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Updated: 18.12.2012 16:00 |
Der chilenische Berlusconi? Der modernisierte Pinochet? Nun haben sie gewählt: Rechts. P - nicht wie Pinochet, sondern wie Pinera. Dessen erste "Amtshandlung": Haßtiraden gegen Venezuela. Wie kam es dazu und welche Perspektiven enstehen - damit befasst sich unsere aktuelle Materialsammlung "Pineras Wahlsieg" vom 22. Januar 2010. Pineras Wahlsieg Ein "Schlag für die Linke" ist das Ergebnis der Präsidentenwahl in Chile, schreibt Johannes Schulten in dem gleichnamigen Artikel vom 20. Januar 2010 in der "Jungen Welt". Darin wird der Kandidat der von der KP im ersten Wahlgang unterstützt wurde, jorge Arrate wie folgt zitiert: "Der auch von den Kommunisten unterstützte linke Präsidentschaftskandidat Jorge Arrate machte das seit 20 Jahren regierende und nun abgewählte Mitte-Links-Bündnis »Concertación« für die Rückkehr der Rechten an die Regierung verantwortlich. »Ich glaube, es gab einen Prozeß des fortschreitenden Niedergangs der >Concertación<«, schrieb Arrate in einer ersten Stellungnahme. Er verwies auf den zunehmenden Einfluß »moderater« Strömungen in der »Concertación«, die kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Linken gehabt hätten. Für das Linksbündnis schloß er jegliche Art von Absprachen mit der neuen Regierung aus. »Wir werden keine Linke sein, die ihre Banner aufgibt. Wir werden in die Opposition gehen«. Der unterlegene Kandidat der »Concertación«, Eduardo Frei, hatte hingegen dem Wahlsieger eine konstruktive Zusammenarbeit angeboten". 20 Jahre nach dem ungestraften "Abgang" des obersten südamerikanischen Marktwirtschaftlers und nach 10 Jahren sozialdemokratischer Präsidentschaft ist in Chile die Rechte wieder am Ruder - zum ersten Mal seit zwei Generationen per Wahl. Und, zum ersten Mal überhaupt hat die Rechte mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erreicht - 51,6% im zweiten Wahlgang am 17. Januar 2010. Auf der anderen Seite: Viel hatte der Rechten an Stimmen zum Wahlsieg bei allen Wahlen nach Pinochet nie gefehlt, maximal um die 5%, und die politische Partei der Pinochetnachfolge, die Unión Demócrata Independiente (UDI) gehört unbestritten zu den etablierten politischen Kräften Chiles. Die Concertacion, die Allianz von Christdemokraten und Sozialdemokraten, die das Land die letzten 20 Jahre regiert hatte, mit Lagos und Bachelet mit zuletzt zwei PräsidentInnen der PS, hat auf der anderen Seite mit ihrer Politik im Stile von New Labour Teile ihres Anhangs verprellt und ist ohnehin zunehmend als reine Machterhaltungsallianz betrachtet worden - auch die Ergebnisse des ersten Wahlgangs im Dezember 2009 hatten darauf verwiesen, als Pinera mit deutlichem Vorsprung Gewinner war und der jetzt in der Stichwahl unterlegene Eduardo Frei der Concertacion nur wenig mehr Stimmen bekam (29%) als der "Ausbrecher" aus dem eigenen Lager Marco Enríquez-Ominami (20%) - und der Kandidat der Traditionslinken Arrate noch einmal 6% erreichte. Bei all diesen Ergebnissen sollte nie vergessen werden, daß sich über 30% der insgesamt rund 12 Millionen Wahlberechtigten nicht in die Wählerlisten eintragen liessen, wie in dem Artikel "El lado oscuro de la elección chilena" von Ernesto Carmona vom 15. Januar 2010 bei ALAI festgehalten wird. Von den Wahlberechtigten hat Pinera unter 30% der Stimmen bekommen. Und die Zahl der ungültigen Stimmen - rund eine viertel Million - verweist darauf, dass nicht Wenige dies bewusst getan haben, ist doch diese Zahl höher, als der Stimmunterschied zwischen beiden Kandidaten der Stichwahl. Schuldzuweisungen... ...haben angesichts dieser Ergebnisse Hochkonjunktur - rein rechnerisch hätten diese Stimmen zusammen ja für eine Mehrheit gereicht, wenn Frei sie alle bekommen hätte - angesichts der von ihm verfolgten Politik in seiner eigenen Präsidentenzeit (bis 2000) allerdings von vorneherein unwahrscheinlich - sein strikt neoliberaler Kurs hatte ihn keineswegs zu einer Alternative zu der Rechten gemacht. In dem Artikel "La derecha reconquista La Moneda con Sebastián Piñera" von Mario Amorós, am 18. Januar 2010 bei rebelion.org veröffentlicht wird einerseits diese skizzierte Wahlanalyse ebenfalls nochmals kurz ausgeführt, andrerseits die zentralen Projekte der Rechten an der Regierung aufgeführt: keine Verfassungsreform, keine Änderung des Arbeitsgesetzes (beides aus Pinochets Zeit), faktische Amnestie für Pinochets Leute, zumindest Teilprivatisierung des Kupferbergbaus und weitere Privatisierungen. Die Kontinuität zur neoliberalen Militär-Wirtschaftspolitik, die in den letzten 20 Jahren praktiziert wurde und für die ganz speziell Frei stand, wird in dem Beitrag "Entre la fin de la Concertation et le « néopinochetisme »" von Emir Sader, am 18. Januar 2010 beim cetri nachgezeichnet. Sader hat auch den Beitrag "O Berlusconi chileno" am 18. Januar 2010 bei kaosenlared verfasst, in dem Pineras Position als Besitzer - unter anderem - zweier Fluglinien und eines Fußballclubs Ausgangspunkt seiner Bewertung sind. Dass die Ausgangslage für die bisher regierende Allianz prekär war, hatte auch und nicht zuletzt damit zu tun, dass die Arbeitsbeziehungen für viele Menschen prekär sind: Eine offizielle Studie des Arbeitsministeriums hatte Ende 2009 festgehalten, dass 60% aller arbeitenden ChilenInnen eine Anstellung "niederer Qualität" haben, wird in dem redaktionellen Bericht "Chile: El 60% de los chilenos tiene un empleo de baja calidad según estudio oficial" vom 7. Januar 2010 bei Argenpress unterstrichen. Die politische und weltanschauliche Basis des rechten Wahlsiegs werden in dem Beitrag "Pinochet nunca se fue de Chile, como tampoco Franco de España" von Pedro Echeverria am 19. Januar 2010 bei kaosenlared herausgearbeitet: er verweist dabei insbesondere darauf, dass Eduardo Frei in seiner ersten Amtszeit dem ehrenwerten Herrn Pinochet den Status eines Senators auf Lebenszeit zugesprochen habe... Soziale und politische Bewegungen Der Gewerkschaftsbund CUT, der zur Wahl Freis aufgerufen hatte - "CUT Oficializa Apoyo a Eduardo Frei" meldete Chile Sindicatos am 7. Januar 2010 - sieht eine "komplizierte Situation voraus", wie es in dem Beitrag "Sindicatos de la minera estatal Codelco en alerta" vom 20. Januar 2010 in der Wirtschaftszeitung Cronista gemeldet wird. Die chilenische MIR - weit davon entfernt, sie mit jener Kraft gleichzusetzen, der einst von vielen am ehesten zugetraut worden war, den Militärputsch zu verhindern - hatte eindeutig Position bezogen, nicht zur Wahl zu gehen, wie es in dem Interview "Entrevista a la Secretaria General del Movimiento de Izquierda Revolucionaria, compañera Mónica Quilodrán" von El Rebelde am 9. Dezember 2009 unterstrichen worden war. Quilodran verwies in diesem Gespräch auf die reale Bilanz der Concertacion als Hauptbegründung für diese unter der radikaleren linken verbreiteten Auffassung. Die "DECLARACIÓN PÚBLICA" der Vereinigung der Angehörigen verschwundener Gefangener vom 19. Januar 2010 unterstreicht zum einen, die Kontinuität einer Politik der Amnesie und versucht zum anderen Pinera beim Wort zu nehmen, als er sich im Wahlkampf gegen eine Amnestie ausgesprochen hatte. Die rund 1 Million Wahlberechtigte unter den indigenen Bürgern waren auch Gegenstand der Werbung beider Kandidaten, enthielten sich aber jeglicher Empfehlung unter Verweis auf die mit diversen Regierungen gemachten Erfahrungen und die Weigerung beider sich um eine Debatte über eine entsprechende Verfassungsänderung einzulassen, sowie die antiterroristischen Gesetze abzuschaffen, mit denen vor allem gegen den Widerstand der Mapuche vorgegangen wird, wird in dem BBC-Bericht "La Lucha Mapuche y el Proceso eleccionario en Chile" vom 17. Januar 2010 betont. Eine ganze Reihe von Beiträgen versucht schliesslich, die Bedeutung des rechten Wahlsiegs für ganz Süd- bzw Lateinamerika zu analysieren, abzusehende Partnerschaften mit kolumbien und Peru auf dem Südteil, bis hin zum nun etablierten Putschistenregime in Honduras in Mittelamerika. Von einem radikal linken Basisbewegungenbezug aus tut dies Profesor J in seinem Beitrag "Análisis de la coyuntura chilena y continental" vom 12. Januar 2010 bei clajadep-LaHaine. Zusammengestellt von hrw |