letzte Änderung am 2. Juli 2002 | |
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Wer auch immer erwartet hatte, nach dem Wahlsieg der FLN (199 von 339 Sitzen im Parlament) werde sich das politische System in Algerien festigen, sieht sich zumindest einstweilen getäuscht. Innerhalb weniger Tage nach der Wahl ist es erneut zu breiten Protesten in verschiedenen Bezirken des Landes gekommen.
Am 25.Juni 1998 wurde Lounès Matoub, der populärste Künstler der Kabylei ermordet. Auf dem Weg in sein Heimatdorf war er von 12 Kugeln getroffen worden. Aus Anlass des vierten Jahrestags dieses Mords wurde in der Hauptstadt der Provinz Grosse Kabylei, in Tizi-Ouzu (ca 100 Km östlich von Algier gelegen), von zahlreichen Organisationen ein nahezu vollständig befolgter Generalstreik ausgerufen. Dabei kam es immer wieder zu kleineren Auseinandersetzungen mit den aufgebotenen Sicherheitskräften. Die DemonstrantInnen - ungefähr 15.000 nach verschiedenen Berichten - forderten endlich die Aufklärung des Mordfalls und machten Polizei und Geheimdienste für die Tat und ihre Verschleierung verantwortlich.
Die Proteste in der Kabylei werden schon seit Jahren fortgesetzt - und die Wahlbeteiligung in diesem Bezirk lag (offiziell) bei 2,6% - insgesamt soll sie in ganz Algerien laut den Behörden bei 47% gelegen haben, Oppositionsgruppen schätzten sie eher bei 20%.
Einen Tag zuvor hatte es in anderen Gegenden ebenfalls erfolgreiche politische Streiks vor allem gegen die schlechte Wasserversorgung gegeben.
In Djaafra, ca 200 Km östlich von Algier, versammelten sich mehrere Tausend Einwohner der Region zum Protest gegen die schlechte Wasserversorgung. Die Versuche der Polizei, den Protest zu unterdrücken, endeten hier in massiven Auseinandersetzungen, bei denen die Präfektur in Flammen aufging und der Fuhrpark des Präfekten zerstört wurde.
In Algier selbst waren am selben Tag die Zufahrtsstrassen zu zwei grossen Wohnbezirken den ganzen Tag durch Barrikaden der AnwohnerInnen gesperrt, die ebenfalls für die Sicherung der Wasserverosrgung kämpfen.
Viele sehen in der ausgesprochen kritischen Versorgungssituation mit Wasser, die in verschiedenen Teilen des Landes besteht, einen organisierten Versuch, staatliche Unfähigkeit zu demonstrieren, um ein Privatisierungsprogramm durchzusetzen.
Hatten viele der Anhänger der traditionellen Oppositionsparteien keinen Sinn mehr darin gesehen, sich am maroden Wahlsystem zu beteiligen, so war eines der wenigen überrschenden Ergebnisse der Wahl gewesen, dass die trotzkistisch orientierte Arbeiterpartei (PT) mit 21 Abgeordneten ins Parlament einzog - nach einem Wahlkampf, der sich vor allem gegen die Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds und den Privatisierungsplänen - speziell der staatlichen Ölgesellschaft Sonatrach - gerichtet hatte.
Parteien wie die - sozialdemokratische - FFS der Kabylei, lange Zeit die wichtigste Oppositionspartei im Lande waren zwischen Wahlboykott und der - nachdem USA und EU Position für die Regierung bezogen haben - verbreiteten Ablehnung ihrer Forderung nach internationaler Präsenz zur Lösung der mörderischen Konflikte aufgerieben worden.
Diese wachsende Ablehnung der tradierten politischen Strukturen führt auch dazu, dass der mit der FNL verbundene Gewerkschaftsbund mit der Juni-Streikbewegung nichts zu tun hatte, keine Rolle dabei spielte.
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