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Updated: 18.12.2012 16:00
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33 sind gerettet. 31 sind gestorben: "Es muss sich viel ändern in Chile"

"Es muss sich viel ändern in Chile" - das waren die Worte des Mannes, der als Zweiter der 33 geretteten Bergleute wieder hochkam, Mario Sepulveda Espinace, oft als Sprecher der Eingeschlossenen bezeichnet. Bei aller Freude vergass der Mann die Hintergründe des Unglücks nicht. Und wenn ein weltweiter Medienrummel um die Rettung der Verschütteten dazu führen sollte, dass auch das eine oder andere Mal weiter geschaut werden sollte, dann hätte es in diesem Falle sogar einmal etwas gutes gehabt - trotz aller Bühne für die Profilierungsversuche keineswegs nur des Präsidenten. Dessen Engagement für die Bergarbeiter geht jedenfalls noch nicht einmal so weit, dass Chile bisher die Konvention 176 der Internationalen Arbeitsagentur unterzeichnet hätte, die Sicherheit im Bergbau bringen soll. Was auf der anderen Seite direkt bedeutet: Über die Freude der Rettung kann nicht vergessen werden, dass in diesem Jahr in Chile 31 Bergleute bei kleineren Unfällen starben, was keinerlei internationale Schlagzeilen hervorrief. Dass keineswegs "alle an einem Strang ziehen" macht auch die nicht sehr oft berichtete Tatsache deutlich, dass 27 der 33 betroffenen Familien Klagen gegen das Unternehmen angestrengt haben, wegen Sicherheitsverstößen. Die Zeche war von den Behörden bis Mitte 2009 vorübergehend geschlossen worden, eben weil für den Weiterbetrieb zuerst Sicherheitsauflagen erfüllt werden mussten - allerdings erhielt das Unternehmen die Erlaubnis, den Grundbetrieb mit Subunternehmen aufrecht zu erhalten...Unsere kleine aktuelle Materialsammlung "Das Wunder und der Alltag" vom 15. Oktober 2010.

Das Wunder von San José - und der Alltag in ganz Chile

Jetzt kündigte Präsident Pinera an, die Mine von San José werde dauerhaft geschlossen. Wenn aber jemand meint, vielleicht werde eben der Bergbau nicht mehr so wichtig genomen, so liegt er falsch: Bergbau ist und bleibt die wichtigste Branche der chilenischen Wirtschaft. Und der ist für die Bergleute am gefährlichsten in den kleinen und mittleren privaten Zechen. Noch am 04. Oktober 2010 kündigte die Regierung an, ein weiterer Teil der staatlichen Codelco-Kupferminenbetriebe werde privatisiert. Weswegen es dann doch auch nicht verwundert, wenn sich bereits am ersten Tag nach der Rettung zahlreiche neue kritische Stimmen melden.

a) Manifest für Arbeitssicherheit im chilenischen Bergbau

Eine übergewerkschaftliche Konferenz am Unfallort hatte bereits Ende August nicht nur Verantwortlichkeiten klar benannt, und einen Katalog anstehender Forderungen zusammengefasst, sondern in einem Manifest auch ein Plädoyer und konkrete Vorschläge für eine landesweite Sicherheitspolitik im Bergbau gemacht. Das "MANIFIESTO DE COPIAPO" externer Link pdf-Datei vom 29. August 2010 bei der ICEM (Internationale Föderation der Chemie, Energie und Bergbaugewerkschaften).

b) Bergarbeiterstreik: Im Schatten des Rummels für Arbeitssicherheit kämpfen

Als eines von einer ganzen Reihe möglicher Beispiele: Am "anderen Ende" Chile im Süden des Landes, gibt es gegenwärtig einen Streik - der 280 Gewerkschaftsmitglieder unter den 900 Beschäftigten von Subunternehmen, die nahezu die gesamte Belegschaft ausmachen - der neben der Auszahlung von ausstehenden Löhnen auch verbesserte Sicherheitsbedingunge zum Ziel hat - was aber weder die Kommerzmedien noch die Bürger insgesamt interessiert, wird in dem Bericht "La huelga de la minera austral opacada por el rescate de los 33" externer Linkvom 13. Oktober 2010 bei El Repuertero festgehalten...

c) Manchmal kommt es zutage...

...wie die wirklichen Verhältnisse sind. So etwa in "Helden der Unterwelt" externer Link von Wolfgang Kunath in der FR-Online vom 13. Oktober 2010, wo es heisst: "Dass über diese Idealisierung auch der verantwortlichen Politiker die bittere Realität in vielen Minen vergessen wird, liegt auf der Hand. Aber von niedrigen Löhne, dürftigen Sicherheitsvorkehrungen, miesen Arbeitsbedingungen will die Nation gerade nicht viel wissen".

d) Nicht eingeschlossen? - Keinen Lohn!

"Während die Bergungsarbeiten schneller als erwartet fortgeführt wurden und die Geretteten zu einer ersten ärztlichen Untersuchung in das Krankenhaus von Copiapó gebracht wurden, demonstrierten ihre Kollegen erneut außerhalb des um das Bergwerk errichtete Lager gegen das Betreiberunternehmen San Esteban Primera. Noch immer haben die Besitzer der Unglücksmine den Kumpeln, die sich bei der Katastrophe aus dem Stollen hatten retten können, die Gehälter und Prämien für die zwei vergangenen Monate nicht vollständig ausgezahlt, nur das Septembergehalt wurde einigen der Bergleute überwiesen" - eine der vielen Tatsachen aus dem Alltag chilenischer Bergarbeiter, die in dem Artikel "Chile jubelt" externer Link von André Scheer am 15. Oktober 2010 in der jungen welt angeführt werden.

e) 31 Tote dieses Jahr, 373 in zehn Jahren

Bergbau im Lande der Pinochets - nicht umsonst waren die Bergarbeiter die geschlossenste Unterstützung für Allende, denn im verstaatlichten Kupferbergbau gab es erstmals weitgehende sicherheitsvorschriften, die auch kontrolliert wurden - ist eine Knochenmühle und Pinochets Privatisierung war verbunden mit erhöhten Sicherheitsrisiko, was seitdem nicht revidiert wurde. Ausführlicher Hintergrund in "Chile: "milagro", mineros y codicia" externer Link von Ricardo Bajo am 13. Oktober 2010 beim Pulso Bolivia

f) Omnipräsenz der Regierung

"Die Bergungsaktion ist zugleich ein globales Medienereignis. Über 500 Sender aus allen Teilen der Welt verfolgen die seit Wochen vorbereitete Rettung der Minenarbeiter. Auch Präsident Sebastián Piñera war vor Ort, als der erste der Verschütteten an Tageslicht geholt wurde. Der rechtsgerichtete Politiker, der erst im März dieses Jahrs sein Amt angetreten hatte, muss sich in Chile jedoch auch den Vorwurf gefallen lassen, das Minenunglück politisch zu instrumentalisieren" - aus dem Artikel "Chile: Rettungseinsatz als PR-Kampagne" externer Link von Harald Neuber am 13. Oktober 2010 bei telepolis.

g) 900 Zechen werden stramm kontrolliert. Von 18 Arbeitsinspektoren...

Bei aller Kritik, die britische (nicht nur) Linke an der BBC zu recht haben, fällt wieder einmal auf, wie sie in Kontrast zu vergleichbaren bundesdeutschen Medien berichtet - mit Hintergrund. Die Situation der Bergleute weltweit - die 1 Prozent der weltweit beschäftigten Arbeiter ausmachen, aber 8 Prozent aller Arbeitsunfälle erleiden - wird dabei ebenso einbezogen, wie eben die gesamte Entwicklung im Bergbau Chiles, im Bericht "The dangers of mining around the world" externer Link von Olivia Lang am 14. Oktober 2010 bei den BBC News.

Zusammengestellt von hrw


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