letzte Änderung am 26. März 2004

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Spanische Arbeiter und Jugend gegen Aznar: Spontane Massenbewegung brachte die Wende

Miriam Municio ist Generalsekretärin der spanischen Schüler- und Studierendengewerkschaft Sindicato de Estudiantes (SE). Wir befragten sie zu den Aussichten nach der spanischen Parlamentswahl.

Eure Organisation hat seit Jahren die Jugend gegen die Regierung Aznar mobilisiert und den Schulterschluss mit den großen Klassengewerkschaften gesucht. Wie bewertest Du den Wahlausgang vom 14. März?

Die glatte Niederlage von Aznars PP wäre ohne eine massive Mobilisierung der Jugend und der Arbeiterklasse nicht zustande gekommen. Millionen waren unmittelbar vor der Wahl auf der Straße und machten noch einmal ihre Erfahrungen mit der reaktionären Regierung Aznar. Dies - zusammen mit der Erinnerung an Ölpest, Generalstreik 2002, Antikriegsdemos 2003 und massive Verschlechterungen in der Arbeitswelt - wirkte mobilisierend und wahlentscheidend. Aktuelle Analysen belegen: es war nicht die "Mitte", die zu den Sozialisten überlief, sondern es war die massiv angestiegene Wahlbeteiligung in den Arbeitervierteln, die der PSOE den Sieg brachte. Arbeiter, die letztes Mal frustriert und gleichgültig zu Hause blieben, rafften sich diesmal auf und gingen wählen. Jung- und Erstwähler wählten ganz überwiegend links.

Welche Rolle spielte die SE bei den Massenmobilisierungen unmittelbar vor der Wahl?

Gleich nach Bekanntwerden der Terroranschläge am 11. März riefen Leute von überall in unserem Madrider Büro an und fragten, was sie tun könnten. Wir reagierten prompt, gaben über Internet eine Stellungnahme heraus und riefen die Schüler und Studierenden für Freitag 12 Uhr zu Demonstrationen auf. Die Reaktion war eindrucksvoll: 50.000 in Barcelona, 20.000 in Madrid, 10.000 in Salamanca, 10.000 in Gijon, 8.000 in Bilbao, um einige Beispiele zu nennen. Anders als die Führer von PSOE und KP (Vereinigte Linke) weigerten wir uns aber, gemeinsame Aufrufe mit Aznar und Co. zur "Nationalen Einheit" zu unterstützen. Wir griffen Aznars Kriegspolitik als Staatsterrorismus an und wiesen auf seine Mitverantwortung und auch seine Heuchelei hin, weil er und sein designierter Nachfolger Rajoy sich zynisch den schrecklichen Tod von Arbeitern und Arbeiterkindern auf dem Wege in die Betriebe und Schulen zu Nutze machen wollte. Von Stunde zu Stunde wurde klarer, dass die Regierung log. Die scharfe Polarisierung der landesweiten Massendemonstrationen am Freitag nachmittag mit insgesamt 11 Millionen Beteiligten und die spontanen Proteste vor den PP-Büros am Tag vor der Wahl bestätigten unsere Position.

Ihr habt schon 1991 und 2003 massenhaft gegen die US-Kriege im Irak mobilisiert. Wahlsieger Zapatero hat den Truppenabzug versprochen. Bleibt es dabei?

Die neue Regierung Zapatero darf in dieser Frage nicht wieder umfallen und dem Druck von Bush und Blair nachgeben. Wir sind allerdings gut beraten, wenn wir die Mobilisierungen der letzten Tage nicht abblasen, sondern den Druck aufrecht erhalten und wachsam bleiben. Wir fordern den sofortigen Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak, ob mit oder ohne UNO. Am 20. März, dem 1. Jahrestag des Krieges, haben Millionen in aller Welt und Hunderttausend in Spanien dieser Forderung Nachdruck verleihen. Ein spanischer Truppenabzug würde die Antikriegsbewegung in den anderen an der Besatzung beteiligten Ländern sicherlich stärken.

Ihr habt Euch für eine Abwahl der Konservativen engagiert und deren Bildungspolitik massiv kritisiert. Was erwartet Ihr jetzt von der neuen Regierung?

Wir fordern die sofortige Rücknahme der reaktionären Maßnahmen der alten Regierung in Richtung Privatisierung des Bildungswesens und die Einstellung der staatlichen Subventionszahlungen für private Bildungsträger. Religion hat in staatlichen Schulen nichts zu suchen. Wir brauchen eine massive Erhöhung der Bildungsetats und der Ausgaben für die Ausbildungsförderung und freien Zugang zu staatlichen Bildungseinrichtungen für alle zwischen 0 und 18. Die linken Parteien haben insgesamt eine absolute Parlamentsmehrheit und die Arbeiterklasse und Jugend hinter sich. Jetzt fordern wir eine echte linke Politik ein, die sich in handfesten Verbesserungen bei Bildung, Gesundheitswesen, Arbeit und Wohnungen im Interesse der breiten Bevölkerungsmehrheit niederschlagen muß. Durch Druck von unten müssen wir verhindern, daß die neue Regierung Zapatero dem Druck der herrschenden Klasse nachgibt.

Interview: Hans-Gerd Öfinger

Infos: www.sindicatodeestudiantes.org. oder über Tel. 0611.9406969

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