letzte Änderung am 15. März 2004 | |
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In Spanien selbst glaubten nur noch wenige an die ETA als Täter vom 11.März. Das gestaltlose Gebilde "Al Qaida" rückte in den Mittelpunkt - und mit ihm die spanische Beteiligung am Irak-Krieg. Eine Übersicht über die Positionen der spanischen Gewerkschaftsföderationen und der spanischen Linken vom 15.März 2004, samt verschiedener enthaltener Debatten um Verfassung, sowie um Terror - mit und ohne Bomben.
(Anmerkung: Es ist im Augenblick schwer, konkrete Links zu Stellungnahmen usw anzugeben, da diese in den beiden letzten Tagen auf nahezu allen Seiten ständig verschoben wurden. Dieser Überblick ist geschrieben auf Basis der Seiten der vier Gewerkschaftszentralen - siehe unten - der Opposition in den Commisiones, der linken alternativen Nachrichtenportale "Rebelion" und "LaHaine", sowie indymedia und "El Pais").
Alle gesamtstaatlichen spanischen Gewerkschaftszentralen haben noch am Tag des Attentats Erklärungen abgegeben, die den Anschlag verurteilten und zur Teilnahme an den zentralen Anti-Terror-Kundgebungen aufgerufen: CCOO, UGT, CGT und CNT. Auch die baskischen Gewerkschaften veröffentlichten am Tag des Massakers Erklärungen, die die Anschläge verurteilten. Entsprechend auch die diversen linken Organisationen von IU bis zu anarchistischen Organisationen. Einhellig wurde dabei hervorgehoben, dass die Opfer natürlich - in Vorortzügen um diese Uhrzeit - Werktätige und Schüler waren. Das taten auch die zahlreichen internationalen Beileidsschreiben, von Fidel Castro und Hugo Chavez über Hebe de Bonafini und Rigoberta Menchu.
So weit die Gemeinsamkeiten in dieser Situation. Wie immer sich auch die Regierungspropaganda am Wahltag ausgewirkt haben mag: es gelang ihr jedenfalls nicht, die Debatte um Gründe, Konsequenzen und Maßnahmen zu verhindern, wie sie es mit Losungen wie "alle Spanier sind getroffen" versuchte.
Es gibt eine ganze Reihe von Auseinandersetzungspunkten im Zusammenhang mit dem Madrider Attentat. Zu erwähnen wären: Die Regierungspolitik gegenüber der ETA, vor allem aber: die spanische Beteiligung am Irak-Krieg; zur Debatte standen auch die "Verteidigung der Verfassung", die Würdigung der spanischen Politik in Geschichte und Gegenwart.
Die prinzipielle Einigkeit bezüglich der Charakterisierung solcherart Anschläge auf zivile Zentren als faschistische oder faschistoide Akte war groß. Deutlich zu registrieren aber waren zunächst die Unterschiede zwischen den grossen Gewerkschaften (CCOO, UGT) und Linksparteien (gemeint sind hier IU und PCE, nicht etwa die PSOE) auf der einen Seite und den gewerkschaftsoppositionellen Strömungen (Setor Critico der CCOO), den anarchistischen Gewerkschaften (CGT, CNT) und der radikalen Linken auf der anderen: Dort, bei diversen revolutionären Gruppierungen, Parteien und Strömungen war von vorneherein die Ablehnung der Beteiligung an "Regierungstrauer" vorherrschend. Hatten PCE, IU und CCOO unmittelbar nach dem Anschlag noch vor staatstragender Gemeinsamkeit gestrozt, so wurde ab Donnerstagabend eine "Absetzbewegung" registriert. Beispiel: Die Pressemitteilung der PCE "El crimen no doblegará la voluntad democrática del pueblo español" vom 11.März - auf der Seite des alternativen Portals "Rebelion.org" geht unumwunden davon aus, dass die Regierung recht hat, wenn sie die ETA Täterschaft als gegeben voraussetzt. Ebenso war dies auf den Seiten der Comisiones Obreras nachzulesen. Als die wichtigste Zeitung des Landes "El Pais" am späten Donnerstag die Meldung brachte, Aussenmisterin Palacios habe alle Botschaften Spaniens angewiesen, die ETA Täterschaft als Fakt zu behandeln, war dies, wenn es überhaupt so festzulegen geht, der Zeitpunkt, an dem sich die Stimmung gegen die Regierung zu richten begann: Zu deutlich war zu sehen, dass eine Verbindung zur Beteiligung am Irak-Krieg auf der einen Seite ebenso um jeden Preis vermieden werden sollte, wie auf der anderen der Versuch gemacht wurde, das Verbrechen für den "Kreuzzug" gegen die ETA und natürlich dem Ausbau sogenannter innerer Sicherheit zu nutzen. Eine Stimmung, die sich ausbreitete, und auch schon auf den grossen Trauerdemonstrationen deutlich zu sehen war, erst recht im Verlaufe des Samstags.
Damit kamen auch immer mehr Fragen in die öffentliche Debatte - auch solche, die normalerweise in Spanien von Herrschenden und Medien als "unpassend" empfunden werden: Wenn Aznar sagte, Madrid habe noch nie so gelitten, so erinnerten auch grössere Medien plötzlich daran, dass die politischen Nachfolger jener, die einst im Bürgerkrieg Madrid bombardierten, sich heute meist in Aznars "Partido Popular" befinden. Und, immer wieder: Die Toten im Irak, an denen die Regierung Schuld trägt.
So trat die "Verfassungstreue" ganz schnell in den Hintergrund und das Leitthema aller Aktivitäten, spätestens ab Samstag war "Nein zum Krieg". Was der entscheidende Grund gewesen sein dürfte für die mit Abstand grösste Wahlniederlage einer Regierungspartei in der nachfrankistischen Monarchie.
Zusammengetragen von Helmut Weiss.
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