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Updated: 18.12.2012 16:00 |
Zufall? Nur die öffentlich gebauten Straßen hielten Stand...Absicht? Zwei Drittel aller Schlagzeilen haben das Thema "Plünderungen" Nur kurz nach der Katastrophe auf Haiti ein noch heftigeres Erdbeben in Südchile. Aber: Weniger Slums bedeuten weniger Todesopfer. Und: Es gibt mehr Kanäle, über die die Ereignisse jenseits der kommerziellen Berichterstattung in der Welt bekannt gemacht werden können. Während letztere programmgemäß Plünderungen als Hauptthema behandeln, geht es in unserer aktuellen Materialsammlung "Selbstorganisation hilft" vom 04. März 2010 um eben diese Erfahrung. Nach dem Erdbeben: Selbstorganisation hilft Die erste offizielle Reaktion war: herunterspielen. Klar werde man - die Regierung - Betroffenen helfen, aber die menschlichen und sachlichen Schäden seien relativ gering, so zunächst der Ton, man benötige keine ausländische Hilfe, das Problem wurde schnell als ein anderes identifiziert - Plünderer. Inzwischen hat sich - nach der Bergung von über 800 Toten und der allseits sichtbaren Unfähigkeit, Hilfeleistungen zu organisieren - die Haltung gewandelt. Der Artikel "Chile Says Rebuilding May Cost Tens of Billions of Dollars" von GINGER THOMPSON und MARC LACEY in der New York Times vom 02. März 2010, in dem über den Besuch von US-Außenministerin Clinton bei Nochpräsidentin Bachelet berichtet wird, signalisiert diesen Schwenk: Jetzt wird internationale Hilfe sofort angenommen, zumal der Unterschied zu Haiti ist, dass Chile bekanntlich eine funktionierende eigene Armee hat, also keine Entsendung von US-Soldaten nötig ist. Der Beitrag "Repression nach der Katastrophe" der companer@s am 02. März 2010 bei indymedia gibt einen guten Überblick über die Entwicklung der "Katatsrophenbewältigung" durch die chilenische Regierung - und macht sehr deutlich, dass die Katastrophe die Armen sind, die ums Überleben kämpfen. (Dort gibt es auch noch eine Reihe weiterführender Links). Der Artikel "La naturaleza recuerda que Chile continúa siendo un país empobrecido" von Andrés Figueroa Cornejo bei rebelion.org am 02. März 2010 macht einen Grundzug der bestehenden Situation deutlich, wie er auch in der kritischen Berichterstattung insgesamt hervorgehoben wird: die Spaltung der Gesellschaft, die Marginalisierung der Armen, die Veramung eines Teils dessen, was so oberflächlich Mittelklasse genannt wird. Dies machen auch zahlreiche Berichte deutlich, die über die Selbstbewaffnung in besseren Mittelklassegebieten berichten. Der Beitrag "Chile quake: Locals with guns stand guard in Concepcion" von Jimmy Langman am 03. März 2010 bei GlobalPost veröffentlicht ist dafür repräsentativ, insofern als beispielsweise der Besitzer eines Gasflaschenvertriebs zu Wort kommt. Die Bürgermeisterin, Walmart und die Plünderer Einen Versuch, die Hintergründe dieser "Explosion an Plünderungen" herauszuarbeiten wird in dem Beitrag "Chile earthquake: Why do people loot?" von Stephen Mulvey am 02. März 2010 bei den BBC-News gemacht - indem auf verschiedene Arten von Plünderungen eingegangen wird und unterstrichen, dass es sich in dem Fall Chiles vor allem um kollektive Plünderungen handelt, die aus direkter Not geboren wurden. So wird beispielsweise in dem Bericht "La odisea de una noche de vigilia" von Carlos Vergara vom 03. März 2010 bei der argentinischen Zeitung La Nacion die Erfahrung dieses Korrespondenten dargestellt, der mehr oder weniger freiwillig in eine Bürgerwehr - in Santiago (!) - eingegliedert wurde und auf die dann niemals gesichteten Plünderer warten musste. Hauptziel der wirklich stattgefundenen Plünderungen waren auch keineswegs Privathaushalte wie viele hysterisch gewordenen besser gestellte Menschen sofort befürchteten, sondern Supermärkte - vor allem die Lider-Kette im Besitz von Walmart. Und natürlich vor allem in der Region um Concepcion - auch wenn weite Teile des Landes, auch im Mittelteil, ohne Gas, Strom und Wasser bleiben. Die Bürgermeisterin von Concepcion hatte dann auch sehr schnell Treffen mit den Vertretern der Supermarktketten, die als erstes massiv von Polizeikordons umgeben wurden - erst daraufhin wurden auch kleinere Geschäfte zum Objekt der Nahrungsbeschaffung. Was etwa in dem Bericht "Chile: private property and the rule of law take priority over human life in the post-earthquake chaos" von Caiman del Barrio am 02. März 2010 bei libcom.org deutlich wird. In dem Beitrag "Tras la catástrofe natural, el desastre social" der Strömung Clase contra Clase vom 02. März 2010 bei rebelion.org wird genau diese Entwicklung, vom Erdbeben zur sozialen Katastrophe nachgezeichnet - beispielsweise in der schlichten Tatsache begründet, dass es beim Bemühen um die Wiedernormalisierung der Grundversorgung von Wohngebieten eindeutige Klassenpräferenzen gab und weiterhin gibt - Armenviertel sind immer noch abgehängt. Die Versuche der Selbstorganisation In dem Artikel "On the situation in southern Chile: self-organisation of proletarians in the face of catastrophe, lumpen capitalists and state incompetence" ebenfalls von Caiman del Barrio am 03. März 2010 bei libcom.org (die Übersetzung eines anonymen Berichts) werden die Versuche, die Selbsthilfe qua Selbstorganisation zu bewerkstelligen ausführlich geschildert. Auch die Aufrufe sozialer Bewegungen spiegeln dieses Bemühen wieder, etwa "Enfrentar el terremoto con la ética y la acción" des Movimiento de los Pueblos y los Trabajadores, der am 02. März 2010 bei rebelion.org dokumentiert wurde, oder in "Solo el pueblo ayuda al pueblo. Campaña de Solidaridad Popular" in der Red comunicacional Correo de los Trabajadores am 02. März 2010, ein Aufruf, den unter vielen anderen die Sindicato Nacional de Trabajadores de la Construcción y el Montaje (SINTEC) und die Confederación General de Trabajadores - CGT Mosicam unterzeichnet haben. Auch auf der Gegeninformationsseite Hoomodollars ist mit der Zusammenstellung "Sobre el Terremoto, la ruina de la sociedad de clases ,la generalización del saqueo" seit dem 28. Februar 2010 sehr viel kritisches Material verfügbar, das auch Selbstorganisationsversuche umfasst. Die MIR hat eine Erklärung publiziert, in der diese Entwicklungen auf den Punkt gebracht werden "Die Enteignung der Enteigner ist das Recht des Volkes !" heisst diese Erklräung - in deutscher Übersetzung am 03. März 2010 bei der Linken Zeitung erschienen. Darin wird auch festgehalten, dass eben die öffentlich gebauten Straßen resistent waren - im Gegensatz zu privatisierten... ...und die Armee war schon da Tausende von Soldaten einschliesslich der Marine (deren Autorität allerdings gewaltig angekratzt wurde, denn sie behauptete noch, die Gefahr eines Tsunami bestünde nicht, als schon die ersten Dörfer im Wasser versunken waren) waren bereits anwesend: Die Gegend um Concepcion und den BioBio Fluss ist Mapuche-Gebiet und die gelten in Regierungskreisen aller Parteicouleur als "gefährlich", weil sie sich in den letzten Jahrzehnten organisiert zur Wehr gesetzt haben gegen die ewige Repression. In dem Beitrag "Análisis telúrico-social del terremoto en Chile" von Profesor J am 01. März 2010 bei Clajadep-LaHaine werden die Auswirkungen des Erdbebens genau in diesen Zusammenhang der Repression des Kampfes der Mapuche gestellt und eine generelle Bestandsaufnahme der sozialen Lage in der Region geleistet. Dabei unterstreicht der Autor, dass die Situation unter anderem deswegen so besonders zugespitzt ist, weil Bürgermeisterin Jacqueline van Rysselberghe - gewählt als Vertreterin der Rechtsaußen Partei UDI (Koalitionspartner des neugewählten Präsidenten Pinera und erklärtermaßen Pro-Pinochet Partei) stets nur die Konfrontation kennt. Einen aktuellen Überblick über die Lage in den Mapuche-Gemeinden leistet der Bericht "Chile: Comunidades mapuches frente al terrible terremoto" von JFando Serey am 02. März 2010 bei Prensa Indigena. Zusammengestellt von hrw |