Chemiefutter, Städteplaner, Staudammbauer: Warum sollten sie in China besser sein?

Weniger internationale Aufmerksamkeit als Arbeitskämpfe und Arbeitsbedingungen erhielten die zahlreichen Auseinandersetzungen um städteplanerische Willkürakte, Massenvertreibungen durch Staudämme oder Gesundheitsproblemen wegen Nahrung. Vielleicht auch, weil man mit solcherart Meldungen schlafende Hunde wecken würde? Ganze Flüsse umzuleiten - noch dazu welche, die an der nationalen Mythenbildung Anteil haben - ist keine chinesische Besonderheit, ist Grund für Auseinandersetzungen in der Türkei wie in Brasilien. Und wie man qua Städteplanung Privatinteressen durchsetzen kann - und dies mit massiver Polizeirepression durchsetzt - könnten chinesische Experten auf einer Studienreise nach Stuttgart lernen. Interessant ist es dabei vor allem, zu versuchen, die Vielfalt der Protestbewegungen zu erfassen, was wir mit der knappen Materialsammlung "Vielfältige Proteste" vom Dezember 2010 zu tun versuchen.

Die Vielfalt der Proteste...

Zwangsräumung - und der Widerstand dagegen - ist weltweit eine soziale Erscheinung, die sich ausbreitet, auch in China. Eines von vielen möglichen Beispielen wird in der englischen Übersetzung des Berichts "District Government Website Declines To Delete Abusive Comments" geschildert, aus Foshan, bei EastSouthWestNorth am 27. September 2010. Die chinesische Webseite Bloody Map versucht einen Überblick über möglichst alle Zwangsräumungen und Widerstandsaktionen zu geben und wurde am 28. Oktober 2010 bei Global Voices Online in englisch vorgestellt: "China: Mapping violent evictions for homebuyer awareness" und verzeichnete da schon 82 Vorfälle. Als Ergänzung: "And Now Presenting: Amazing Satellite Images Of The Ghost Cities Of China" von Chandni Rathod und Gus Lubin am 14. Dezember 2010 im Business Insider - "Geisterstädte" der Höhepunkt jeglicher planerischen Kompetenz.

Was dem einen sein Dioxin, ist dem anderen Melanin: Chemiefutter, ein Kennzeichen der Menschenfeindlichkeit eines gesellschaftlichen Systems, egal, wie es sich nennt. Einige Verantwortliche wurden jedenfalls in China drakonisch bestraft - geholfen hat das aber nicht. Den Betroffenen jedenfalls nicht. Was in der Tagesschau am 10. November 2010 die Meldung war "Zweieinhalb Jahre Haft für engagierten Vater" ist bei Asian Sentinel am 03. Januar 2011 der ganz ausführliche Bericht "China's Baby killers Triumph Over Parents" von Terry Ng: Der Vater eines der schwer nierenkranken Kinder wurde wegen seines Protests verurteilt. Warum? Weil er soziale Unruhe geschürt habe. Und die Justiz welcher Klasse ist das nun? Der Sentinel Artikel jedenfalls dokumentiert nochmals den ganzen Fall chronologisch, inklusive zahlreicher Proteste.

Einen - "bittersüßen" - Erfolg von Umweltaktivisten vermeldet im China Dialogue "Bittersweet triumph for eco-warriors" Sam Geall - ein Video über den fünfjährigen Kampf gegen eine Chemiefabrik...wiederum ein Beispiel von vielen möglichen.

Der "Fall Li Gang" (wie er hier beim englischen Wikipedia dokumentiert ist) - ein Autofahrer, der einen tödlichen Unfall verursacht hat, beruft sich auf die Stellung seines Vaters in der Partei, um der Verfolgung zu entgehen - ist ein Beispiel für die Wirksamkeit von Internetprotesten. In einer ganzen Reihe von Artikeln verfolgen die China Geeks den erfolgreichen Protest weiter, hier "Behind the Li Gang Case, Part 3: "A Sleepless Night in Xiaofeng's Home" vom 30. Dezember 2010.

Einen - nach eigenen Angaben sehr unvollständigen - Überblick über Erfolge und Mißerfolge von Nichtregierungsorganisationen in China zieht in "The Best and Worst of 2010 for China's NGOs" Shawn Sieh in seinem Blog NGOs in China. Was in jedem Falle deutlich wird, ist die Vielfalt der Aktivitäten und die in der Summe keineswegs wenigen Erfolge.

Einen Einblick in die Vielfalt der sozialen Proteste und Auseinandersetzungen gibt auch die kontinuierliche Chronologie "China 2010" bei Welt in Umwälzung.

Zusammengestellt von hrw