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Updated: 18.12.2012 15:51
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CSR, CoC, prima Gesetze...

...nur schade, dass Cadmium und Blei nicht lesen können – auch nicht in China

Von Anne Scheidhauer*

»Auch etwas Unsichtbares kann Dich krank machen. Ich fürchte, wer selbst keine Erfahrungen damit gemacht hat, kann das nicht verstehen. Das Wissen der meisten Beschäftigten ist begrenzt. Letztlich kannst Du nicht wissen, wie viele unsichtbare Gefahren an Deinem Arbeitsplatz lauern. Dein Boss weiß es, aber er wird es Dir nicht sagen!« Wang Fengping, Beschäftigte von Gold Peak und schwer krank aufgrund von Cadmium-Kontaminierung, in einem Blog-Eintrag vom 11. November 2007, aus dem Chinesischen ins Englische übersetzt von Spencer und Ye.[1]

Die Frage der Sicherheit von Spielzeug aus chinesischer Produktion hat im Laufe des Jahres 2007 hierzulande ungewöhnlich viel öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, als unter anderen der Spielzeug-Multi Mattel Inc. wegen Sicherheitsmängeln und Rückrufaktionen seiner Markenprodukte »Made in China« in Verruf gekommen war, die Verantwortung postwendend an seine chinesischen Zulieferer abgeschoben hatte, sich später aber beim »chinesischen Volk« für diese pauschale Schuldzuweisung entschuldigen musste.

Aber wie sieht es eigentlich mit den Sicherheitsinteressen der Menschen an jenem anderen Ende der globalen Wertschöpfungskette aus? Etwa in China, der inzwischen hierzulande oft so betitulierten »Werkbank der Welt«: Der »Fall« Gold Peak Batteries International Ltd., über den wir im express bereits mehrfach berichtet haben (u.a. Nr. 12/2006 und 1/2007), ist nur eines von vielen Beispielen. Das Unternehmen produziert Nickel-Cadmium-Batterien (NiCd-Batterien). Diese haben weltweit zwar nur noch einen relativ kleinen Marktanteil, aber für die Verwendung in Spielzeug, Fotoapparaten, Akkuschraubern, schnurlosen Telefonen etc. immer noch Vorteile: Sie sind leistungsstark und vor allem preiswert. Nur ist Cadmium leider eine sehr giftige und für den Menschen in vielerlei Hinsicht extrem gesundheitsschädliche Chemikalie (siehe Kasten 1).

Kasten 1: Cadmium

Cadmium und seine Verbindungen sind als »sehr giftig« eingestuft; außerdem besteht begründeter Verdacht auf krebsauslösende Wirkung beim Menschen. Eingeatmeter cadmiumhaltiger Staub führt zu Schäden an Lunge, Leber und Niere. Cadmium hat keine Funktion im menschlichen Körper. Cadmiumstaub kann aber wie ein Schwangerschaftshormon wirken. Gemäß Chemikalienverbotsverordnung darf der Cadmiumgehalt in Kunststoffen 0,01 Gewichtsprozent (100 mg/kg) nicht überschreiten. Dieser Grenzwert gilt EU-weit.

In Arbeitsbereichen, in denen mit erhitzten Cadmiumverbindungen gearbeitet wird (Lötplätze und Cadmierbäder), ist für eine gute Durchlüftung oder Absaugung zu sorgen. Besonders Personen, die in Fabriken mit hohem Cadmiumausstoß arbeiten, sind erhöhten Gefahren ausgesetzt. Aber auch von wilden Müllplätzen und Metallwerken gehen Gefahren aus. Das Einatmen von Cadmium kann die Lungen ernsthaft schädigen und sogar zum Tod führen. Unfälle in der Industrie und jahrzehntelange Emissionen machen die realen Gefahren deutlich.

Symptome: Durchfall, Magenschmerzen und heftiges Erbrechen; Nierenschädigung; Knochenbrüche; Schäden am Zentralnervensystem; Schäden am Immunsystem; Störungen in der Fortpflanzung und eventuell sogar Unfruchtbarkeit; Psychische Störungen; Mögliche DNA-Schäden und Krebsentstehung

(Quelle: Wikipedia; Stichworte: »Cadmium« und »Nickel-Cadmium-Akkus«)

Die EU hat hierauf inzwischen mit einem weitgehenden Verbot reagiert (siehe Kasten 2). Die NiCd-Batterie ist also in Europa ein Auslaufmodell und wurde bereits in den letzten Jahren nach und nach durch andere Technologien ersetzt. In den USA hingegen fehlt eine entsprechende gesetzliche Regelung, und so verzichten zwar einzelne Unternehmen freiwillig auf NiCd-Batterien, doch diese machen immer noch drei Prozent des dortigen Batteriemarktes aus. [2]

Kasten 2: EU-Richtlinie zu gefährlichen Stoffen in Elektro- und Elektronikgeräten

Im Dezember 2002 hat der EU-Ministerrat eine Richtlinie (2002/95/EG) verabschiedet, deren Ziel es ist, die technische Nutzung von Cadmium zu reduzieren. Vorbehaltlich der Zustimmung des EU-Parlaments sollten die Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren durch nationale Gesetze zunächst Nickel-Cadmium-Akkus verbieten. Auf Wunsch einiger Mitgliedsstaaten – darunter auch Deutschland – sollten jedoch unter anderem schnurlose Elektrowerkzeuge, so genannte Power Tools, von dem Verbot zunächst ausgenommen werden, weil »für Power Tools nicht sichergestellt ist, dass gleichwertiger Ersatz aktuell verfügbar ist«. 2006 hat das Europäische Parlament eine veränderte Version der Richtlinie (2006/66/EG) angenommen, die Batterien und Akkumulatoren mit mehr als 0,002 Gewichtsprozent Cadmium verbietet. Diese Richtlinie muss bis 2008 umgesetzt sein.

(Quelle: Wikipedia; Stichworte: »Cadmium« und »Nickel-Cadmium-Akkus«)

Die Karriere der NiCd-Batterie ist beispielhaft für den Umgang der global operierenden Unternehmen mit gefährlichen Technologien, Umweltproblemen und arbeitsintensiver bis hin zu gesundheitsschädlicher Produktion: Sie exportieren sie. Sobald in den alten Industrieländern Schutzmaßnahmen für Beschäftigte bzw. ökologische Grenzwerte gesetzlich verankert oder die so genannten »externen« Produktionsfolgen – wie bescheiden auch immer – bepreist und den Unternehmen in Rechnung gestellt werden, ziehen diese dahin weiter, wo menschliche und ökologische Ressourcen noch wohlfeil zu haben sind. Kostensenkung ist das oberste Gebot.

So landen giftige Chemikalien wie das Cadmium inzwischen meist nicht mehr in europäischen oder US-amerikanischen Körpern, Böden und Flüssen, sondern vernichten vorzugsweise anderswo Umwelt und Gesundheit der Menschen. In den Ländern der Ersten Welt muss sich bald niemand mehr mit diesen Altlasten gesundheitsschädlicher Produktion herumschlagen, denn das käme die Unternehmen viel zu teuer zu stehen: Teure Schutzvorkehrungen, Sanierungskosten, millionenschwere Entschädigungsprozesse und Imageverluste können – so das Kalkül, das leider allzu oft aufgeht – mit der Verlagerung »weit weg« in Zukunft vermieden werden.

In den USA selbst beispielsweise gibt es heute noch exakt zwei Unternehmen, die NiCd-Batterien herstellen – und das für hochspezialisierte Anwendungen wie z.B. in Flugzeugmotoren und unter strengen arbeits- und umweltschutzrechtlichen Auflagen.

Verseuchung

Auch in China gelten offiziell die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO für den Umgang mit Cadmium, und nicht in allen Fabriken wird dagegen verstoßen. Die leidvolle Erfahrung von Millionen Beschäftigten in Ländern rund um die Welt zeigt allerdings, dass die bloße Existenz von Gesetzen noch lange nicht bedeutet, dass diese auch zur Anwendung kommen, geschweige denn ihre Einhaltung wirksam kontrolliert wird.

So stellen Spencer und Ye [3] fest: »In China gibt es Dutzende massivst kontaminierte Cadmium-›Brennpunkte‹. Über zehn Prozent des chinesischen Ackerlandes sind mit Cadmium und anderen Schwermetallen verseucht, die so ins Essen der Menschen gelangen. In den vergangenen zwei Jahren hat eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien bedenkliche, stellenweise auch exzessive Mengen Cadmium in Obst und Gemüse von chinesischen Feldern nachgewiesen. Die Batterieindustrie ist dabei nicht der einzige Verursacher, aber ein zentraler.«

Während Umwelt und Menschen in den Produktionsländern geschädigt werden, waschen die auftraggebenden großen Konzerne ihre Hände in Unschuld. So z.B. der Spielzeughersteller Mattel Inc. im Zusammenhang mit einer der eingangs erwähnten Rückrufaktionen (Spielzeug mit stark bleihaltigem Anstrich, Pressemitteilung 14. August 2007): »Das Spielzeug wurde von einem Vertragsherstellerwerk von Mattel hergestellt, das einen weiteren Zulieferer mit dem Anstrich von Teilen des Spielzeugs beauftragt hatte. Obwohl der mit dem Anstrich beauftragte Untervertragsnehmer verpflichtet war, Farbe zu verwenden, die ihm direkt vom Vertragsherstellerwerk zur Verfügung gestellt wurde, verstieß er gegen Mattels Standards und verwendete Farbe eines nicht-autorisierten Dritt-Lieferanten.«

Aber gerade diese transnational agierenden Konzerne sind es, die ihre Zulieferer und Sub-Zulieferer mit immer härterem Druck auf die Preise in einen gnadenlosen Dumping-Wettbewerb hineintreiben, in dem diese nur überleben können, wenn sie ihrerseits jede nur denkbare Möglichkeit zur Kostensenkung ausloten. Ohne über die tatsächlichen Geschehenisse im konkreten Fall urteilen zu wollen: Es wäre vor diesem Hintergrund stets eine zumindest ökonomisch rationale Entscheidung, die schöne, teure Farbe zu verkaufen und für die Produktion billigere zu benutzen, um das Überleben des Betriebes und der Jobs zu sichern.

Natürlich ist auch unter den Zulieferern der Typ des skrupellosen »Mitnehmers« verbreitet, den die auftraggebenden Konzerne wie in der Mattel-Pressemeldung generell unterstellen. Allerdings finden sich in solchen Fällen die Beschäftigten typischerweise eines Morgens plötzlich vor verschlossenen Toren, ohne Chance auf Zahlung noch ausstehender Löhne für manchmal mehrere Monate, die Fabrik ist ausgeräumt und ein paar Kilometer weitergezogen, wo sie die Produktion unter neuem Namen mit neuen Beschäftigten wieder aufnimmt und ab da unbehelligt weiterproduziert – bis zum nächsten Ärger mit lästigen Gewerkschaften oder Auflagen. Weniger typisch ist hingegen für solche Fälle von moralvergessener Selbstbereicherung, dass der Fabrikbesitzer am Ende Selbstmord begeht, wie im Fall eines der von der erwähnten Mattel-Pan-nenserie betroffenen Betriebe.

Den Zulieferern die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards abzufordern, die man zu Hause in Form von mit glücklichen Menschen bebilderten Hochglanzbroschüren unter den Stichworten »Company Code of Conduct« und »Corporate Social Responsibility« [4] vor sich herträgt, während man gleichzeitig den Produzenten gegenüber die Abwärtsspirale der Preise weiter anheizt, ist ein Widerspruch in sich. Aus Perspektive der Konzerne ist es der logische Ausdruck einer perfiden Strategie der Gleichzeitigkeit von ausbeuterischer Realität und sauberem Image.

Aber Arbeitsschutz und Umweltschutz sind nicht zum Nulltarif zu haben! Ein ernst gemeinter Unternehmenskodex kostet Geld!

So lange sich diese Einsicht nicht herumgesprochen hat, werden die multinationalen Konzerne immer wieder versuchen, Schaden vom Unternehmensimage allein mit wohlfeilen Unschuldsphrasen und hübschen, bunten Prospekten abzuwenden.

Kampagnen

Gewerkschaften und Gruppen von AktivistInnen müssen in ihren Kampagnen zur Unterstützung der betroffenen Beschäftigten Druck auf die großen, transnational agierenden Konzerne ausüben, wenn sie etwas bewirken wollen. Im Rahmen der Gold Peak-Kampagne bedeutet das konkret: Unternehmen sind gedrängt worden, die Nutzung von NiCd-Batterien in ihren Produkten auslaufen zu lassen. Toys’R’Us Inc. und Mattel Inc. haben sich hierzu im Februar 2008 bereit erklärt, und der internationale Druck auf weitere betreffende Unternehmen wächst, als da wären: Canon, Casio, Fuji, JVC, Kodak, Konica Minolta, Nikon, Olympus Panasonic, Pentax, Ricoh, Sony und Toshiba, um nur die größten zu nennen.

Die legitimen Anliegen der kranken und kontaminierten ArbeiterInnen – eine menschenwürdige Behandlung, die Anerkennung ihrer Gesundheitsschäden als Folge ihrer Arbeit bei Gold Peak sowie angemessene Entschädigungs- und Abfindungszahlungen – werden indessen von der Gegenseite weiter durch die Instanzen getrieben. Unternehmens-Chef Victor Lo hat es von Anfang an vorgezogen, die Erkrankten als Simulanten zu bezeichnen, denen es nur darum ginge, sich mit solchen Zahlungen die Taschen zu füllen. Und statt eine angemessene Entschädigung zu erwägen, verklagte das Unternehmen lieber gleich drei Organisationen (Globalisation Monitor, ITUC/HKCTU, Neighbourhood and Workers Service Center), die den Betroffenen in einer nun schon Jahre andauernden Kampagne zur Durchsetzung ihrer Ansprüche verhelfen wollen.

Mit einem Aufruf zum International Commemoration Day am 28. April wies die International Trade Union Confederation (ITUC) noch einmal darauf hin, dass Gold Peak weiterhin unbehelligt produziert [5]: »Ständig gibt es Berichte über fehlenden Schutz der Beschäftigten vor Kontakt mit gefährlichen Substanzen, über mangelndes Monitoring und verdächtige Risikoanalysen durch das Unternehmen und die lokalen Behörden. Unfälle, Krankheiten, ungelöste Konflikte, Streiks, Gerichtsverhandlungen und die Weigerung, unrechtmäßig Gekündigte wieder einzustellen, verschärfen die Situation zusätzlich. Darüber hinaus wurde den Betroffenen vollständige und faire Entschädigung verweigert. Die Klage gegen die Gewerkschaft Hong Kong Confederation of Trade Unions (HKCTU, Mitglied der ITUC) und lokale Gruppen wird vom Unternehmen nach wie vor betrieben, um lokale AktivistInnen mundtot zu machen.«

Dabei hatte das Unternehmen nach der schlechten Presse durch die Kampagne behauptet, die Produktion von NiCd-Batterien eingestellt zu haben. Tatsächlich jedoch hatte das Management – ganz im Trend der Zeit – eine kreativere Idee: Auslagerung der potenziell gesundheitsschädlichen Produktion an einen Zulieferer.

* Anne Scheidhauer ist Mitarbeiterin des TIE-Bildungswerks und dort Ansprechpartnerin für das ExChains-Projekt.

Erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 5/08

Zum Weiterlesen:


(1) Jane Spencer/ Juliet Ye: »Toxic Factories Take Toll On China’s Labor Force« externer Link , in: The Wall Street Jounal Online, 15. Januar 2008;

(2) Ebd.

(3) Ebd.

(4) Company Code of Conduct (CoC): unternehmenseigener Verhaltenskodex; eine Art imagewirksame Selbstverpflichtung von Unternehmen auf soziale und ökologische Standards; Corporate Social Responsibility (CSR): angewandte soziale Verantwortung von Unternehmen

(5) ITUC/Global Unions: »28. April International Commemoration Day (ICD), Hong Kong Unions Focus on Cadmium, Cancer Fears in Chinese Factories« externer Link, 28. März 2008;


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