letzte Änderung am 26. Juni 2002 | |
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Aus den gestrigen Wahlen in Kolumbien ist der rechtsradikale Kandidat Alvaro Uribe Vélez als eindeutiger Sieger hervorgegangen. Uribe, der von den Paramilitärs und von großen Teilen der liberalen und konservativen Politeliten unterstützt wurde erhielt 53 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der Liberalen Partei Horacio Serpa kam auf etwas über 30 Prozent, der linke Gewerkschafter Lucho Garzón auf 6,2 Prozent. Ein zweiter Wahlgang ist nicht mehr nötig, da Uribe schon die notwendige absolute Mehrheit erhalten hat. Anzumerken ist allerdings, dass erneut nur 10 von ca. 23 Millionen wahlberechtigten KolumbianerInnen ihre Stimme abgaben und dass die Todesschwadrone in vielen Regionen die Bevölkerung zur Stimmabgabe für Uribe zwangen.
Mit dem Siegeszug des Ex-Gouverneurs von Antioquia erreicht eine Entwicklung ihren Höhepunkt, die von Menschenrechtsorganisationen schon seit längerem besorgt beobachtet wird: die Etablierung eines ultra-rechten politischen Projekts. Die von einer Allianz aus Viehzüchtern, Unternehmern, Militärs und Drogenhändlern getragenen Paramilitärs bemühen sich bereits seit einigen Jahren sehr erfolgreich, die kolumbianischen Institutionen zu durchdringen. Nach Angaben des Paramilitär-Kommandanten Salvatore Mancuso konnten die verdeckt angetretenen Kandidaten der Ultra-Rechten bei den Kongresswahlen im März ein Drittel der Sitze in Senat und Abgeordnetenhaus erobern. Zwar können die unter dem euphemistischen Namen "Vereinigte Bauernselbstverteidigungen" (AUC) agierenden Paramilitärs seit jeher auf Unterstützung aus dem Staatsapparat zählen, doch mit den letzten Wahlerfolgen wird diese verdeckte Kooperation zunehmend zur offiziellen Politik. Dementsprechend hat Uribe der sich gleichzeitig für eine US-Intervention im Land ausspricht angekündigt, nach seiner Wahl eine Million Kolumbianer in zivilmilitärische Verbände zu integrieren.
Uribes Parteinahme für die illegale Rechte ist nicht weiter verwunderlich, wenn man seine Biografie kennt. Der Ex-Gouverneur, der - wie die Newsweek im März schrieb - "eher wie ein Mathematiklehrer als wie ein ideologischer Hardliner" aussieht, stammt aus einem jener Großgrundbesitzer-Clans, die den schmutzigen Krieg auf dem Land Anfang der 80er Jahre mit initiierten. Bereits 1982 wurden gewerkschaftlich organisierte Landarbeiter auf Uribes Finca La Mundial zu Opfern von Mordanschlägen. Kurze Zeit später übergab die Familie ihre Finca Guacharacas der XIV. Armeebrigade, die das Gelände wiederum an die Paramilitärs abtrat. Ende 1988 diente dieser Stützpunkt als Ausgangspunkt für ein Massaker an 20 Bauern in der Nähe der Kleinstadt Remedios. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Tatsache, dass Alvaro Uribes Vater Alberto von der Guerilla ermordet wurde, etwas anders dar als in der Version des Kandidaten.
Darüber hinaus hat Uribe Vélez, der sich im Wahlkampf als Saubermann gegen die Korruption anpreist, offensichtlich auch enge Verbindungen zur Drogenmafia. Vater Alberto war ein Freund des Drogenbarons Fabio Ochoa und konnte, so das Standardwerk über den Drogenhandel "Los Jinetes de Cocaína", nur durch die Intervention eines befreundeten Regierungsbeamten vor der Auslieferung in die USA gerettet werden. Sohn Alvaro selbst soll seinen Job als Leiter der Zivilluftfahrtbehörde 1980-82 genützt haben, um Drogenhändlern die benötigten Fluglizenzen zu verschaffen. Als Bürgermeister von Medellín förderte Uribe in Zusammenarbeit mit Drogen-Capo Pablo Escobar 1982-83 ein "soziales Wohnungsbauprogramm", mit dem die Kokainmafia ihre politische Akzeptanz in der Stadt zu erhöhen versuchte. Ende der 80er Jahre dann gehörte Uribe (ebenso wie Paramilitärkommandant Carlos Castano) zu jenen Männern im Umkreis des Medellín-Kartells, die sich rechtzeitig vom Drogenbaron Pablo Escobar absetzten, als dieser dem Staatsapparat den Krieg erklärte. Doch die Verbindungen zur Kokainmafia kappte Uribe nicht. Nach Angaben der DEA importierte Pedro Juan Moreno, während Uribes Amtszeit in der Regionalregierung von Antioquia rechte Hand des Gouverneurs, 1997 und 98 50 Tonnen zur Kokainproduktion notwendiger Chemikalien illegal nach Kolumbien. Und auffällig ist auch, dass der wegen Drogenhandels zu 5 Jahren verurteilte Ex-Mitarbeiter Uribes in der Luftfahrtbehörde, Cesar Villegas, Anfang dieses Jahres im Gefängnis ermordet wurde.
In der kolumbianischen Öffentlichkeit sind solche Details nicht zu lesen. Nur wenige Journalisten wagen darauf hinzuweisen, dass Uribe als Gouverneur von Antioquia mit den Sicherheitskooperativen CONVIVIR den Paramilitarismus bereits einmal legalisierte und damit zur systematischen Ausbreitung der Terrorkommandos in Nordwestkolumbien beitrug. Die Tatsache, dass die Menschenrechtsorganisation ASFADDES den Ex-Gouverneur der Mittäterschaft am Mord an 2 Studenten 1995 in Medellín bezichtigt, blieb in den kolumbianischen Medien sogar völlig unerwähnt. So erklärt sich Uribes Erfolg bei den Fragen auch mit der mehr oder weniger offenen Unterstützung der 2 oder 3 großen Medienkonzerne.
Trotz dieses düsteren Panoramas glauben kolumbianische Gewerkschafter, dass die Wahlkampfkonjunktur auch ihr Gutes hatte. Vor dem Hintergrund, dass die Ultra-Rechte die Pfründe von Teilen der traditionellen Polit-Eliten in Frage stellt und in verschiedenen Regionen dazu übergegangen ist, Kandidaten der Liberalen Partei zu bedrohen, hat deren Kandidat Horacio Serpa zum ersten Mal das Problem des Paramilitarismus auf die politische Tagesordnung gesetzt. Nebulös erklärte Serpa, dass "die Paramilitärs einen eigenen Kandidaten" hätten und sich dieser zu erkennen geben solle. Serpas Haltung ist einigermaßen amüsant, wenn man weiß, dass er es selbst war, der als Innenminister Mitte der 90er Jahre die Ausrüstung der von Uribe gegründeten CONVIVIR-Milizen mit Gewehren autorisierte. Nichtsdestotrotz trägt sie dazu bei, das größte Tabu der kolumbianischen Politik zu durchbrechen: die Tatsache, dass sich die Oberschicht seit 1982 nur deswegen an der Macht hält, weil sie einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg gegen jede Art von Opposition führt.
Die verhaltenen Proteste der Liberalen werden sicher keine politische Wende nach sich ziehen. Die hinter den Kulissen agierende US-Regierung befürwortet die militärische Option Uribes klar und scheint mit dessen Drogenverbindungen kein Problem zu haben. Doch durch die Debatte um den schmutzigen Krieg hat die Linkskandidatur des Erdölgewerkschafters Lucho Garzón unerwartet Aufwind erhalten. Garzón habe davon profitiert, dass er als einziger Kandidat eine klare Position zu den Todesschwadronen vertritt, meint der Bogotaner Gewerkschafter Pacho Castelo. Mit nun etwas über 6 Prozent ist Garzon ein bisschen hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Aber darum ist es dem als "Demokratischer Pol Soziale und politische Front" angetretenen Bündnis auch gar nicht unbedingt gegangen. Ziel der Allianz aus Gewerkschaftslinken, Sozialdemokraten und Indígenas sei vielmehr gewesen, so Castelo, dafür zu sorgen, dass "eine andere Stimme in der Öffentlichkeit zu hören ist und der Rechtstrend in den Städten gestoppt wird". Tatsächlich ist erschreckend, wie stark sich die von der Ultra-Rechten als Geisel genommene kolumbianische Gesellschaft mit ihren Geiselnehmern zu identifizieren beginnt.
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