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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Mubaraks Schlächter finden rassistischen Beifall Tausende Flüchtlinge aus dem Sudan organisierten ein wochenlanges Protestcamp vor dem Gebäude der UN Flüchtlingsorganisation in Kairo. Die Menschen protestierten gegen ihre generelle Behandlung und den permanenten Rassismus, dem sie ausgesetzt sind, sowie die Bedingungen ihrer verbreiteten ("illegalen") Beschäftigung als Lastenträger oder Putzfrau. Sie fordern, in ein anderes Land gebracht zu werden. Dem muss, so beschliesst Mubaraks Camarilla, mit aller Härte begegnet werden. Und was Spanien, Italien oder die USA an westlich-demokratischer Brutalität gegenüber MigrantInnen aufzubieten haben, das hat das Mubarak-Regime auch: "Feuer frei" - und es sterben Männer, Frauen und Kinder. Verhältnisse wie in Deutschland? - Umstehende AnwohnerInnen klatschen den uniformierten Schlächtern (die ja nur ihre Pflicht getan haben, werden sie später sagen) Beifall und feuern sie an. Die Materialsammlung "Unsere Schande" (nach dem Titel aus dem Weblog einer ägyptischen Journalistin) vom 11. Januar 2006. Unsere Schande Nora Younis, eine Journalistin aus Kairo, empfing am 29. Dezember um 22 Uhr eine sms, die besagte, dass es einen grossen Polizeiaufmarsch rund um den Platz gäbe, auf dem seit drei Monaten etwa 2.500 sudanesische Flüchtlinge ein Dauer-Protestcamp organisiert hatten. Die offiziellen Berichte sprachen später von 4.000 "Sicherheitskräften". Als sie eine Stunde später dort ankommt, sieht sie den gewaltigen Aufmarsch von Polizei und einigen Militäreinheiten. Um 1 Uhr beginnt der Polizeiangriff mit Wasserwerfern, deren Einsatzziel es offensichtlich vor allem ist, die Zelte des Protestcamps zu zerstören. Von den Umstehenden waren Kommentare zu hören wie "es war Zeit für die, zu duschen" oder "die hätte man schon am ersten Tag abräumen sollen". Danach gab es eine Verhandlung zwischen einem Vertreter der Regierung, einem der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR und einem des Komitees des Protestcamps, bei dem der Regierungsvertreter öffentlich bekundete, die UNO werde gar nichts für die Flüchtlinge tun und er hätte Weisung von "oberster Stelle", die "Sache heute zu beenden". Einzelne Scharmützel folgten. Gegen 4 Uhr zogen die Belagerer den Ring enger und riefen dabei Parolen und sangen "wir leben und sterben für Ägypten". Die Flüchtlinge beschworen sowohl den moslemischen als auch den christlichen Gott - wobei letzteres nach Nora Younis Aufzeichnungen den Ausschlag dafür gab, dass die "Umstehenden", deren Zahl zunahm, die Polizei anfeuerten. Ein erster echter Polizeiangriff gegen 4.45 Uhr wurde teilweise mit Flaschenwürfen und Stöcken (von Zelten) zum Stoppen gebracht - die Flüchtlinge setzten sich zur Wehr. Der zweite Angriff um ca 5 Uhr war wesentlich besser organisiert und wurde mit extremer Gewalt durchgezogen: alle 2-3 Sekunden wurde jemand vom Platz zu den Fahrzeugen geschleift, und alle wurden den ganzen Weg lang geschlagen und rassistisch beschimpft. In Bussen des ÖPNV wurden die Gefangenen in verschiedene staatliche Camps ausserhalb Kairos gebracht, offiziell wurden nach dieser "unbeschreiblichen" Gewaltorgie 20 Tote bekannt gegeben. Menschenrechtsgruppen protestierten am folgenden Tag gegen die Polizei und die Regierung und Younis fragt sich, wer den gegen den Rassismus der Ägypter protestiere. In Nora Younis Blog sind - wie Blogs eben sind - danach weit über 80 Kommentare (englisch und arabsich) aufgelistet, in denen alle Positionen vorkommen, die in diesem Zusammenhang denkbar sind. Inklusive eine Reihe von empörten Kritiken, "Ägypter" seien nicht rassistisch, sie hätten eben nur selbst viele wirtschaftliche Probleme und was an Übertünchungsformeln auch hierzulande üblich ist. Der ganze (englische) ausgesprochen lesenswerte Bericht "Disgraced to be Egyptian: A Testimony" von Nora Younis vom 31. Dezember 2005 in ihrem Blog. Wieviele Tote? In den ersten Meldungen sowohl der ägyptischen Presse, als auch der Nachrichtenagenturen wurde von 10 Todesopfern gesprochen - mehr aber von verletzten Polizisten (die Vorgabe scheint gelautet zu haben: leere Weinflaschen, von Betrunkenen geworfen). Generalleutnant Muhammad Sharawi (Staatssekretär im Innenministerium) habe die verhandlungen geleitet, bei denen es nur darum gegangen sei, dass die Flüchtlinge sich "an die UNO-Regeln" halten müssten. Unter den Todesopfern ein vierjähriges Mädchen, wird in dem redaktionellen (englischen) Bericht "Ten killed in removing Sudanese refugees by force in Cairo" vom 31. Dezember 2005 bei "Arabic.News" festgehalten. In der Ausgabe vom 5. Januar 2006 der "Al Ahram Weekly" wird die Zahl der Todesopfer bereits mit 27 angegeben. In diversen Mailinglisten wird von bis zu 100 Toten geschrieben - jedenfalls steigt die Zahl der Opfer mit dem zeitlichen Abstand. Die UNO - dein Freund und Helfer? Etwa 5 Millionen Flüchtlinge aus dem Sudan leben schätzungsweise in Ägypten - 70 Prozent von ihnen werden von der UNHCR als "Illegale" behandelt - in einem System mit Sonderausweisen, verschiedene Ausweisfarben, je nach Status - oder eben gar kein Ausweis. Über den rassistischen Alltag, unter dem die Flüchtlinge leiden (abermals: mit all den auch hierzulande bekannten "Kritiken", wie sie seien Alkoholiker, Huren, Drogenhändler etc) berichtet der (englische) Beitrag "The noose tightens" von Gamal Nkrumah, bei "Al Ahram Weekly" vom 5. Januar 2006. In Wirklichkeit schlagen sich die meisten als StrassenhändlerInnen, Lastenträger oder Dienstmädchen durch. Und auch wenn Ägypten - als "Erbe des Nasserismus" (Afrikanisch-Arabische Solidarität) bis heute das Land ist, das weltweit am meisten und am einfachsten Flüchtlinge aufnimmt, so wird doch ihren Kindern in der Regel der Zugang zur Schule verwehrt (zumindest bis alle Dokumentation "geregelt" ist). Die UNO hatte in der vergangenheit Ägypten mehrfach aufgefordert, seine Zugangsbestimmungen zu verändern (erschweren). Der Blogger "The Head Heeb" hat in dem älteren Beitrag (vom 19. August 2004) "The Fur of Cairo" einiges Hintergrundmaterial (und Links) zur Situation der Sudanesen speziell in Kairo zusammengestellt und auch in den Kommentaren dazu ist noch einiges zu finden, auch zu den ständigen Problemen der Menschen mit der UNO-Kommission. Trotz intensiver Bemühungen, inklusive Hilfe arabischsprachiger Menschen, war es mir bisher nicht möglich, irgendeine Form gewerkschaftlicher Stellungnahmen, egal welcher strömung, dazu zu finden...aber kann ja noch kommen, oder übersehen worden sein, oder... (Helmut Weiss) |