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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Diktatur - Revolution - Militärdiktatur? Wer sich als scharfer Analyst beweisen will, beurteilt die Lage im Land als längst entschieden - so scheint es jedenfalls aktuell bezüglich Ägypten zu sein. Dabei gibt es auch andere Entwicklungen: Ein langjähriger Gewerkschaftsboss muss ins Gefängnis, die Gewerkschaftsopposition setzt ihren Kandidaten für das Arbeitsministerium durch, und trotz ersten Prozessen kümmert sich niemand um ein Streikverbot. Eine kleine Materialsammlung soll dazu beitragen, die These "ausser Spesen nichts gewesen" mit der komplexeren Realität zu vergleichen: "Scheideweg" vom 10. Juni 2011. Ägypten am Scheideweg? Die Situation in Ägypten ist dadurch gekennzeichnet, dass naheliegenderweise ganz unterschiedliche soziale und politische Kräfte versuchen, die weitere Entwicklung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sicherlich der mächtigste Versuch dies zu tun, ist der "Geldhahn der G8", wie in dem Papier "Economic attacks against Arab democracy" von Patrick Bond für die palästinensische Rosa Luxemburgstiftung vom 01. Juni 2011 herausarbeitet. In dem Beitrag "Egypt haunts Saudi Arabia again" von Soumaya Ghannoushi am 08. Juni 2011 im britischen Guardian, wird der andere große Geldgeber, Saudi Arabien hervorgehoben und die Strategie der Sauds, prinzipiell mit Geld Einfluß zu nehmen analysiert. Das Geld der Saudis fliesst vor allem, um innerhalb der Muslimbrüderschaft radikalere Flügel wie die Salafiten zu stärken, weil die Gruppierung als Ganzes keineswegs im royalistischen Sinne zuverlässig ist. Auf der anderen Seite waren die Demonstrationen am vorletzten Freitag, dem 27. Mai - allein auf dem Tahrir versammelten sich 200.000 Menschen um den Fortgang der Revolution zu fordern, landesweit waren es Millionen - ein Zeichen dafür, dass die sozialen Kräfte, die nun eine wirkliche Veränderung wollen, keineswegs marginalisiert sind, sondern nach wie vor stark. Eine Analyse der aktuellen Situation wird beispielsweise in dem Beitrag "Egypt, "transition in order" and a revolutionary situation still open" von José Guttierez am 08. Juni 2011 im anarkismo.net vorgenommen, der, wie der Titel nahelegt, keineswegs von einer entschiedenen Situation ausgeht. "Mit Koran und Facebook" von Theo Pirker am 09. Juni 2011 in der jungen welt ist ebenfalls ein aktueller Überblick, worin es unter anderem heisst: "Ägyptens provisorische Staatsführung sieht ihre Hauptaufgabe offenbar darin, den von der Obama-Regierung und den EU-Granden ausdrücklich gewünschten »geordneten Übergang« zu gewährleisten. Das heißt, zu verhindern, daß der antidiktatorische Aufstand eine soziale Dimension erhält, womit sich auch die Demokratiefrage in einem neuen, auf die soziale Emanzipation der Unterschichten bezogenen Zusammenhang stellen würde. Deshalb die Eile, mit der die Militärelite die Umwälzung zu einem bürgerlich-demokratischen (mehr bürgerlichen als demokratischen) Abschluß bringen will". Schliesslich gibt es auch im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 03. Juni 2011 einen solchen Überblicksversuch. In "Das Blut der Revolution" versucht Michael Obert einerseits eine ausführliche Schilderung und Analyse der Lage und Stimmung insbesondere in den Slums und des Einflusses der Brüderschaft, kann sich aber nicht Floskeln entziehen wie "Die einen gründen Parteien, die anderen bewaffnen sich", was ja nur einmal mehr die Propaganda der gefährlichen Klassen neu aufwärmt. Was die Frage des gesetzlichen Streikverbotes betrifft, sicherlich eine der zentralen Fragen, wenn es darum geht, die weitere Entwicklung zu prägen, nur zwei von sehr vielen möglichen Meldungen. In "Renewed strikes met with police aggression" von Yassin Garber am 08. Juni 2011 in Al Ahram wird unterstrichen, dass exakt an dem Tag, an dem die regierung ankündigte nunmehr dieses Gesetz auch wirklich anzuwenden nicht nur die meisten Streiks seit Wochen stattfanden, sondern auch direkt vor dem Regierungssitz eine Koalition aus streikenden Automobilarbeitern, Tourismusbeschäftigten und Universitätsbeschäftigten demonstrierten. Und in "Rights groups condemn Petrojet worker arrests" vom 08. Juni 2011 bei Al Masry Al Youm wird von dem organisierten Protest gegen die Festnahme von 5 Petrojet Arbeitern berichtet, der vom CTUWS organisiert, sich international verbreitert (dazu nächste Woche mehr). Zusammengestellt von hrw |