letzte Änderung am 4. Nov. 2002

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Hintergrund der GBI - Herbstkampagne 2002

In der letzten Woche vor Ablauf der Friedenspflicht, wurde am 25. März 2002 der Durchbruch bei den Verhandlungen um eine Frühpensionierung in der Schweizerischen Bauwirtschaft geschafft. Es wurde eine Vereinbarung über die Eckwerte des Flexiblen Altersrücktritt (FAR) erzielt. Vorangegangen waren monatelange, zähe Verhandlungen und die Mobilisierung der Bauarbeiter durch die GBI. Ein Arbeitskampf im Schweizerischen Bauhauptgewerbe stand im Frühjahr kurz bevor. Die Entschlossenheit der GBI und ihrer Mitglieder führte schliesslich zum einlenken der Arbeitgeber, einem festen Zeitplan zur Einführung der Frühpensionierung zuzustimmen. Dies geschah eine Woche nach der beeindruckenden Manifestation am 16.03.2002 Bern, bei der über 10'000 Bauarbeiter ausdrücklich Ihre Bereitschaft erklärten, notfalls auch für ihre Forderung zu Streiken. Die Vereinbarung wurde im April dann vom Schweizerischen Baumeisterverband (=SBV, Bauarbeitgeber der Schweiz) der SGB-Gewerkschaft Bau & Industrie (GBI), sowie der Syna (einem neuen Zusammenschluss vorwiegend christlicher Gewerkschaften) ratifiziert.

In den darauffolgenden Monaten wurde ausgehend von den vereinbarten Eckwerten, eine Zusatzvereinbarung zum Landesmantelvertrag (LMV - in der BRD etwa ein Manteltarifvertrag in dem aber neben den Arbeitsbedingungen auch der Lohn geregelt ist, daher die Zusatzvereinbarung), sowie die Unterlagen für den Flexiblen Altersrücktritt (GAV-FAR [GAV=Gesammtarbeitsvertrag ist ein Tarifvertrag], Reglement FAR, Stiftungsurkunde) von den Experten der Vertragsparteien gemeinsam ausgearbeitet.

Am 27. Juni 2002 verweigerte dann die SBV Delegiertenversammlung Ihre Zustimmung zu den ausgearbeiteten Unterlagen, welche auf der Grundlage der auch von ihnen ratifizierten Vereinbarung vom März ausgearbeitet wurden. Die Termingerechte Einführung wurde somit blockiert.

Die Hardliner haben im SBV die Macht übernommen! Für jene war die Vereinbarung eines früheren Altersrücktritt gegen den allgemeinen Trend hin zur längeren Lebensarbeitszeit ohnehin ein ideologischer Dorn im neoliberalen Auge. Sie bevorzugen einen vertragslosen Zustand mit Ungewissheit und gegenseitigem Lohndumping, ein Problem wie auch die strukturelle Krise im Baugewerbe. Bei jedem Konkurs entstehen hier mit den günstigen gebrauchten Baumaschinen neue, noch kleinere Firmen. Und in der SBV Delegiertenversammlung hat eine Firma eine Stimme unabhängig von wirtschaftlicher Bedeutung oder Mitarbeiterzahl.

Die grossen Firmen wollen den Vertrag, viele kleine, vor allem in der Innerschweiz (um den Vierwaldstätter See herum) versuchen nun jedoch mit aller Macht die Einführung zu verhindern. Sie tun so als ob unsere Vereinbarung vom 25.03.2002 ein unverbindliches Diskussionspapier wäre und wollen über wichtige vereinbarte Punkte neu verhandeln. Die Koppelung des Inkrafttretens des FAR an die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit öffnet den kleinen Betrieben der Innerschweiz jedoch Tür und Tor zur Verschiebung auf den St. Nimmerleinstag indem sie ständig neue Einsprachen einlegen können.

Am 18. September wurden dann die Ausgearbeiteten Verträge erneut von der SBV Delegiertenversammlung auf Eis gelegt. Daraufhin wurde von der GBI Berufskonferenz des Schweizerischen Bauhauptgewerbes (das Parlament der Bauarbeiter) am 21. September der Vertragsbruch der Arbeitgeber festgestellt und beschlossen gegebenenfalls auch Kampfmassnahmen zu ergreifen, da durch den Vertragsbruch des SBV die Friedenspflicht nicht mehr gelte.

Der Rückweg der Bauarbeiter vom Tagungsort der Berufskonferenz zum Bahnhof wurde zum Demonstrationszug durch die Berner Innenstadt, bei dem sich die Delegierten der Berufskonferenzen von GBI und SYNA vereinten. Im Laufe des Oktobers gab es dann zahlreiche Streikaktionen auf ausgewählten Baustellen in vielen Teilen der Schweiz, so z. B. der erste Streik im Engadin seit 1913 im verschneiten St. Moritz. Ausserdem wurden Betriebe von Hardlinern blockiert und Flugblattaktionen durchgeführt.

Am 4. November findet nun ein nationaler Streiktag im Baugewerbe statt, jedoch nicht zu verwechseln mit einem Generalstreik. Ziel ist nicht die gesamte Baubranche der Schweiz lahmzulegen, sondern an einigen wichtigen ausgesuchten Punkten zu streiken.

Ständig aktualisierte Informationen zu den Streikaktionen gibt es auf der Internetseite der GBI: www.gbi.ch. Dort finden Interessierte auch verschiedene Dokumente zum herunterladen.

David Zenth
1.11.2002

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