letzte Änderung am 09. Dez. 2002

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Interview mit Adela Torres, Internationale Front der ELN (Nationale Befreiungsarmee)

Von Dario Azzellini

 

Seit Ende November ist von "Annäherungen" zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN die Rede. Um was handelt es sich konkret?

Es sind Annäherungen zur Sondierung könnte man sagen. Wir sehen es als sehr schwer an mit der Regierung Uribes in Verhandlungen zu treten oder Gespräche zu beginnen. Dies Angesichts der Bedingungen, die er selbst gestellt hat, nämlich einen einseitigen Waffenstillstand Seitens der Aufständischen Organisationen.

Zugleich sind alle Maßnahmen die er als Präsident ergriffen hat vor allem auf zwei Ziele ausgerichtet. Einerseits die Vertiefung der neoliberalen Maßnahmen, was die kolumbianische Gesellschaft, vor allem die unteren Schichten, schwer trifft und andererseits die Intensivierung des Krieges. Es handelt sich im wesentlichen um ein kriegerisches Regime. Seine Beziehungen mit den USA sind sehr eng, es gibt keinerlei Maßnahmen, die den sozialen Bewegungen entgegen kommen und es ist keinerlei politischer Willen zu erkennen sich einer politischen Lösung des Konflikts überhaupt zu nähern.

Und über was wurde dann überhaupt gesprochen?

Es wurden nur die Positionen ausgetauscht ohne irgendeinen Schritt weiter zu kommen. Wir haben wiederholt, dass wir keinen einseitigen Waffenstillstand ausrufen werden und die Regierung hat das als Bedingung genannt. Es gab also nichts konkretes.

Zugleich hat ein Großteil der AUC einen Waffenstillstand ausgerufen. Wie wertet die ELN das?

Es geht um eine Legalisierung der Paramilitärs. Wir sagen die Paramilitärs haben in Kolumbien einen Präsidenten, einen Generalstaatsanwalt und einen Kongress. Als Uribe Gouverneur von Antioquia war, hat er ein erstes Versuchslabor zur Legalisierung der Paramilitärs daraus gemacht. Die Funktionäre, die ihn Umgeben gehören zur extremen Rechten. Für die Kongress-Wahlen flossen zahlreiche Gelder aus dem Drogenhandel zur Unterstützung seiner Kandidaten und in vielen Gegenden wurden die Menschen von den Paramilitärs gezwungen für ihn zu stimmen. Es hat Monate gedauert bis das Endergebnis klar war, da es unzählige Anfechtungen wegen Wahlbetrug gab, bis sie dann einfach alle abgelehnt haben und ihren Kongress einsetzten. Die Paramilitärs müssen sich also gar nicht mehr anstrengen, um die faschistoide Macht zu erhalten, die Uribe ausübt: Angefangen vom Aufbau eines Netzes mit einer Million Spitzeln bis hin zu den geplanten 20.000 Bauern-Soldaten. Der angestrebte Verhandlungsprozess mit ihnen ist die Kulminierung ihrer Legalisierung. Sie werden Teil des Spitzelnetzes, der Bauern-Soldaten und der Polizei werden. Und viele sind ja ohnehin Soldaten, sie ziehen für ihre Operationen dann einfach das Paramilitärarmband an (die Paramilitärs verfügen in der Regel über die gleichen Uniformen wie die Armee, statt der Hoheitsabzeichen tragen sie jedoch ein Armband mit der Aufschrift "AUC", der Bezeichnung des Paramilitärdachverbandes, Anm. d. Aut.).

Wir stehen vor der Herausbildung eine Paramilitärstaates.

Was ist dann die Perspektive?

Das Vorhaben der USA in Kolumbien – und in Uribe haben sie einen hervorragenden Partner – ist das Land in einen Rammbock zu verwandeln um die linken Regierungen von Hugo Chavez in Venezuela, Lula in Brasilien, Lucio Gutierrez in Ecuador und die eventuell demnächst dazu kommende von Martin Torrijos in Panama zu destabilisieren. Damit wird Kolumbien geostrategisch noch bedeutender als es ohnehin schon für die USA ist. Die Folge wird eine weitere Verschärfung des Krieges in Kolumbien sein, denn wir werden nicht zulassen dass sie hier ihre politischen und wirtschaftliche Megaprojekte verwirklichen. Zugleich verschärft sich der soziale Konflikt aufgrund der neoliberalen Maßnahmen. Uribe hat im August das Präsidentenamt übernommen und im Oktober gab es bereits den ersten Generalstreik. Die sozialen Bewegungen und Massenbewegungen befinden sich im Wachstum.

Der Konflikt in Kolumbien ist nicht der bewaffnete, dieser ist nur die Folge einer sozialer Polarisierung, die immer stärker wird. Einer Polarisierung zwischen sozialen Bewegungen sowie Aufständischen und einem Sektor der extremen Rechten, der sich um Uribe sammelt.

Aber die Stimmen für Uribe waren ja nicht alle erzwungen. Es gibt zwar ein Wachstum der Bewegungen, aber es hat auch einen ziemlichen Rechtsruck gegeben...

Die Wahlberechtigten in Kolumbien sind etwa 24 Millionen. Davon haben sich etwa zwölf Millionen an den Wahlen beteiligt und etwa sechs Millionen davon haben für Uribe gestimmt. Alle Sektoren der Rechten und extremen Rechten haben für ihn gestimmt. Dann haben viele aus der urbanen Bevölkerung für ihn gestimmt. Das Chaos im Land ist mittlerweile so groß, das viele einfach wollen das irgend etwas geschieht. Viele sind aber bereits jetzt schon wieder enttäuscht. Die Privatisierungen und Kürzungen, die er durchführt, führen dazu das immer mehr Menschen aus der Mittelschicht, die für ihn gestimmt haben, ihre Arbeit verlieren. Unheimlich viele kleine und mittlere Unternehmen, aber auch einige große, brechen zusammen. Die Mittelklasse schrumpft, wie in allen lateinamerikanischen Ländern. Dazu kam eine riesige Medienkampagne. So konnte er teilweise städtische Sektoren überzeugen.

Aber die Streiks, die es gegeben hat, zeigen, dass die Mehrheit der unteren Schichten nicht auf seiner Seite sind. Die Streiks in den letzten Monaten haben auch in allen Großstädten eine Beteiligung und Kraft gezeigt wie seit 1977 nicht mehr.

Uribe hat die Oligarchie, die Liberale und die Konservative Partei, einen Großteil der Medien, die großen Unternehmen und den Teil der Mittelschicht, der noch nicht von den neoliberalen Maßnahmen betroffen war, auf seiner Seite. Aber die Polarisierung wird zunehmen, denn die Armut wächst rasant.

Welche Strategie verfolgt die ELN?

Das wichtigste ist die revolutionäre Einheit. Wir denken wir müssen uns alle um zentrale Punkte herum einen. Das heißt die Verteidigung des Lebens und der Souveränität. Es muss versucht werden die Bewegungen zu einen und zu stärken, nicht nur durch uns, sondern durch alle linken und progressiven Kräfte. Für die Einheit arbeiten ist zentral. Auf der anderen Seite eben die militärische Konfrontation fortzusetzen, Uribe lässt uns keine andere Wahl. Er verfolgt die Strategie die Führung der ELN und der FARC zu treffen und strategisch wichtige Schläge zu landen, um dann aus einer Position der Stärke zu verhandeln. Sein Ziel ist mit bereits besiegten Organisationen zu verhandeln.

Aber bisher hat er ja keinerlei Erfolge vorzuweisen...

Nein und auch das paramilitärische Projekt ist in gewisser Weise gescheitert. Die Idee dahinter war Terror zu verbreiten um die soziale Mobilisierung zu zerschlagen und die Basis der Guerilla auszulöschen. Das ist ihnen trotz der unzähligen und grausamen Morde die sie begangen haben, nicht gelungen. Das ist auch ein Grund warum sie jetzt demobilisiert und legalisiert werden. International wird es dann so aussehen, als ob es Uribe gelungen wäre diese schreckliche Kraft, die die kolumbianische Bevölkerung bedrohte, aufzulösen und er kann sich als Saubermann präsentieren. Die Realität ist eine andere. Und außerdem werden ihre Verbrechen ungestraft bleiben. Wenn schon bisher nahezu alle Straffrei ausgingen, was soll dann schon noch folgen.

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