Home > Internationales > Cuba > kubakrise
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Massen-Entlassungen angekündigt: Reaktionen von Gewerkschaft, Linken und Medien...

Die kubanische Ankündigung, die Ökonomie des Landes müsse durchrationalisiert werden, hat sowohl im Lande selbst, als auch im Ausland, bei Freund und Feind, heftiges Echo ausgelöst. Naheliegend - einmal wegen der Rolle Cubas insbesondere in Lateinamerika und auch für die Anhänger einer traditionellen Sozialismusauffassung, zum zweiten aber auch wegen des Umfangs der beabsichtigten Maßnahmen: Wenn bei einer Bevölkerung von etwa 11 Millionen Menschen gleich eine halbe Million Staatsbeschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren sollen. Dazu eine kleine aktuelle Materialsammlung "Kubakrise?" vom 16. September 2010.

Kubakrise ?

Was als erstes auffällt, wenn man die Medien durchforstet, was da über die aktuellen Wirtschaftsreformen auf Cuba vermeldet, diskutiert oder was auch immer wird, sind zwei Erscheinungen.

Zum einen erscheint es bei den allermeisten Berichten so, als kämen diese Neuerungen völlig überraschend. Nun erschien die Verlautbarung des Gewerkschaftsbundes CTC "Pronunciamiento de la Central de Trabajadores de Cuba" externer Link am 13. September 2010 (hier bei cubadebate), und wurde am 15. September 2010 unter dem Titel "Neue Formen nichtstaatlicher Arbeitsbeziehungen" externer Link von André Scheer übersetzt in der jungen welt wiedergegeben. Derselbe Autor kommentiert dies am selben Tag in dem Beitrag "Hunderttausende sollen gehen" externer Link ebenfalls in der jungen welt. Darin heisst es: "In den vergangenen Jahren hatte die Regierung bereits versucht, die Zahl der Staatsangestellten dadurch zu verringern, daß sie Entlassene für ein Universitätsstudium bezahlte. Das soll nun vorbei sein, denn mittlerweile hat das Land damit zu kämpfen, daß die Absolventen dieser Ausbildungsgänge entsprechend ihres Studiums eingesetzt werden wollen, während in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder bei der Polizei Beschäftigte fehlen. Offenbar sollen zahlreiche der entlassenen Staatsangestellten künftig in diesen Bereichen arbeiten. Andere sollen in der wachsenden Privatwirtschaft unterkommen: Der »Horizont an Möglichkeiten« zur Beschäftigung erweitere sich, schreibt die CTC. Bislang sind nur gut 600000 Menschen in Privatunternehmen tätig, weitere 234000 haben sich Kooperativen angeschlossen, und 142000 arbeiten selbständig".

Aber das waren keine überraschenden Maßnahmen. Schon am 01. August hatte Raul Castro im Parlament eine Rede gehalten, in der entsprechende Gespräche mit den Gewerkschaften ankündigte. Unter der Überschrift "Neue Impulse für Kubas Wirtschaft" externer Link berichtet Steffen Niese am 02. August 2010 bei amerika21 darüber: "Hintergrund der Maßnahmen ist die angespannte ökonomische Situation des karibischen Landes, das durch die Weltwirtschaftskrise hohe Einbußen im Exportbereich hinnehmen musste und zudem noch mit den Folgen der verheerenden Hurrikan-Saison des Jahres 2008 zu kämpfen hat. Diese Faktoren im Zusammenspiel mit der nach wie vor bestehenden US-Blockade sowie einem zum Teil unproduktiven und aufgeblähtem staatlichen Sektor haben dazu geführt, dass in den letzten zwei Jahren die Verschuldung des Landes zugenommen hat, während die Produktivität in einigen Bereichen - vor allem auch in der Landwirtschaft - gesunken ist. Zur Lösung dieser Problematik verabschiedete das kubanische Parlament neue Gesetzesregelungen, die es den Kubanern nun ermöglichen sollen, vermehrt private Geschäfte und kleine Dienstleistungsunternehmen zu betreiben". Und bereits am 01. Mai 2010 hatte der Generalsekretär des CTC Salvador Valdés Mesa in seiner (in englischer Übersetzung beim MR-Zine) Rede "Viva May Day!" externer Link solche Maßnahmen angekündigt: "From this historic platform, we call on the workers and people to support the modernization of our economic model, which will require extraordinary effort and sacrifice, aware that only by dignifying work as a creative source of material and spiritual wealth and a molder of consciousness can we guarantee the country's economic and social growth".

In der Berichterstattung des venezuelanischen Portal aporrea wird deutlich, dass es auch weitergehende Vorstellungen gab, wie etwa die - vom Parlament Anfang august ausdrücklich abgelehnte Privatisierung staatlicher Unternehmen, wird in "Cuba descartó reformas capitalistas y actualizará socialismo sin prisas" externer Link am 02. August 2010 berichtet.

Als zweite Auffälligkeit lässt sich festhalten, und zwar in der bundesdeutschen wie - vor allem - in der US-Presse, dass es eine Vielzahl oftmals publizierter Stellungnahmen aus Florida gibt, dem Zentrum der konservativen Exilkubaner. So heisst es etwa in dem Artikel "Fast eine zweite Revolution" externer Link von Sonja Peteranderl in der Süddeutschen Zeitung vom 14. September 2010: "Der Staat, der momentan noch 95 Prozent des kubanischen Wirtschaftslebens kontrolliert, muss sich, wie Wirtschaftsminister Marino Murillo erklärte, in Zukunft "um wichtigere Dinge" kümmern. Jaime Suchlicki, der Direktor des Instituts für Kubanische Studien an der Universität Miami, sagte zum Wall Street Journal , dass die einschneidende Reform Ausdruck einer "Überlebenswirtschaft" sei. Er bezeichnete Kubas ökonomische Situation als miserabel und bezweifelte auch, dass die vom Staat entlassenen Kubaner problemlos in der Privatwirtschaft wechseln könnten - da bisher kein privater Sektor existiere". In seinem Blog "La isla desconocida" (Die unbekannte Insel) setzt sich der kubanische Journalist mit den "Miami-Getränkten" Medien auseinander, und schreibt in "Los cambios que no funcionan" externer Link am 15. September 2010 von den speziellen Problemen dieses Typus von Berichterstattung: "Sie hoffen, dass Kuba den kapitalistichen Weg geht - und gleichzeitig müssen sie eine Angstpropaganda daraus machen". Das wird auch in dem Beitrag "Cuba's Big Layoffs: What to Do with the Unemployed?" externer Link von Franklin Reyes am 14. September 2010 im US-Magazin Time deutlich: "Rumors had been swirling all summer that Cuban President Raúl Castro was planning to trim the state's workforce by as many as 1 million. Still, now that it's official that half that many jobs will be lost, "it has the potential of being an earthquake," says Marifeli Pérez-Stable, a sociologist and Cuba expert at Florida International University in Miami. The CTC insisted that the layoffs, which represent almost one-tenth of Cuba's total labor force, are meant simply to "make the Cuban production model more efficient." But to most Cuba watchers, it signaled an acknowledgment that "the contract Cubans had with the revolution doesn't work anymore," says Pérez-Stable". Der Time-beitrag ist aber nicht nur wegen einer Miami-Expertin mehr typisch, und wegen eben des erwähnten doppelten Auftrags an die Autoren - er ist auch insofern repräsentativ, als er für eine ganze Reihe von Artikeln aus den USA steht, in denen ein Ende des Embargos gefordert wird und stattdessen die Einführung einer Politik von Mikrokrediten an die kubanische Privatwirtschaft.

Andere Stimmen kommen bei cubadebate zu Wort: Unter der Überschrift "Reducirá Cuba medio millón de plazas en el sector estatal" (siehe oben) wird zunächst die bereits angeführte Verlautbarung des Gewerkschaftsbundes CTC verbreitet - und anschliessend eine kontinuierlich wachsende Zahl von LeserInnen-Kommentaren dokumentiert. Da melden sich vom kubanischen Gewerkschaftsfunktionär bis zum kubasolidarischen US-Amerikaner unterschiedlichste Menschen zu Wort, die die ganze Bandbreite von entstehenden Fragen zu diskutieren beginnen: Von der Frage, welche Alternativen es zu diesen Maßnahmen gäbe - ob es immer nur entweder zentralstaatlich oder privat sein müsse, beispielsweise - bis hin zu Ängsten vor der weiteren Entwicklung.

Unter dem Titel "Cuba to lay off 500, 000 state workers: The beginning of the end of Cuban socialism" externer Link ist auf der Mailingsliste des Left Business Observer der USA eine Diskussion mit vielen Beiträgen aus der (meist) US-Linken dokumentiert (über den Thread weiterzulesen) in denen ebenfalls recht unterschiedliche Bewertungen stattfinden, bzw versucht werden.

Zusammengestellt von hrw


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang