerecht und hart ­ da die Kinder nichts für die Straftaten ihrer Väter können -, sondern auch wirkungslos“, wenn in solchen Fällen Familien auseinander gerissen würden. Dies, da „der Ausländer sowieso illegal nach Frankreich zurückkommt, um mit seinen Familienmitgliedern zusammen zu leben“ ­ das hat die Praxis in der Tat bewiesen. Aber es auch gibt auch eine Ausnahme von der Ausnahme: Der Schutz entfällt, wenn der ausländische Staatsbürger als „terroristisch“ qualifizierte Straftaten begangen, oder sich der „Verletzung fundamentaler Staatsinteressen“ schuldig gemacht hat. Dennoch hatten sich mehrere Dutzend Parlamentsabgeordnete der Rechten (der konservativen Einheitspartei UMP) zusammengefunden, die repressive Änderungsvorschläge zu der neuen Bestimmung vorlegten. So sollten einige zusätzliche Ausnahmen aufgenommen werden, die den Schutz gegen die „double peine“ entfallen lassen würden ­ so bei schweren Straftaten wie beispielsweise im (immer wieder erwähnten) Falle von Drogenhandel. Die längere Rede von Innenminister Sarkozy und der Druck einiger führender UMP-Politiker brachten sie dazu, ihre Anträge zurückzuziehen. Der Abgeordnete vom rechten Flügel der Konservativen, Thierry Mariani ­ der mit der Vorstellung des gesamten Textentwurfs betraut worden war -, bisher bekennender Befürworter der „double peine“, brach sich sogar vor den Abgeordneten geradezu einen ab, um seinen Sinneswandel zu erläutern. Die Herangehensweise habe sich nunmehr umgedreht, erklärte er den Parlamentariern, man müsse künftig „nicht mehr von der Schwere der Straftat ausgehen, sondern von der Person“. Am Ende stimmten alle Parlamentsfraktionen ­ die beiden konservativ-liberalen Parteien UMP und UDF, die Sozialdemokratie, die Grünen und die KP ­ einstimmig für die vorgeschlagene Eindämmung der „double peine“. Hoffentlich ist damit auch eine gewisse Mentalitätsänderung, mit Wirkung hinein in die Gesellschaft, verbunden.

6. Aber auch: Destabilisierung bisher fest etablierter Einwanderergruppen

Das alles hinderte Innenminister Sarkozy ihn allerdings nicht daran, ansonsten in seinem neuen Gesetzentwurf auch den Status von fest etablierten Einwanderern in Frage zu stellen. So ist vorgesehen, dass diese Gruppe die zehnjährige Aufenthaltserlaubnis künftig nicht mehr nach drei, sondern erst nach fünf Jahren erhält. In dieser Zeit müssen sich die Immigranten jedes Jahr um eine befristete Erlaubnis bemühen. Die so genannte „Zehn-Jahres-Karte“ berechtigt zum unbefristete Aufenthalt, da sie ­ außer bei schweren dagegen stehenden Gründen ­ automatisch verlängerbar ist. Bisher wurde sie, nach drei Jahren legalen Aufenthalts mit befristeten Titeln, automatisch vergeben. Jetzt müssen die Einwanderer, nach Ablauf der fünf Jahre, ihre „Integration in die französische Gesellschaft“ nachweisen. Wenn der Verdacht auf eine "Scheinehe" besteht, soll künftig der Bürgermeister die Eheschließung aussetzen und den Staatsanwalt einschalten können. Das Eingehen einer solchen Ehe würde als Straftat geahndet werden. Im Falle einer Eheschließung zwischen einem/r französischen und einem/r ausländischen Partner(in) kann der ausländische Teil nunmehr erst nach zwei Jahren die zehnjährige (d.h. unbefristete) Aufenthaltserlaubnis oder die französische Staatsbürgerschaft beantragen. Bisher war dies nach einem Jahr der Fall. Auch die Anerkennung einer Vaterschaft wird bei ausländischen Bewerbern in Zukunft von noch mehr Misstrauen begleitet. Wenn sich ein Betrugsverdacht bestätigt, soll der Aufenthaltstitel verweigert werden. Mit den neuen Bestimmungen zu Eheschlüssen und Vaterschaft wird nicht nur ein Verdächtigungspotenzial geschaffen, sondern vor allem wird eine bedeutende Macht in die Hände örtlicher Verwaltungen gelegt, wobei einige Bürgermeister sich als repressive Hardliner werden bewähren wollen. Ferner soll die Beihilfe zu illegaler Einreise oder illegalem Aufenthalt (noch) rigoroser bestraft werden. Das kann halbmafiöse Netzwerke treffen, aber auch Menschen, die aus humanistischen oder antirassistischen Motiven handeln. Darauf drohen theoretisch bis zu zehn Jahre Haft, falls der Strafrahmen voll ausgeschöpft wird. (Innenminister Sarkozy hat bisher in der Öffentlichkeit versichert, es gehe ihm dabei nicht um Personen, die aus idealistischen oder humanistischen Motiven handeln. Das Gesetzeswerk erlaubt freilich prinzipiell auch ihre Strafverfolgung.) Nicht zuletzt wird auch die Familienzusammenführung erschwert. Bisher erhielten, im Zuge des gesetzlichen Rahmens der Familienzusammenführung eingereiste, Familienmitglieder automatisch die Zehn-Jahre-Aufenthaltserlaubnis. Dieser Automatismus entfällt künftig. Die Familienmitglieder können jetzt nach 5 Jahren eine eigene Aufenthaltserlaubnis beantragen, unter der Bedingung, dass sie ihre „hinreichende Integration in die französische Gesellschaft“ nachweisen ­ wieder eine dieser Gummibestimmungen, die als Drohungsinstrument eingesetzt werden kann. Die Bürgermeister haben künftig ein Wort bei der Familienzusammenführung mitzureden, nach Überprüfung der Wohnbedingungen des in Frankreich lebenden Familienmitglieds. Und falls ein ausländischer Staatsbürger seine Familie außerhalb des gesetzlichen Rahmens nachholt, was bisher vorkam, dann droht ihm künftig selbst der Verlust seines Aufenthaltsrechts auf französischem Boden.
Bernhard Schmid, Paris

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