letzte Änderung am 30. Oktober 2003

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Eine linke Demonstration am 14. Juli 2003 in Paris !

Fotos und Kommentare von Bernard Schmid

Das hat es seit langem nicht gegeben: Seit vielen Jahren hat keine linke Demonstration am oder um den 14. Juli in Paris stattgefunden. Denn am französischen Nationalfeiertag wird zwar des Sturms auf die Bastille gedacht ­ aber die Medien haben an diesem Tag gewöhnlich nur Augen und Ohren für die Militärparade auf den Champs Elysées. Und ohnehin ist die Hauptstadt um diese Jahreszeit oft schon den TouristInnen überlassen.


Vorgeschichte der 14. Juli-Demokultur

Vor wenigen Jahrzehnten noch hat die französische KP am 14. Juli mehr oder machtvolle Demonstrationen veranstaltet, um an die ursprünglich revolutionäre Dimension dieses Tages im Jahr 1789 zu erinnern - zunehmend aber auch, um "die Nation von links zu besetzen". So noch in den 50er Jahren; die damaligen Demonstrationen wurden jüngst zum Thema, durch Buchveröffentlichungen über den "blutigen 14. Juli". Es geht um von 1953, bei dem die Pariser Polizei acht Algerier erschoss, die aus diesem Anlass (innerhalb der Demonstration der vereinigten Linken) die Unabhängigkeit ihres Landes fordern wollten.

Doch diese Tradition hat sich längst verflogen. Die letzten bedeutenden Demonstrationen zum 14. Juli - allerdings kurz vor dem eigentlichen Datum - hatten 1989 stattgefunden. Damals war der eigentliche Jahrestag der Bastille-Erstürmung von den pompösen offiziellen Feierlichkeiten eingenommen, doch die (radikale) Linke organisierte drei Tage davor eine Riesendemonstration für die Unterdrückten von heute, die Dritte Welt usw. Danach aber herrschte an diesem Tag Ruhe an der innenpolitischen Front, sieht man vom Lärm der Militärstiefel auf den Champs-Elysées ab.


Der 14. Juli 2003

Und dann kommt alles anders in diesem Jahr 2003. Zwar ist keine Demonstration genehmigt, sondern nur eine Versammlung auf dem Vorplatz der Bastille-Oper, an der Place de la Bastille. Zunächst, gegen 14 Uhr, scheinen auch gar nicht viele Leute beisammen, allenfalls einige hundert. Das ändert sich schlagartig, als um die 2.000 streikende Kulturschaffende (intermittents du spectacle) eintreffen, auf dem Weg von ihrem Streikzentrum in der Salle Olympe de Gouge im 11. Pariser Bezirk. (Diese Mehrzweckhalle ist nach einer feministischen Revolutionärin aus dem Jahr 1793 benannt.)

Plötzlich kommt Leben in die Menge, die bis dahin passiv in der Hitze zu schmoren schien. Spontan wird der Verkehr auf der Place de la Bastille, wo normalerweise ziemlich viele Autos verkehren, blockiert. Die Polizei lässt gewähren, scheint aber ziemlich überfordert.

Bei Temperaturen von 35 Grad zieht ein flotter Demozug, mit jetzt über 3.000 TeilnehmerInnen, drei Stunden lang durch das Pariser Zentrum. Eine bunte Mischung ballt sich hier zusammen, wie eine Zusammenfassung der sozialen Kämpfe in den letzten Monaten. Linke LehrerInnen haben, obwohl die Schulen Ferien haben, ihre Streiktransparanten aus dem Mai und Juni mitgebracht. Die ausständischen ArchäologInnen kommen, wie im Frühjahr, im Gallierkostüm und mit einem Pferd. Das Gros der TeilnehmerInnen aber stellen die Kulturschaffenden.

Zunächst kommt die Demonstration bis zur Seine in der Nähe der Metrostation Sully-Morland, wo sie durch Polizeikräfte eine gute halbe Stunde lang aufgehalten wird. Nach zähen Verhandlungen setzt sich der Demozug fort, über die nahe gelegene Brücke auf das andere Seineufer, vor dem Institut du Monde Arabe. Die Einsatzleitung der Polizei besteht darauf, dass die Demonstranten dem Flussufer entlang demonstrieren, wo sie am wenigsten "stören" würden, doch nach kurzer Diskussion in der Demo wird anders entschieden. Und so zieht der Zug bis zum Panthéon im vornehmen 5. Bezirk, unweit der Sorbonne, wo er kurzfristig durch die Polizei eingekesselt wird. Am Ende lässt sie die Beteiligten aber ­ einzeln und ohne Transparente oder Aufkleber ­ kurz vor 18 Uhr in Ruhe abziehen.

Am selben Tag hatten auch UnterstützerInnen des linken Bauerngewerkschafters José Bové, der seit dem 22. Juni in Haft sitzt (später wird er, am 1. August, unter Auflagen entlassen werden) die Einsatzkräfte in Amt gehalten. Zunächst hatten sie am frühen Nachmittag die Pyramide des Louvre besetzt. Gegen 18 Uhr dann hissten sie ein Transparent an einem anderen Anziehungspunkt für Touristen, auf der Kathedrale von Notre Dame. Einige der abziehenden Demonstranten vom Panthéon treffen einige hundert Meter weit auf die Bové-Unterstützer, mit denen sie sich zunächst mischen. Die Polizei wird an diesem Abend nervös bleiben, bis alles sich am frühen Abend friedlich auflöst.

Bernhard Schmid

Man kann die nachfolgende Galerie durchblättern durch anklicken der einzelnen Bilder, das dann erscheinende Großformat ist mit Erläuterungen versehen - viel Spaß!















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