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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Telefoninterview mit Alaa Shukrallah am 27. Mai 2012 In dem kurzen Telefoninterview mit LabourNet Germany "Wir müssen unsere Stärken konsolidieren" gibt Alaa Shukrallah am 27. Mai 2012 eine Einschätzung der Lage aus den Erfahrungen und Diskussionen der People's Socialist Alliance heraus ab. Alaa Shukrallah ist Arzt aus Kairo, war lange Jahre in der Bewegung zur Verteidigung der Volksgesundheit aktiv, die sich erfolgreich gegen Mubaraks Pläne zur Privatisierung des Gesundheitssektors wandte und ist in der linken Sammelpartei People's Socialist Alliance.
"Wir müssen unsere Stärken konsolidieren" Alaa, was ist Deine Gesamtbewertung des ersten Wahlgangs? Nun, lass es mich so sagen - es hat mich nicht überrascht. Und, wenn ich etwas gutes darin finden möchte, so darf man zumindest eines nicht vergessen: Wir haben, auch im zweiten Wahlgang, zum ersten Mal in meiner langen Lebenszeit eine Wahl, bei der man nicht weiss, wie sie ausgeht. Was absolut nicht das ist, was ich wollte, aber durchaus auch schon etwas. Warum hat die Linke so schlecht abgeschnitten? Man darf zunächst einmal nicht übersehen, dass "die Linke", also wenn ich jetzt bewusst antikapitalistische Positionen meine, in Ägypten zu keinem Zeitpunkt besonders stark war. Die Bewegung gegen Mubaraks Regime war ja auch nicht von irgendeiner politischen Partei angeführt, nicht von der Linken und auch nicht von der Bruderschaft. Davon ausgehend muss man natürlich auch festhalten, dass wir eine Gewerkschaftsbewegung haben, die gerade jetzt erstmals sich ernsthaft entwickelt, die auch in vielem noch unsicher ist und unerfahren - trotz vieler Erfahrung bei der Organisierung etwa klandestiner Aktionen. Was sich auch bei den linken Gruppierungen insgesamt zeigt: Einen linken Einheitskandidaten finden? Diesen oder jenen der bereits kandidierenden unterstützen? Diese Wahl boykottieren - alles dies waren vorhandene Positionen, die sich nicht haben vereinbaren lassen - ich finde die Frage der Wahltaktik jetzt keine prinzipielle Frage, aber die Unterschiede waren und sind halt da. Und wie siehst Du die Perspektiven? Nun, unabhängig davon, wer Präsident Ägyptens wird: Er wird sich damit auseinanderzusetzen haben, dass die erstarkende Gewerkschaftsbewegung zunehmend auch die politische Ebene betritt, vor allem, wenn es um die Reform der Arbeitsgesetze geht. Aber sicher auch, wenn einige der jetzt lancierten Maßnahmen wie Preiserhöhungen tatsächlich real werden sollten. Jetzt sind es schon 277 unabhängige Gewerkschaften, die weit über eine Million Mitglieder haben, das ist schon eine Kraft, wie sie es in Ägypten noch nicht gab - und die Streiks und Proteste und Aktionen gehen ja auch während des Wahlkampfs weiter. Diese Stärke müssen wir konsolidieren, dann können auch Mubaraks Mannen die Revolution nicht beenden, was sie so sehr wollen. Was wirst Du beim zweiten Wahlgang tun, was diskutiert ihr? Viele Varianten. Natürlich keinesfalls Shafiq wählen, das geht gar nicht, der steht ja nicht für Laizismus, auch wenn sie jetzt versuchen, diese Karte zu spielen, der steht für Diktatur, Konterrevolution und Korruption. Was debattiert wird, ist naheliegenderweise die Haltung zu Mursi. Soll man ihn als kleineres Übel wählen, sozusagen, solche Diskussionen kennt ihr ja aus Europa. Ich bin nicht dafür, auch wenn ich ein gewisses Verständnis habe, wenn jemand unbedingt Shafiq verhindern will. Nur: Der eine will die Revolution beenden, blutig notfalls, das ist klar. Der Andere will sie sozusagen auslaufen lassen, und sei es um endlich wieder in Ruhe Geschäfte machen zu können - er steht ja nicht für jenen jungen Teil der Bruderschaft, die sich an der Revolution beteiligt haben, die haben ihn auch kaum gewählt. Wir aber müssen alles dafür tun, dass dieser Prozess weder unterdrückt wird noch ausläuft, sondern weitergeht, um zu weiteren Veränderungen zu kommen. (Das Gespräch führte Helmut Weiss) |