Home > Internationales > Kamerun > sauberehaende | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der „Weltmeister“ in Sachen Korruption lanciert Saubermann-Kampagne. Heftige Machtkämpfe innerhalb des Regimes vor dem Hintergrund der „Saubere Hände“-Operation Was ist das für ein Regime? Haben die USA einen neuen „Schurkenstaat“ im Visier? Einer seiner prominentesten Figuren – Françoise Foning, Politikerin und Geschäftsfrau, Bürgermeisterin des wohlhabendsten Bezirks in der Wirtschaftsmetropole des Landes – verweigert die US-Botschaft am 14. August dieses Jahres ein Visum zur Einreise in die Vereinigten Staaten. Begründung: Massive Beteiligung an der im Lande grassierenden Korruption. Madame ist bestürzt und zeigt sich völlig überrascht. Kurz darauf wird bekannt, dass der frühere Botschafter des Landes in den USA, Jérôme Mendouga, politisches Asyl in Nordamerika beantragt hat. Dieses wird ihm jedoch verweigert, und am 22. August berichten einheimische Zeitungen, seine Auslieferung durch die US-Justiz an den „eigenen“ Staat stehe kurz bevor. Der Botschafter war durch ein Präsidentendekret vom 11. März dieses Jahres abberufen und zurück in die Hauptstadt Yaoundé geholt worden. Er war jedoch im Juni zurück in die USA gereist, angeblich nur, „um die Modalitäten der Amtseinführung seines Nachfolgers zu regeln“. Seitdem fehlte jedoch jede Spur von ihm. Zu Hause wartet man längst auf ihn, um eine polizeiliche Vernehmung anzuberaumen - im Vorgriff auf eine Anklageerhebung aufgrund schwerer Korruptionsvorwürfe. (Vgl. Artikel ) Nicht zuletzt wird im selben Monat publik, dass die US-Bundespolizei FBI Ermittlungen gegen hohe Funktionsträger des Regimes aufgenommen habe, wiederum wegen Korruption. Das FBI war allerdings durch den Staatspräsidenten – Paul Biya – selbst, Anfang August, gegen Amtsträger des eigenen Regimes eingeschaltet worden: Es soll ihm helfen, gestohlenes und auf Auslandskonten transferiertes Geld ausfindig zu machen und „heim zu führen“. (Vgl. Artikel ) Auch andere westliche Staaten, so berichtet die Presse, hätten dem Land entsprechende Amtshilfe versprochen. Steht also eine Strafaktion der USA und befreundeter Staaten gegen einen weiteren „Schurkenstaat“, dem etwa Verwicklung in den „internationalen Terror“ oder sonstige Unbotmäßigkeit vorgeworfen würde, bevor? Nein, so weit gehen die Konflikte nicht – zumal ein Teil des amtierenden Regimes, gegen andere Fraktionen des Staatsapparats und/oder gegen ehemalige Amtsträger, eng mit den westlichen Großmächten und ihren Aufklärungsorganen zusammenarbeitet. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht tatsächlich die Korruption, die in anderen Fällen eher als purer Vorwand dienen mag, um mit einem unliebsamen oder in Ungnade gefallen Regime eines „Dritte Welt“-Landes abzurechnen. In Washington oder London ist man in Sachen außer Rand und Band geratener Korruption in bestimmten Staaten empfindlich geworden. Denn seit dem 11. September 2001 hegt man nunmehr den Verdacht gegen Staaten, die – scheinbar oder tatsächlich – die Kontrolle über die Auswüchse von Korruption und „Misswirtschaft“ verloren haben, sie könnten als Geldwäschestationen für den internationalen Terrorismus von Gruppen wie Al-Qaida dienen. Inzwischen möchte man verstärkt ein Auge auf die dort zu beobachten Finanzflüsse werfen und zumindest einen ständigen Überblick behalten, um notfalls manche finanzpolitischen „Sümpfe“ auch trocken legen zu können. Jedenfalls dann, wenn der Verdacht besteht, dass Geldwäscheanlagen nicht mehr nur westlichen Firmenvertreten und „Kriminellen im weißen Kragen“ dienlich sein, sondern auch von Al-Qaida oder Geistesverwandten genutzt werden könnten. Goldmedaille in Sachen Korruption Kamerun, denn um dieses Land geht es an dieser Stelle, hat tatsächlich in den vergangenen Jahren einen „herausragenden“ Ruf in Sachen Korruption und Diebstahl „öffentlichen“ Vermögens erworben. (Vgl. auch Artikel in Die Zeit ) Zwei mal gewann das zentralafrikanische Land in jüngerer Zeit die „Goldmedaille“, also die Einstufung als korruptester Staat des Planeten: Die NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) ‚Transparency International’, die gegen „Finanzverbrechen“ wie etwa Hinterziehung öffentlichen Eigentums und Geldwäsche kämpft, veröffentlicht alljährlich einen Report über die Korruption in der Welt. Im Jahresbericht 1997 tauchte Kamerun als Schlusslicht an letzter Stelle unter allen Ländern auf, sprich: als am stärksten vom Phänomen der Korruption zerfressener Staat. (Vgl. Artikel ) Ein Jahr später schaffte das Land es zwar, auf den drittletzten Platz vorzurücken. Doch am 28. Oktober 1999 veröffentlichte Transparency International einen neuen Jahresbericht, in dem Kamerun erneut auf die Position des Schlusslichts, also des „korruptesten Staats der Erde“, rückte. (Vgl. Artikel ) Zwischenzeitlich, in den Jahren dazwischen und danach, bekleidete Kamerun mal den dritten und mal den siebten Platz – von hinten. Im Jahr 2007 schaffte das Land es hingegen, nur noch den 138. Platz von insgesamt 179 einzunehmen, also nicht mehr ganz hinten zu liegen (wobei der letzte und 179. Staat der Liste als „der korrupteste“ gilt). Die Schlusslichter bildeten in jenem Jahr Somalia, dessen Zentralstaat allerdings quasi implodiert ist, sowie das durch eine finstere Militärdiktatur mit ideologischem „Autarkie“-Anspruch regierte Birma respektive Myanmar (vgl. Artikel ) Im jüngsten jährlichen Abschlussbericht, den die internationale NGO am 9. Dezember 2007 publizierte, gilt allerdings Kamerun schon wieder als „der korrupteste Staat“ (vgl. Artikel und Artikel ) Sicherlich, die durch die NGO Transparency International etablierte Ranking-Liste kann keinen streng wissenschaftlichen Charakter für ihre „Messung des Korruptionsniveaus“ beanspruchen. Einer der Hauptindikatoren, auf denen ihre Studien basieren, sind Selbsteinschätzungen und Eigenangaben von befragten Angehörigen der jeweiligen Bevölkerungen – für ihre jüngste Studie hat die internationale NGO etwa über 63.000 Menschen in 60 Ländern nach einem Fragenkatalog interviewt. Insofern enthält die Studie ein erhebliches Maß an Subjektivität seitens der befragten Personen, sie misst in gewisser Weise das Ausmaß der „gefühlten Korruption“. Dennoch führt dies, so fern die Ermessungsbasis nur breit genug ist und der Fragenkatalog genau genug formuliert ist, zu objektiven Indikatoren – wenn beispielsweise in Kamerun 79 Prozent der Befragten angeben, dass sie (im zurückliegenden Jahr als Beobachtungszeitraum) Schmiergelder abdrücken mussten, um Zugang zu Basis-Versorgungsdiensten wie Krankenhäusern, Schulen oder für den Anschluss ans Elektrizitätsnetz. Zum Vergleich: In Frankreich spricht rund 1 Prozent der durch Transparency International Befragten von der Notwendigkeit, Schmiergelder für die – bessere, leichtere oder schnellere – Erfüllung sozialer Grundbedürfnisse abzudrücken. In entwickelten Ländern betrifft dies etwa die Korruption unter Ärzten im Krankenhauswesen, um einen schnelleren Termin für eine spezielle Behandlung oder Operation zu erhalten. Solche Dinge existieren also auch in westlichen Industrieländern, stellen dort aber weitem kein solches Massenphänomen vor wie in mehreren afrikanischen (und, mit Abstrichen, manchen asiatischen) Staaten. Wie etwa Kamerun. Staat ohne Versorgungsfunktione Das Ganze spielt sich dort vor dem Hintergrund eines Staates ab, der kaum oder so gut wie nicht öffentliche Dienstleistungen für seine Bürgerinnen und Bürger unterhält. Von den üblichen Aufgaben, die ein moderner Staat insbesondere in den „entwickelten“ Ländern einnimmt – repressive Funktionen einerseits, um einen Umsturz oder das „Überborden“ sozialer Spannungen und Konflikte zu verhindern, einerseits und sozialstaatliche sowie integrative Funktionen andererseits – nimmt der kamerunische Staat überwiegend nur die Ersteren wahr. Denn an diesem Staat funktioniert vor allem eines: Polizei, Gendarmerie und Armee. Betrachtet man eine Nachrichtensendung in einem kamerunischen Fernsehsender wie etwa ‚Canal Deux’, die am Abend 30 bis 45 Minuten dauern kann, so nimmt ein Drittel bis die Hälfte der Sendung die Berichterstattung über neue Ernennungen in den repressiven Staatsorganen ein. So wird etwa während mehrere Minuten ein Auszug aus der Ernennungszeremonie für einen neuen Präfekten, Kommandanten oder regionalen Hauptkommissar der Polizeiorgane übertragen, gefolgt von den Bildern der anschließenden Parade. Ansonsten nimmt dieser Staat, jedenfalls ohne Schmiergeldzahlungen, kaum eine seiner „typischen“ Aufgaben wahr: Das Straßennetz, das oft noch aus der (1960 beendeten) Kolonialära stammt, ist ebenso verrottet - mit Ausnahme der großen Überlandstraßen, die gut unterhalten sind, wobei keine Autobahnen existieren - wie die Wasserrohre. In der Wirtschaftsmetropole Douala weisen viele Straßen (von denen fast alle „zweitrangigen“ ungeteert sind) Schlaglöcher auf, die oft Bombenkratern ähneln und sich in der Regenzeit im Juli/August mit Schlamm auffüllen. Wasser kommt entweder gar nicht aus der Leitung, sondern muss außerhalb der Wohnung an einer Pumpe geholt werden. Oder es sprudelt in einem Zustand aus dem Wasserhahn, dass die Menschen gezwungen sind, einen (von ihnen selbst erworbenen) chemischen oder Kohlefilter zu benutzen, um die bräunliche Brühe ohne Lebensgefahr trinken zu können. Eine positive Ausnahme bildet das Leitungswasser in der Hauptstadt Yaoundé, das als von relativ guter Qualität gilt, aber ebenfalls von Europäern besser nicht ohne Reinigung durch Filtertabletten getrunken werden sollte. Das Schulwesen ist (trotz offiziellen Bestehens einer Schulpflicht) kostenpflichtig und wird daher aus finanziellen Gründen, vor allem außerhalb der größeren Städte, nicht durch alle Eltern genutzt. Bereits im Kindergartenalter kostet ein Schuljahresbeginn in der Wirtschaftsmetropole Douala rund 85.000 Francs CFA – das sind umgerechnet rund 120 Euro, aber für viele Einwohner das Mehrfache eines Monatslohns: Der gesetzliche Mindestlohn SMIC wurde in diesem Jahr von 23.000 auf 28.000 Francs CFA, das sind umgerechnet rund 45 Euro, angehoben. Und in den Krankenhäusern wird ebenfalls eifrig die Hand aufgehalten. Mitunter wird Patienten, die etwa unter einer Lebensmittelvergiftung leiden, statt einer Infusion nur noch Wasser in die Adern geleitet, wenn sie nicht genügend bezahlt haben. Die Korruption ist also in einem solchen Kontext keine irgendwie lästige Begleiterscheinung, sondern ein Regierungssystem als solches. Es konstituiert den organisierten Diebstahl an den Reichtümern einer Nation. Dies kann selbstverständlich nicht ohne Auswirkungen auf seinen gesamten „Entwicklungs“modus bleiben. Um es mit einem bekannten Witz aus Algerien (einem Land, das ebenfalls von diesem Phänomen betroffen ist, aber doch in geringerem Ausmaß als Kamerun) zu formulieren: „Treffen sich ein italienischer und ein algerischer Architekt, die zusammen studiert haben, nach langen Jahren wieder. Zuerst besucht der Algerier seinen italienischen Kollegen, und staunt über dessen prächtige Villa. Antwortet der Italiener: ‚Siehst Du die Brücke da hinten, über den Fluss? Sie sollte ursprünglich 2,2 Kilometer lang werden. Ich habe 2 Kilometer gebaut, sie aber nicht fertiggestellt. Mit dem Rest an Baumaterial habe ich meine Villa errichtet. Nun schlägt sich die Regierung damit durch, die Brücke fertig zu bekommen.’ Wiederum ein paar Jahre später besucht nun der Italiener den algerischen Architekten. Dieser bewohnt nicht nur eine Villa, sondern einen veritablen Palast. Staunt der Italiener: ‚Wie hast Du das nur fertig bekommen?’ Antwortet der Algerier: ‚Siehst Du die Brücke da hinten?’ Aber der Andere kann zwar einen Fluss, aber überhaupt keine Brücke erblicken. Daraufhin der Algerier: ‚Eben, siehst Du...’ ...“ Auf der Suche nach Erklärungen Kamerun war lange Jahren, jedenfalls in den Augen seiner eigenen Bevölkerung, Spitzenreiter bei diesem Phänomen. Übertroffen wurde es in jenen Jahren, in denen es bei ‚’Transparency International’ nicht den negativen „Spitzenplatz“ hielt, meist – mit kurzem Vorsprung - durch Nachbarstaaten, die derselben Region angehören, wie Nigeria (vgl. Artikel ) oder den Tschad (vgl. Artikel ) Woran aber liegt die besondere „Anfälligkeit“ dieser Staaten für Korruption in großem Ausmaß? Lassen wir, zunächst einmal, jeglichen rassistischen Pseudo-Erklärungsansatz - der die Gründe dafür in einer vermeintlich natürlichen „Mentalität“, in angeborenen Eigenschaften oder den Chromosomen sucht – beiseite. Solcherlei „biologisierende“ Erklärungsmuster haben noch nie etwas zu erklären vermocht, und der Wandel von Gesellschaften im Laufe der Jahrzehnte lässt sich mit ihnen gar nicht erst begreifen. An rationalen, materialistischen Erklärungsfaktoren bieten sich zwei Faktoren an, die einander keineswegs ausschließen, sondern im Gegenteil einander sinnvoll ergänzen können. Einerseits handelt es sich bei allen zuvor aufgezählten Ländern um Erdöl produzierende Staaten: Nigeria ist der größte Erdölförderstaat auf dem afrikanischen Kontinent. Kamerun ist, mit der Offshore-Förderung nahe den Küsten des Golfs von Guinea, ebenfalls ein wichtiger Erdölproduzent, wenngleich seine Förderkapazitäten in den letzten Jahren zunehmend zurückgingen. (Laut der französischen Zeitschrift ‚Afrique-Asie’, Ausgabe Januar 2008, ging diese von 185.000 täglich geförderten Barrel vor zwanzig Jahren auf 80.000 Barrel pro Tag im Jahr 2006 zurück. Im Vergleich dazu weist Nigeria derzeit eine Tagesförderung von 2 Millionen Barrel auf, dicht gefolgt vom neuen Ölproduzenten Angola, vgl. Artikel ) Nun wird seine Erdölfördermenge allerdings in naher Zukunft möglicherweise wieder ansteigen, nachdem Nigeria die zwischen beiden Ländern jahrelang umstrittene Halbinsel Bakassi am 14. August dieses Jahres in einer feierlichen Zeremonie an Kamerun – dem sie laut einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs zusteht – zurückgegeben hat. Unter der Halbinsel und im nahe gelegenen Meer werden reichhaltige Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet, an denen zahlreiche Staaten interessiert scheinen. Deshalb traten auch die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland gleichzeitig als Vermittler in dem – militärisch und juristisch ausgetragenen – zwischenstaatlichen Streit auf, der nun seinen Abschluss gefunden zu haben scheint. Allerdings mosert die kamerunische Presse nun, Nigeria habe das eigene Land bei der Grenzziehung auf hoher See übervorteilt, da man in der kamerunischen Staatskanzlei nur über veraltete Karten verfügt habe... Tschad wiederum wurde, obwohl relativ spät, in den neunziger Jahren in den Club der Erdöl fördernden Staaten aufgenommen. In den letzten Jahren wurde eine Pipeline vom tschadischen Territorium an die kamerunische Atlantikküste verlegt. Die Existenz einer, starke Devisenmengen abwerfenden, Erdölindustrie in mehr oder minder autokratisch regierten Staaten ist aber ein enormer „Korruption schaffender“ Faktor. Denn sie bildet über kurz oder lang einen Pool von (Devisen-)Reichtümern, den zunächst eine im Umfeld der Machthaber stehende Clique unter sich aufzuteilen bestrebt ist – an dem an der Rest der Gesellschaft, „mit allen Mitteln“, zu partizipieren versucht. Dadurch bilden sich „Seilschaften“ und klientelistische Netzwerke, über die die Brosamen des Reichtums – im Austausch gegen Loyalität, Wohlverhalten und Dienstleistungen – verteilt werden. In Nigeria wird etwa geschätzt, dass rund ein Viertel der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise am Ölreichtum partizipiere (vgl. Artikel ) Dieses mit Abstand einwohnerreichste Land Afrikas ist zugleich, neben der Korruption, für sein extrem hohes Ausmaß an Gewaltkriminalität in allen Formen und seine hohe Mordrate bekannt. Gleichzeitig erstickt das Vorhandensein eines „Pools“ an Devisenreichtümern, die aus der Ölrente resultieren, so manche andere wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivität. Denn die Machthaber und ihr Umfeld - die „im Kopf“ häufiger eher im komfortablen Europa als auf dem eigenen Kontinent leben und für die alle aus Europa importierten (Luxus-)Güter und Waren als „schick“ gelten – ziehen es oftmals vor, Dinge zu importieren, statt sie im eigenen Land produzieren zu lassen. Selbst dort, wo dies mit den vorhandenen ökonomischen Potenzialen möglich (gewesen) wäre. Dies aber erstickt viele einheimische Produktionszweige im Keim. In Nigeria, wo jahrzehntelang nur zwei bzw. drei „Wirtschaftsbranchen“ wirklich funktionierten – die Erdölindustrie, die Korruption zuzüglich der Raubkriminalität - , ist dieses Phänomen besonders ausgeprägt. In Kamerun ist es deutlich abgeschwächt, da hier eine starke Agrarwirtschaft (die oft exportorientiert ist, allerdings sich – wie die Bananenplantagen im Westen des Landes – oft noch in den Händen von Franzosen befindet) existiert. Auch funktionieren einige Industriezweige in Kamerun, wo etwa Nahrungsmittel, Kosmetika wie Parfüm und andere Seifenprodukte oder Möbel hergestellt werden. Allerdings wiederum oftmals mit französischem oder sonstigem ausländischem, inzwischen oft auch chinesischem, Kapital - das seine Gewinne in der Regel aus dem Land abführt. Zum Zweiten wurden diese Länder, die in der Regel (wie Nigeria, Kamerun und Tschad) im Jahr 1960 von französischer respektive britischer Kolonialherrschaft unabhängig wurden, oft von vornherein in die Hände ultrakorrupter, aber den früheren Kolonialmächten gegenüber gefügigen „Eliten“ übergeben. In vielen Fällen haben die einheimischen Bevölkerungen ihre politischen Machthaber nicht selbst gewählt. Bezüglich der Erdölförderländer Kamerun und Gabun hat ein früherer hochrangiger Vertreter der französischen Ölindustrie offen angegeben, dass seine eigene Branche die jeweiligen Präsidenten ausgewählt habe: In einer „Beichte“, die am 12. Dezember 1996 auf einem Dutzend Seiten im französischen Wochenmagazin L’Express erschien, hatte der frühere Vorstandsvorsitzende des französischen Erdölkonzerns Elf-Aquitaine (der inzwischen, nach mehreren Fusionen, in dem französisch-belgischen Giganten Total aufgegangen ist) Loïc Le Floch-Prigent die Einflussnahme seiner Firma auf dem afrikanischen Kontinent beschrieben. Im Hintergrund stand, dass Le Floch Prigent damals aufgrund einer Anklage wegen Veruntreuung von Firmenvermögen zugunsten persönlicher Interesse seit Juli 1996 in Untersuchungshaft saß. Nachdem er sechs Monaten hinter Gittern geschmort hatte und die erwartete Unterstützung durch prominenten Politiker und Wirtschaftsvertreter für ihn ausblieb, begann Le Floch-Prigent, in der Öffentlichkeit „auszupacken“. Dies stellte eine Drohung dar, für den Fall, dass man ihm nicht aus der Patsche helfe: In diesem Falle könne er so viel brisantes Wissen ausbreiten, dass er nicht allein untergehe... (Später, im großen Elf-Korruptionsprozess 2003, wurde Le Floch-Prigent zu drei Jahren Haft wegen ungerechtfertigter Vorteilnahme verurteilt. Allerdings kamen in dem Verfahren die schwersten Vorwürfe, etwa bezüglich des Geschäftsgebahrens von Elf in Afrika, nicht zur Sprache.) Im fraglichen „Beicht“artikel hatte Le Floch-Prigent unter anderem über den, seit 1982 und bis heute amtierenden, Präsidenten von Kamerun geschrieben: „Elf-Aquitaine wählt Paul Biya aus...“ Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass die „Eliten“ oft keinerlei Interesse an der Entwicklung ihrer jeweiligen Länder haben. Sind ihre persönlichen Reichtümer doch - im Falle der meisten afrikanischen Potentanten - eher in Paris, an der Côte d’Azur oder in Schweizer Banken geparkt. Bemerkenswert ist auch, dass selbst im Falle weniger schwerer Erkrankungen und Verletzungen prominente Vertreter dieser Regimes keineswegs auf das einheimische Gesundheitswesen – das sie in Trümmern hinterlassen haben – vertrauen, sondern sich selbst regelmäßig in Paris behandeln zu lassen. Die eingangs erwähnte Geschäftsfrau und Bürgermeisterin von Douala-V, dem wohlhabendsten Bezirk der kamerunischen Wirtschaftsmetropole, Françoise Foning, etwa brach sich vor wenigen Jahren bei einem Unfall die Beine. Eine Verletzung, die im Prinzip nicht so schwer in einem Krankenhaus zu behandeln ist. Um sie zu versorgen, charterten der Präsident und seine Gattin jedoch umgehend ein Privatflugzeug, und sie wurde sofort aus Kamerun nach Frankreich ausgeflogen. (Vgl . Artikel ) Das Interesse solcher regierender Cliquen, das Krankenhauswesen im eigenen Lande zu entwickeln, ist entsprechend gering. Auch wenn die Mehrzahl der Kameruner/innen selbstverständlich weder über das nötige Geld noch die erforderlichen Visa verfügt, um es ihren „Eliten“ im Falle einer Erkrankung gleichzutun. Neueste Entwicklung: Kampagne für „saubere Hände“ In den allerletzten Jahren hat sich jedoch eine neue Entwicklung angebahnt. Denn nunmehr stehen die politischen „Eliten“ dieser Länder unter hohem Erwartungsdruck, um der grassierenden Korruption Einhalt zu gebieten. Und dies nicht nur seitens der einheimischen Bevölkerungen, deren Seufzer und Proteste seit Jahrzehnten ungehört blieben. Auf der einen Seite steht der Druck auswärtiger Staaten, und insbesondere der westlichen Großmächte, sowie der internationalen Finanzinstitutionen wie des IWF (Internationaler Währungsfonds) sowie der Weltbank. Obwohl Mächte wie Frank reich und die USA früher solche korrupten Regimes guthießen, weil sie „die Ordnung" aufrecht erhielten und „“kommunistische Subversion" verhinderten, beklagen sie heute die „Geldverschwendung" aufgrund der Korruption - im Namen der 'good governance'. Nachdem die Regimes bislang verhinderten, dass durch Anmelden sozialer Ansprüche durch die Bevölkerung „hohe Kosten" für Rohstoff-Abnehmer oder Kreditgeber entstanden, hat man jetzt noch zusätzliche Einsparpotenziale entdeckt. Werden doch, unter autoritär aber klientelistisch agierenden Regierungen, beispielsweise zahllose „unfähige“ oder untätige Personen im Staatsdienst beschäftigt – die man doch auch entlassen könnte... Denn ein Regime darf zwar autoritär - soll aber nunmehr zusätzlich am besten auch noch finanziell „sauber" sein. Dies ist seit 1991 die Devise in London und Washington, insbesondere seitdem durch die industrielle Entwicklung Chinas Asien zum attraktiven Investitionsstandort wurde und das Interesse an Afrika dadurch abgeschwächt worden ist. Paris, das seit den „Unabhängigkeitserklärungen“ von 1960 stark von seinen engen Beziehungen zu faktischen Vasallen-Regimes profitiert hatte, zog zumindest halbherzig mit. In seiner berühmten Rede vom französisch-afrikanischen Gipfel in La Baule vom Juni 1990 ermahnte Präsident François Mitterrand damals die afrikanischen Potentanten zur ‚good governance’ – ohne je offen das Wort „Korruption“ in den Mund zu nehmen. Er pries ihnen auch die „universellen Werte“ der Demokratie an – ohne je ihre diktatorischen Methoden offen zu verurteilen. In der Folge behalfen sich die autoritären Regimes etwa in Gabun oder dem damaligen Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) damit, offiziell das Mehrparteiensystem auszurufen, um gleichzeitig zahllose neue Parteien aus dem Präsidentenpalast heraus zu gründen. Von je über 100 neu entstehenden politischen Parteien waren so jeweils ungefähr vier Fünftel durch die jeweiligen Machthaber gesteuert. Ähnlich verhielt es sich bei der Korruptionsbekämpfung. Nunmehr hat man aber in Kamerun auch seitens der politischen Machthaber ein Eigeninteresse an der Korruptionsbekämpfung entdeckt. Denn dem Präsidenten, Paul Biya, droht der „Wildwuchs“ der Hinterziehungs-, Bestechungs- und Schmiergeldpraktiken selbst über den Kopf zu wachsen. Beinahe wäre sein eigenes Leben dadurch ernsthaft gefährdet worden. Denn im Jahre 2004 waren einige seiner Minister und Staatssekretäre damit beauftragt worden, ihm ein neues Präsidentenflugzeug zu kaufen, das auf den Namen „Albatros“ hören sollte. Von 50 Milliarden Francs-CFA (umgerechnet rund 75 Millionen Euro), die ihnen dafür zur Verfügung standen, hinterzogen sie jedoch umgehend 27 Milliarden und platzierten sie in einem Steuerparadies auf den Kayman-Inseln. Vom Rest kauften sie bei Boeing eine, nun ja, leicht veraltete Maschine für ihr Staatsoberhaupt. Im darauffolgenden Jahr 2005 stürzte die Maschine, die „Albatros“, beim Landeanflug auf Paris beinahe ab – mitsamt dem Präsidenten an Bord Deswegen müssen nunmehr prominente Köpfe rollen. Der Justizminister, Ahmadou Ali, verfügt laut eigenen Angaben über eine Liste von 64 Namen hochrangiger Regierungsmitglieder, die demnächst dran glauben müssen. Acht von ihnen wurden bislang bestraft, und ehemalige Minister wurden bis zu 40 Jahren Haft verurteilt. Zuletzt wurde im August dieses Jahres der frühere Generalsekretär des Präsidentenpalasts, Jean-Marie Atanga Mebara, vor wenigen Jahren noch der zweit- oder drittmächtigste Mann im Staate, durch die Kriminalpolizei einvernommen. Es wird vermutet, dass auch er demnächst in Haft wandert. Und es ist Präsident Paul Biya selbst, der seinen korrupten Amtsträgern im August das FBI auf die Fersen setzte. Das Publikum amüsiert dieses, öffentlich inszenierte, Köpferollen natürlich. Es dient zugleich als Ventil, um angestauten sozialen Frust über den Zustand des Landes abzulassen. Zur besten Sendezeit werden nunmehr in den letzten Wochen Spielfilme im kamerunischen Fernsehen gezeigt, die etwa einen korrupten Minister in Szene setzen, der während seiner Audienz Bündel von Geldscheinen verteilt – ein durchaus realistisches Szenario. Die Filmemacher machten sich nicht einmal die Mühe, den Eindruck zu erwecken, die Fiktion habe nichts mit der Realität zu tun – der von einem Schauspieler gemimte Minister hat ein Bild des real amtierenden Präsidenten, mit seinen heutigen Zügen, auf dem Schreibtisch stehen. Am Ende wird er jedoch bestraft, und fällt einer Kabinettsumbildung – wie sie real für die kommenden Wochen erwartet wird – zum Opfer. Der Polizist, der bis dahin seine Villa bewachte, nimmt ihm in einer der letzten Szenen die Schlüssel für seinen Dienstwagen weg. Doch dahinter steht die Frage, bis wohin die an die italienische „Operation der Sauberen Hände“ in den 1990er Jahren gemahnenden Vorgänge – in Kamerun hören sie auf den Namen „Opération Epervier“ („Operation Sperber“, benannt nach dem Greifvogel, der seine Beute von oben her überwacht und dann zustößt) – gehen könnten. Eines ist sicher: Der Präsident und seine unmittelbare Umgebung sorgen dafür, dass sie selbst in Sicherheit bleiben. Kritische Medien wie die (nicht im Netz stehende) Satirezeitung ‚Popoli’ unken längst, in Wirklichkeit würden nur Minister weg gesäubert, die dem – mit 72 Jahren allmählich alternden, aber für 2011 seine Wiederwahl anstrebenden – Präsidenten hätten gefährlich werden können. Oder aber die Justizminister Amadou Ali, der die Säuberungsoperation leitet, ihm als „für ihn gefährlich“ präsentierte – die aber in Wirklichkeit nur seine Konkurrenten für die Nachfolge des heutigen Präsidenten hätten werden können. Das Publikum dürfte sich also noch für einige Zeit amüsieren. Wirkliche, tiefgreifende politische Änderungen dürften hingegen voraussichtlich ausbleiben. Bernard Schmid, 07.09.2008 |