letzte Änderung am 03. Dez. 2002 | |
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Der Großteil der rechtsextremen kolumbianischen paramilitärischen Verbände, vereint in der Dachorganisation AUC, kündigte einen einseitigen Waffenstillstand ab dem 1. Dezember an. Der Initiative der Gruppen unter der Führung der Großgrundbesitzer und Drogenunternehmer Carlos Castaño und Salvatore Mancuso, die etwa 80% der Paramilitärs des Landes ausmachen, schlossen sich auch weitere Verbände an so dass nun insgesamt etwa 95% der Paramilitärs dem Vorschlag eines Waffenstillstandes zustimmen.
In einem dazu veröffentlichten Schreiben erklärt die AUC ihre Bereitschaft unmittelbar Friedensgespräche mit der Regierung aufzunehmen, die von der katholischen Kirche, der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) und der UNO begleitet werden sollen. Dazu wird die Regierung jedoch aufgefordert die Paramilitärs als politischen und militärischen Akteur in dem kolumbianischen Konflikt anzuerkennen was bisher national und international von Guerillas, Gewerkschaften, Basis- und Menschenrechtsorganisationen strikt abgelehnt wurde, da die Paramilitärs eng mit der offiziellen Armee verquickt sind.
Darüber hinaus fordern die Paramilitärs auch "Passierscheine" für ihre des Drogenhandels angeklagten Führer, gegen die sogar ein bisher folgenloser Auslieferungsantrag der US-Justiz besteht und verkündeten der Prozess müsste auch auf die Freilassung ihrer über 1.000 inhaftierten Mitglieder hinaus laufen.
Zugleich fordern sie den Staat auf, die Guerilla in die von ihnen "befreiten Gebiete" zu lassen und behalten sich vor bei einem Eindringen der Guerilla in Regionen mit Paramilitärpräsenz "in Notwehr zu reagieren". Da die meisten Gebiete allerdings umkämpft sind, ist die Reichweite des Waffenstillstands sehr fraglich.
Andererseits handelt es sich auch nicht um den ersten Waffenstillstand der Paramilitärs. Bereits während der letzten fünf Jahre hatte die AUC jeweils zur Weihnachtszeit einen Waffenstillstand verkündet. Allerdings folgte darauf im Anschluss auch stets eine weitere Zunahme der Massaker an der Zivilbevölkerung. So etwa im Januar 1999, als innerhalb eines Monats über 200 Personen von Paramilitärs ermordet wurden, was von Seiten der Farc zum Einfrieren der Gespräche mit der Regierung führte.
Das Angebot der AUC war durch hohe Vertreter der katholischen Kirche zustandegekommen, die traditionell als rechtsextrem gilt und eng mit der kolumbianischen Oligarchie verflochten ist. So gehören auch Präsident und Uribe und mindestens drei weitere Minister seiner Regierung zum rechten Orden Opus Die, der in der Verganenheit nicht nur die faschistische Diktatur unte Franco in Spanien unterstützt hatte, sondern auch nahezu alle lateinamerikanischen Diktaturen der vergangenen Jahrzehnte. So zeigte sich die katholische Kirchenhierarchie gleich erfreut und der kolumbianische Kardinal Darío Castrillón, Präfekt des Vatikans, liess aus Rom wissen, die Ankündigung der Paramilitärs spiegele "einen Klimawechsel in Kolumbien wieder".
Die US-Regierung hingegen hat bisher keine offizielle Stellungnahme verlauten lassen, doch erklärt, man "unterstütze die kolumbianische Regierung bei ihrem Versuch der Gewalt ein Ende zu setzen". Ebenso wenig erließ die Regierung Uribe bisher eine offizielle Stellungnahme zu dem Angebot der Paras, doch ist davon auszugehen, dass sie bereits im Vorfeld davon informiert war und gewisse Absprachen bestanden. Hinter den Kulissen läuft die Geheimdiplomatie auf Hochtouren und etliche der Regierung nahestehende Persönlichkeiten haben bereits ihre Zustimmung geäußert. Und schließlich besitzt Präsident Alvaro Uribe ohnehin über enge Verbindungen zum Paramilitarismus. So riefen die AUC-Chefs Salvatore Mancuso und Carlos Castaño zur Wahl Uribes auf und während der Wahlkampagne befanden sich in manchen Regionen die Wahlkampfbüros Uribes direkt in den Camps der Paramilitärs.
Als Gouverneur von Antioquia förderte Alvaro Uribe Vélez im Rahmen seiner Kampagne "Wohlstand, Frotschritt und Frieden mit dem Convivir-Netz, die schwerbewaffneten halbprivaten, aber vom Militägeheimdienst aufegebauten, legalen Killertruppen "Convivir" (zynischerweise "Zusammenleben" genannt), die als legale Paramilitärs agierten und in seiner Amtszeit über 200.000 Menschen zur Flucht zwangen und Tausende ermordeten. Sie machten sich dermaßen vieler Menschenrechtsverbrechen schuldig, dass sie Ende 1997 offiziell verboten wurden, woraufhin sie einfach mit den Paramilitärs von Carlos Castaño fusionierten. Noch heute rühmt sich Uribe Vélez jedoch in "seiner Region" für Ruhe gesorgt zu haben. Dabei handelt es sich allerdings um eine Friedhofsruhe, da die Region unter der weitgehenden Kontrolle der rechtsextremen Paramilitärs steht.
Zimperlich war Uribe in dieser Hinsicht noch nie. Als die Armee 1996 mehrerer Massaker in verschiedenen Regionen Antioquias beschuldigt wurde, stellte er diese Gebiete kurzerhand per Dekret unter die Obhut der Armee um "die Bevölkerung zu schützen".
Verschiedene Menschenrechtsorganisationen und kolumbianische linke Organisationen und Basisbewegungen haben daher schon ihr Entsetzen über die Diskussion geäußert. Es wird befürchtet, dass die Paramilitärs faktisch in neu entstehende und an die Armee angebundene Strukturen überführt werden sollen, während ihre Menschenrechtsverbrechen ungestraft bleiben. Ein Schritt der von allen progressiven und liberalen Kräften abgelehnt wird, da die Paramilitärs für über 70% der Menschenrechtsverbrechen verantwortlich zeichnen und zehntausende Menschen brutal ermordet haben. Um ihrem Ziel Terror zu verbreiten ist das Vorgehen der AUC besonders hart, nicht selten werden die Opfer bei lebendigem Leib mit Motorsägen zerstückelt oder die Paramilitärs spielen mit ihren Köpfen vor der versammelten Dorfgemeinschaft Fussball.
Im Laufe der Jahre vertrieben die Paramilitärs so über eine Million Menschen und ihre Anführer eigneten sich Millionen Hektar Land ab. Ein Prozess der in Kolumbien oftmals als "Gegenlandreform" bezeichnet wird.
Seit dem Amtsantritt Uribes sind die Paramilitärs um Seriosität und öffentliche Anerkennung bemüht. Erst im Juli verkündete Carlos Castaño es gäbe einen kleinen Teil der paramilitärsichen Gruppen, die in die Drogenökonomie und Menschenrechtsverletzungen verwickelt seien. Von diesen habe sich die AUC nun getrennt. Damit sollte ein Weg zu einer Anerkennung als gleichrangiger Verhandlungspartner geebnet werden. Eine Strategie, die wohl sowohl mit der kolumbianischen Regierung als auch den US-Behörden (Castaño gilt seit über zehn Jahren als Agent der DEA) abgesprochen sein dürfte. Schließlich ist allgemein bekannt, dass die AUC heute etwa 70% der gesamten Drogenexporte Kolumbiens kontrolliert und sich wesentlich daraus finanziert. Ein einträgliches Geschäft aus dem sie sich gewiss nicht verabschiedet hat.
Doch die aktuellen Umstände lassen die Befürchtungen auf eine Reintegration der Paramiliärs in den offiziellen Repressionsapparat als realistisch erscheinen.
Bereits in der Vergangenheit wurden z.B. demobilisierte ehemalige Kämpfer der maoistischen Guerilla EPL in ländliche Einheiten der politischen Polizei DAS integriert. Sie wurden in den vergangenen Jahren für etliche Massaker an der Zivilbevölkerung, vor allem in den Bananenanbaugebieten Urabás, verantwortlich gemacht.
Die Paramilitärs kündigten in ihrem Schreiben auch bereits an "Während die terroristische Bedrohung der Guerlla weiter über Kolumbien liegt und der Staat diese nicht eindämmen kann, werden wir aktiv bleiben, sei es im Rahmen legaler Verteidigungsmöglichkeiten mit denen wir bereit sind zu kooperieren".
Die Integration könnte über das von Uribe initierte "Bauernsoldaten-Programm" verlaufen. In wenigen Wochen sollen so 10.000 Bauern bewaffnet werden und ähnlich dem türkischen oder guatemaltekischen Modell zu "Dorfschützern", also in den Gemeinden lebenden Paramilitärs, ausgebildet werden, die der Armee unterstehen. Die ersten 380 wurden just in dieser Woche in der Region Santander, gegen die vehemente Kritik von Menschenrechts- und Bauernorganisationen, in Dienst gestellt.
Genau dieses Vorgehen war vor knapp zwei Jahren von der us-amerikanischen Rand corporation, einer Forschungseinrichtung der Waffenindustrie Mac Douglas-Flugzugwerke, in einer Analyse des kolumbianischen Konflikts für die US-Luftwaffe vorgeschlagen worden.
Ob Uribe, der US-Regierung und der AUC dieser Trick gelingen wird, hängt nicht zuletzt auch vom Widerstand dagegen in Kolumbien und international ab. Für die USA scheint dieser Schritt notwendig um die Militärhilfe für Kolumbien weiter erhöhen zu können ohne sich immer stärkeren Kritiken aufgrund der Zusammenarbeit von Armee und Paramilitärs ausgesetzt zu sehen.
Vergangene Woche wurden auch Sondierungsgespräche mit der zweitgrößten Guerilla ELN (Nationales Befreiungsheer) und - Zwecks eines Gefangenenaustauschs - auch mit der größten, der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) bekannt. Diesen werden aber angesichts der unnachgiebigen Haltung Uribes, der einen Waffenstillstand und die Konzentration der Aufständischen in einigen wenigen Zonen fordert, ohne zu Gegenleistungen bereit zu sein, kaum Chancen eingeräumt.
Währenddessen wurde am vergangenen Donnerstag, im Vorfeld des Besuches des US-Verteidigungsministers Colin Powell, die Nationale Universität Kolumbiens in Bogota von nahezu 3.000 Mitgliedern der Nationalpolizei besetzt. Gegen zwei Uhr Nachts drangen Sondereinheiten der Polizei, unterstützt von Hubschraubern, in die Universität ein, zerstörten und entwendeten bei der Durchsuchung zahlreiche universitäre und studentischen Einrichtungen und Material und verwehren seitdem den etwa 25.000 Studierenden den Zugang zu der Hochschule. Die Zwangsschließung soll nach vorläufigen offiziellen Angaben mindestens eine Woche anhalten. Als Anlass für die Maßnahme wurde ein Mörserangriff auf die Staatsanwaltschaft (die neben der US-Botschaft liegt) genannt. Am 22. November seien vom Universitätsgelände aus mehrere Granaten auf die Staatsanwaltschaft abgeschossen worden. Dabei gab es nur geringe Materialschäden und keine Opfer. Die Polizei macht die FARC für den Anschlag verantwortlich und beschuldigt diese auch im Zusammenhang damit zwei Universitätsangestellte verletzt zu haben, was die Gewerkschaft der Universitätsangestellten dementierte, die Beschäftigten seien durch Granaten der Polizei verletzt worden. Studierende und Professoren befürchten eine weitere Einschränkung der Autonomie der Universitäten und eine Vorbereitung auf eine zukünftige Privatisierung des Hochschulsystems, wie sie vom IWF und der Weltbank gefordert wird. Dafür soll die studentische Organisierung bereits im Vorfeld zerschlagen werden. So rückte nach studentischen Protesten erst am 20. November die Polizei in die Universität von Bucaramanga im Bezirk Santander ein und erschoss einen 20jährigen Studenten.
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