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Updated: 18.12.2012 15:51
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»Normalisierung« in Almeria?

Internationale Delegation nimmt Situation der Landarbeiter in Andalusien und neuerliche Legalisierungskampagne unter die Lupe - von Sissel Brodal

Seit den pogromartigen, rassistischen Ausschreitungen gegen marokkanische Landarbeiter vom Februar 2000 in der Region von Almeria (siehe auch express 6-7/2000) wird die Situation in dieser Provinz Andalusiens vom Europäischen BürgerInnenforum (EBF) genau verfolgt. Vom 5.-12. März diesen Jahres war eine vom EBF organisierte, internationale Delegation mit TeilnehmerInnen aus Deutschland, Österreich, Norwegen und der Schweiz vor Ort, um die aktuelle Situation in dem »Meer aus Plastik« - einem der weltweit größten Anbaugebiete für Gemüse unter Plastik - zu erkunden. Eines ihrer Ziele war es auch, den vom 7. Februar bis zum 7. Mai stattfindenden Prozess der sog. »außergewöhnlichen Normalisierung«, wie offizielle Stellen die jüngste Regularisierung des Aufenthaltsstatus' papierloser ImmigrantInnen bezeichneten, zu beobachten. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Bericht der Delegation über die aktuellen Zustände in Almeria, die Situation der LandarbeiterInnen und Papierlosen sowie die Probleme mit der >Legalisierung light< - letztere fand hierzulande in der Presse ein weitgehend positives Echo und könnte nach Ansicht von Bündnis-Grünen wie Claudia Roth durchaus als Modell für eine Ergänzung der deutschen Zuwanderungspolitik dienen.
Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Delegationsreise möchten wir an dieser Stelle insbesondere auf den Spenden- und Unterstützungsaufruf des EBF für die spanische Landarbeitergewerkschaft SOC (s. S. 11) aufmerksam machen, die in der Region ein Sozial- und Beratungszentrum für die ArbeiterInnen im Zentrum von El Ejido und ein weiteres im rechtlosen Niemandsland zwischen den Plastikplanen und -hütten aufbauen wollen.

Der Auftakt der Reise warf ein bezeichnendes Licht auf die sog. »Normalisierung« der Verhältnisse in Almeria. Gerade als wir dabei waren, die Delegation zusammen zu stellen, informierten uns die FreundInnen von der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SOC (Syndicato de Obreros/as del Campo) über den Mord durch fünf spanische Jugendliche an dem Marokkaner Azzouz Hosni, einem Mitglied der Gewerkschaft, in der Stadt El Ejido. [1]

Das Demonstrationsverbot von El Ejido

Am Sonntag, dem 6. März, sollte in El Ejido eine Demonstration stattfinden. Das SOC und verschiedene MigrantInnen-Organisationen wollten Azzouz Hosni die letzte Ehre erweisen. Gleichzeitig hätte diese Kundgebung dazu dienen sollen, die häufigen Übergriffe gegen Zugewanderte in der Region, die fast immer straffrei bleiben, anzuprangern. Doch dazu sollte es nicht kommen. Bei dem reaktionären Bürgermeister von El Ejido, Mitglied des Partido Popular, handelt es sich um den gleichen betuchten Unternehmer, der bereits während der rassistischen Ausschreitungen vom Februar 2000 eine verhängnisvolle Rolle gespielt hatte. Er erklärte kurzerhand, dass er den von den OrganisatorInnen geplanten Weg für die Demonstration nicht akzeptieren könne. Stattdessen schlug er eine Route vor, die jegliche öffentliche Aufmerksamkeit ausgeschlossen hätte. Der Delegierte der spanischen Zentralregierung in Almeria, ein Sozialist, unterstützte seinen politischen Gegner in El Ejido unter dem Vorwand, dass auf dem Platz, auf dem sich die DemonstrantInnen versammeln wollten, Bauarbeiten im Gange seien. Und tatsächlich war an dieser Stelle wenige Tage vor dem vorgesehenen Datum der Demonstration ein kleines Loch gegraben worden. Das SOC und die anderen Organisationen sagten daraufhin die Demonstration ab und verbreiteten diese Neuigkeit auf Flugblättern und Plakaten. Das Festhalten an einer Demonstration, die als illegal erklärt worden war, hätte für die zahlreichen TeilnehmerInnen ohne Papiere ein zu großes Risiko dargestellt.

Der Sonntag ist auch der Tag, an dem die ausländischen ArbeiterInnen in die Stadt gehen, um nach Hause zu telefonieren. Sie sind dann zahlreich auf den Straßen und in den Cafés vertreten. In dieser Zeit dreht die Polizei per Auto oder hoch zu Ross ihre Runden. Seit dem Beginn der Regularisierung haben sich die Kontrollen verstärkt. Dieses Vorgehen trägt nicht gerade zur Beruhigung der Lage bei. Wer ohne gültige Papiere aufgegriffen wird, riskiert die Abschiebung und verspielt jede Chance, einmal legalisiert zu werden.

Der Mord an Azzouz Hosni geschah am 13. Februar im Stadtzentrum von El Ejido, als er ein Café verließ. In dieser Kaffeestube machte die internationale Delegation Rast. Die Atmosphäre im Raum war angespannt. Doch die Leute im Café wollten über das Geschehene reden. Sie erzählten, dass die Täter dank der Aussagen einiger Zeugen identifiziert werden konnten. Einer der Täter hätte inzwischen gestanden und sei im Gefängnis. Doch die Informationen waren nicht sehr präzise. Es gab Gerüchte von weiteren Übergriffen. Fast alle ImmigrantInnen fürchten sich davor, Klage einzureichen oder als Zeugen aufzutreten, vor allem diejenigen, die keine Papiere haben. Ein junger Immigrant, der dies doch gewagt hatte, wurde abgeschoben, obwohl ihm die Behörden vorher zugesichert hatten, dass dies nicht passieren würde.

Das Ermittlungsverfahren

Als die internationale Delegation beim Delegierten der Zentralregierung in Almeria empfangen wird, versichert er, dass die BürgerInnen von El Ejido keine Rassisten seien. Der Mord an Azzouz Hosni sei kein rassistisches Verbrechen gewesen. Der Täter habe dies selber bestätigt, er könne uns aber über ein laufendes Verfahren keine Auskünfte geben. Er ist etwas verlegen, weil täglich Briefe und Faxe aus dem Ausland bei ihm eintreffen, die verlangen, dass der Mord an Azzouz Hosni rückhaltlos aufgeklärt wird. Die Ermittlungen würden ernsthaft geführt, versichert er uns, er selbst trage die Verantwortung dafür. Die internationalen Medien hätten dem Ruf von El Ejido sehr geschadet, ihm gehe es darum, diesen wieder zu verbessern. Er betont, das Hauptproblem in der Region sei die hohe Anzahl von illegalen Einwanderern: »Das vom Partido Popular ausgearbeitete Ausländergesetz hat nicht genügt, die Einwanderungsflut einzudämmen. Unsere jetzige Regierung hat sich vorgenommen, die Lage zu verbessern, und die >Normalisierung< ist der erste Schritt in diese Richtung.«

Mutige HelferInnen

Es kommt zu einem Treffen mit Mercedes Fornieles von der Organisation »Fortschrittlicher Frauen« (Mujeres Progresistas) in El Ejido, welche die Marokkaner während der rassistischen Ausschreitungen vom Februar 2000 mutig verteidigt hatte. Keine der sechs Frauen, die damals in ihrem Büro arbeiteten, sind in der Stadt geblieben. Das fremdenfeindliche Klima, die täglichen Drohungen und auch Sabotageakte an ihren Autos haben sie zermürbt. Mercedes führt jetzt einen Campingplatz in den umliegenden Bergen. Sie kommt ein paar Tage im Monat in die Stadt, um den Kontakt mit den Leuten zu halten. Bei ihrer Ankunft wird sie jeweils sofort um Hilfe angefragt. Während eines gemeinsamen Essens erhält sie den Anruf eines Mannes, der Mercedes fragt, ob sie ihn zum Polizeirevier begleiten könne, wo er eine Klage einreichen wolle. Die Polizei hatte einen Marokkaner misshandelt.

In der Provinzhauptstadt Almeria teilt die LandarbeiterInnengewerkschaft SOC ein Bürolokal mit anderen kleineren Organisationen. An diesem Ort treffen sich immer viele Leute, die diskutieren und organisieren oder Hilfe und Rat suchen. Durch eine internationale Unterstützungskampagne des Europäischen BürgerInnenforums konnte das SOC den Kauf eines zweiten Lokals, dieses Mal im Stadtzentrum von El Ejido, in Angriff nehmen. In der ersten Zeit geht es darum, eine tägliche Präsenz für die dringendsten Probleme der LandarbeiterInnen zu garantieren. Später werden zusätzlich Telefonkabinen und eine Cafeteria als Treffpunkt eingerichtet, die auch etwas Geld einbringen sollen. Das SOC hat mächtige Gegner in der Region: den Bürgermeister von El Ejido, die Unternehmerschaft, den Großteil der politischen Elite und die rassistischen Banden. Deshalb ist die internationale Unterstützung für die Arbeit des SOC und für die ImmigrantInnen so wichtig, zu welcher die Verbreitung von Informationen in anderen Ländern über die Situation in El Ejido gehört, aber auch, sich vor Ort ein eigenes Bild zu machen und sich bereit zu halten, im Notfall auf verschiedenen Ebenen zu intervenieren.

Das tägliche Leben

Gabriel und Abdelkader, zwei Vertreter des SOC für die Region von Almeria, begleiten die Delegation beim Besuch verschiedener chabolas. Dabei handelt es sich um improvisierte Siedlungen der Immigranten mitten im Gewächshausgebiet. Sie bestehen aus baufälligen Hütten, welche die Bewohner aus Plastikresten und anderem Abfallgut zusammengebastelt haben. Die Bewohner der ersten chabola, etwa fünfzehn Männer aus Marokko, empfangen die Delegation herzlich. Sie zeigen ihren Brotbackofen und ihr Badehäuschen. Beides haben sie mit Behelfsmaterialen gebaut. Sie sind gerade dabei, ein Feuer zu entfachen, um ihre Kleider und sich selbst zu waschen. Es gibt keinen Baum weit und breit. Für ihr Feuer sammeln sie alte Pfähle und anderes Abfallholz in der Umgebung. Einige der Einwanderer haben in ihrer Heimat ein Hochschulstudium abgeschlossen, andere, vor allem die jungen, reden kaum eine andere Sprache als ihren lokalen Dialekt. Es ist sehr schwierig, Spanisch zu lernen, so lange man arbeitslos ist. Nur bei der Arbeit kommt man in Kontakt mit Spaniern.

Der letzte Winter war außergewöhnlich lang und kalt. 15000 Unternehmer, die Gemüse unter Plastik anbauen, taten in den Straßen von Almeria lautstark kund, dass sie 20 Prozent der Ernte verloren hätten. Was sie nicht erwähnten, war, dass sie diesmal den ganzen großen Rest zu sehr guten Preisen verkauft hatten. Das Versprechen von staatlicher Seite, die Verluste durch Subventionen auszugleichen, ließ nicht lange auf sich warten. In dieser Periode fanden viele der ImmigrantInnen wenig Arbeit und konnten nur dank der Solidarität untereinander überleben.

Zum Zeitpunkt unserer Reise lassen die Unternehmer die Tomatenpflanzen und die der anderen Gemüsesorten in den Plastiktunnels ausreißen. Überall gibt es große Haufen dieser ausgedienten Pflanzen zwischen den Tunnels, durchmischt mit Plastikschnüren. Jetzt geht es daran, die Melonen zu setzen. Mit intensiver Düngung und Behandlung sind sie in zwei Monaten reif. Während dieser Periode braucht es nur sehr wenige Arbeitskräfte. Nach der Melonenernte wird eine längere Pause bis zum Herbst eingelegt; dann geht es mit dem Anbau von Tomaten und Paprika wieder los.

Um in den Genuss der Regularisierung zu kommen, muss der Immigrant oder die Immigrantin einen Arbeitsvertrag von mindestens drei Monaten vorweisen können. Doch welcher Unternehmer ist bereit, einen solchen auszustellen, wenn er gerade gar niemanden in seinem Gewächshaus braucht? Ein einziger Bewohner der chabola meint, eine Aufenthaltsbewilligung bekommen zu können. Er ist seit drei Jahren hier und arbeitet seit langem für den gleichen Chef, der ihn - nach Ansicht des Arbeiters - korrekt behandelt. Der Unternehmer bezahlt ihm 30 Euro für einen Achtstundentag. Der für die Provinz Almeria festgesetzte Tariflohn beträgt 37,20 Euro, aber den hat hier nie jemand bekommen.

Jeder der Bewohner hat eine dramatische Geschichte zu berichten. Wie unzählige andere haben sie das Meer in kleinen offenen Booten, den pateras, überquert. Der Großteil hat es mehrere Male versucht, bevor die Überfahrt gelang. Einer von ihnen erzählt uns von seinem »schönen Abenteuer« und von seinen Hoffnungen, als er aufbrach.

Die Ältesten in der Siedlung sind sich einig: Das Schlimmste sei nicht »all das« - dabei zeigen sie auf die Landschaft aus Plastik und Abfall - sondern »das Schlimmste ist die Veränderung in unserem Inneren. Zuvor waren die Großzügigkeit und das Teilen untereinander selbstverständlich. Hier wird man egoistisch und überlegt zuerst lange, bis man dem anderen hilft. Man kalkuliert alles. Und es ist unmöglich, an eine Zukunft zu denken. Natürlich hätte jeder gerne Frau und Kinder, doch was könnte man ihnen bieten? Manchmal lernt einer sogar eine spanische Frau kennen. Doch eine nähere Beziehung kommt nicht in Frage, weil sofort der Verdacht entsteht: Der will ja nur Papiere. Alles ist verfälscht - von Anfang an.«

In der nächsten Siedlung, die wir besuchen, lebt eine große Anzahl von sehr jungen Marokkanern, von denen keiner Französisch oder Spanisch spricht. Die Delegation wird kühl empfangen, fast feindlich. Es seien bei ihnen schon viele JournalistInnen vorbeigekommen: »Sie stellen Fragen, sie filmen, aber für uns ändert sich nichts. In Marokko hat man uns im Fernsehen gesehen. Niemand hat verstanden, was wir hier machen.« Ein paar Bewohner sind dabei, ein Auto zu reparieren; andere bereiten sich darauf vor auszugehen. Sie haben sich unter einer Plastikplane eine Dusche installiert; die Sonne erzeugt das warme Wasser. Während die Gesellschaft zwischen den Gemüsetunnels von El Ejido eine reine Männergesellschaft ist, existieren überall verstreut »Clubs für Immigranten«, in denen auch papierlose Frauen - Afrikanerinnen, Russinnen, Rumäninnen und andere - zu treffen sind.

In den Gemeinden rund um El Ejido sollen rund hundert verschiedene Nationalitäten vertreten sein. Die Bürgermeister dieser Gemeinden, die alle politisch konservativ sind, machen immerhin kleine Anstrengungen vor allem im Bereich der Unterbringung der Einwanderer, so dass bei ihnen nicht dieselbe Situation eintritt wie in El Ejido. Die meisten Zugewanderten leben in Wohnungen, oft in großer Zahl in einem kleinen Appartement. Jede und jeder muss dann eine Miete bezahlen, was schwierig ist, wenn man nicht jeden Tag Arbeit findet. Ein Senegalese erzählt uns, er arbeite für eine Genossenschaft von fünf Unternehmern mit 15 Arbeitern aus Senegal und 40 RumänInnen, darunter einige, die mit ihren Kindern da seien. Die beiden Nationalitäten verstehen sich hier gut untereinander. Keiner unserer Gesprächspartner kann das Gerücht bestätigen, dass die AfrikanerInnen nach und nach durch Arbeitskräfte aus Osteuropa ersetzt werden. »In Wirklichkeit«, sagt man uns, »vertragen die Europäer die Hitze in den Plastiktunnels nicht. Die Unternehmer mögen die Marokkaner zwar nicht, aber sie können nicht auf sie verzichten.«

Die »Normalisierung«

Während der letzten Jahre gab es mehrere größere Schübe von Legalisierungen papierloser ImmigrantInnen in Spanien. Die Bedingungen waren nicht leicht zu erfüllen, aber zumindest hatte der Ausländer oder die Ausländerin das Recht, den Antrag persönlich zu stellen. Bei der jetzigen Regularisierung soll dies der Arbeitgeber tun. Die Bedingungen sind so restriktiv, dass - sehr optimistisch gerechnet - höchstens 15 bis 30 Prozent der ImmigrantInnen in der Provinz Almeria eine Chance haben, eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Es braucht einen Arbeitsvertrag von sechs Monaten in den meisten Sektoren, einen für drei Monate in der Landwirtschaft. Dazu darf der Immigrant oder die Immigrantin keinen Eintrag im Strafregister haben - weder im Ursprungsland noch in Spanien. Außerdem muss er oder sie sechs Monate durchgehend bei der Gemeinde registriert sein. Dies ist der umstrittenste Punkt. Nur sehr wenige Eingewanderte melden sich bei der Gemeinde an, weil sie Angst vor der Abschiebung haben oder weil sie entweder in den chabolas oder in völlig überbelegten Zimmern leben. Die Gemeinde gestattet das Wohnen in den chabolas offiziell nicht und akzeptiert in einem überbelegten Appartement nur vier von vielleicht zwölf BewohnerInnen als reguläre Mieter. Die LandarbeiterInnengewerkschaft SOC ist nicht die einzige Organisation, die von den Behörden fordert, dass auch andere Nachweise über den bisherigen Aufenthalt der Papierlosen in Spanien für die Legalisierung akzeptiert werden sollen - wie z.B. die »Sanitätskarte«. Jeder Ausländer und jede Ausländerin hat ein Recht auf diese Karte, die u.a. das Rote Kreuz ausstellt und die den Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung eröffnet. Bis jetzt stellen sich die Behörden jedoch stur. Inzwischen blüht der Schwarzhandel mit Dokumenten, und die Preise steigen.

Hat jemand die Aufenthaltsbewilligung bekommen, muss er/sie innerhalb von 30 Tagen bei der Sozialversicherung angemeldet werden. Auch dies ist die Aufgabe des Arbeitgebers. Er kommt dabei eher billig davon: Während der/die Angestellte 60 Euro pro Monat als fixe Summe bezahlen muss, zahlt der Arbeitgeber lediglich für die Tage, an denen gearbeitet wird. Der Arbeitgeber kann aber leicht zwei Arbeitstage offiziell für die Versicherung deklarieren, und den Angestellten trotzdem 30 Tage im Monat arbeiten lassen. Bis Mitte März sind offenbar 4000 Anträge für eine Regularisierung in der Provinz Almeria gestellt worden. Die Behörden gehen davon aus, dass diese Zahl gegen Ende der festgesetzten Frist ansteigen wird, und sie rechnen damit, dass 12000 bis 15000 Menschen legalisiert werden.

Doch was wird mit allen anderen geschehen, den rund 15000 bis 25000 ImmigrantInnen, welche die gestellten Bedingungen nicht erfüllen? Der Delegierte der Zentralregierung in Almeria gibt uns Antwort: Erstens seien diese Zahlen wahrscheinlich weit übertrieben, meint er. Zweitens seien spezielle Brigaden von Arbeitsinspektoren bereits in der Ausbildung. Bis jetzt hätte es nur sechs (!) Inspektoren gegeben. Nach dem 8. Mai, d.h. einen Tag nach dem offiziellen Ende der Antragsphase für die »Normalisierung«, soll sich das alles ändern. Auch die Unternehmer wollten saubere Verhältnisse, sagt er, und sie müssten künftig mit Bußen bis 60000 Euro rechnen, wenn sie Leute ohne Arbeitsvertrag beschäftigen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Gemüseproduktion unter Plastik hat bisher das Schweigen über die inakzeptablen Arbeits- und Lebensbedingungen für die LandarbeiterInnen in der Region zementiert. Deshalb ist es wenig glaubhaft, dass plötzlich ein Kreuzzug gegen alle Unternehmer, die von dieser Situation profitieren, stattfinden soll. Viel wahrscheinlicher ist der Aufbau einer harten Repression gegen die Einwanderung mittelloser ImmigrantInnen, welche tagtäglich von der gegenüberliegenden Küste des Mittelmeeres mit den pateras in Richtung Spanien aufbrechen und das Wirtschaftswunder von Almeria erst ermöglichen. Doch jeder weiß: Die Einwanderung lässt sich kaum aufhalten. Stärkere Einschüchterungsmethoden treiben die ImmigrantInnen nur noch mehr in die Illegalität. Sie bilden dann eine gefügige Reservearmee von rechtlosen Arbeitskräften, ohne die das Wirtschaftsmodell von Almeria nicht existieren könnte.

* Der Artikel ist erschienen in Archipel, Zeitschrift des Europäischen Bürgerforums, Nr. 126, April 2005 und wurde für den express überarbeitet

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 5/05


(1) Siehe Beiblatt zu Archipel, Nr. 125, März 2005: »Mord an Azzouz Hosni - Appell für eine dringende Intervention«


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