letzte Änderung am 22. August 2003

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Vorgezogene Wahl der neuen IG Metall Führung Ende August in Frankfurt

Es gilt, daraus auch Lehren in der Schweiz zu ziehen

Erst die bittere Streik-Niederlage in der ehemaligen DDR, dann die offen ausgetragenen Machtkämpfe und persönlichen Anfeindungen. Nun heisst es, Schadensbegrenzung mit der Wahl der neuen - alten – Doppelspitze an den Vorgezogenen Wahlen vom 29. - 31. August 2003 in Frankfurt. Man muss aus der Niederlage für künftige Konflikte nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland die Lehren ziehen und zu einer sachlichen Argumentation zurückfinden, sich nicht in Lager aufspalten lassen, sondern gemeinsam eine neue zukunftsfähige Handlungsbasis entwickeln.

Streik-Niederlage in Ostdeutschland

Eine wirklich bittere Niederlage ist das, was Klaus Zwickel am Samstag den 27. Juni 2003 vor der Presse verkündete. Die IG Metall Kapituliert – die grosse IG Metall beendet den vierwöchigen Arbeitskampf in Ostdeutschland um die Gleichberechtigung in der Arbeitszeit ohne Ergebnis. Doch das ist nicht nur das Ende der Emanzipation der Arbeitnehmenden der ehemaligen DDR mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland um gleiche Arbeitsbedingungen, nein es geht weit darüber hinaus. Nicht nur, dass die Arbeitnehmenden in den neuen Bundesländern auch weiterhin Arbeitnehmende zweiter Klasse sein werden, viel schlimmer ist, dass nun das letzte bisschen Vertrauen in die Gewerkschaft, auf Solidarität und gemeinsames Erreichen einer besseren Welt gestorben ist; ebenso gestorben, wie der Flächentarifvertrag, denn in einigen mitgliederstarken Betrieben wurde die 35 Stundenwoche auf Betrieblicher Ebene vereinbart.

So hoffnungsvoll und im europäischen Massstab Signal gebend der Sieg der GBI für die Einführung der Frühpensionierung mit 60 Jahren am Bau ist, welche dem allgemeinen Trend des Abbaus sozialer Errungenschaften entgegensteht, so frustrierend und deprimierend ist die Niederlage der IG Metall gegenüber dem wild wucherndem Neoliberalismus in Ostdeutschland. Dies sei uns allen in Europa eine Warnung nicht nur für die Osterweiterung der EU, denn die ehemalige DDR ist seit einiger Zeit kapitalistische Spielwiese für eine Transformation von der Solidargemeinschaft hin zur "Megamarktwirtschaft" ohne störende sozialen Einflüsse mehr.

Warnung für die gründliche Planung von Arbeitskämpfen

Dass Streik kein Sonntagsspaziergang ist wissen wir. Doch dass ausgerechnet die IG Metall eine so schwere Niederlage erlitt, hat mich überrascht – schliesslich hatte ich in der IG Metall die Grundlagen des Arbeitskampfes gelernt.

Nicht immer wenn ein Streik politisch zwar notwendig wäre kann man diesen auch durchziehen. Es ist besser eine Provokation im Raum stehen zu lassen als mit einem verlorenem Streik nachher vor einem Scherbenhaufen zu stehen, den man in absehbarer Zeit nicht mehr hin bekommt. Streiken müssen die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb oder auf der Baustelle, die Gewerkschaftsfunktionäre können nicht streiken, nur die Leute vor Ort unterstützen, wie dies beispielsweise im November 2002 für die Frühpensionierung im Baugewerbe, auf den Alptransit Baustellen in Ferden und Amsteg, oder bei Rutz Kaminbau der Fall war.

Wir dürfen auch nicht auf den vergangenen Erfolgen vertrauend vorschnell zum Streik aufrufen ohne die Lage sicher genug einschätzen zu können, gerade in der Schweiz wo dies viel schneller und formloser geht.

Versuchte Spaltung der IGM

Genüsslich stürzte sich die bürgerliche Presse auf den personalisierten Streit im IG Metall Vorstand. Vor allem um Jürgen Peters, den sehr auf seine eigene Person bedachten Stellvertreter von Klaus Zwickel und dessen Ringen um die Führung. Schnell wurden in der Presse die Lager aufgebaut: Peters der Traditionalist gegen Berthold Huber den Mordernisten. Doch weder ist Peters der letzte Hüter alter Werte noch Huber der Verräter der linken Tradition. Huber geht vielmehr pragmatisch an die Sache heran und versucht das maximal mögliche herauszuholen, wie auch Peters weiss, dass eine veränderte Arbeitswelt veränderte Strategien erfordert. Sie sind verschiedene Persönlichkeiten und auch kann man sich streiten ob es sinnvoll ist ausgerechnet Peters nach dem gescheiterten Streik zum 1. Vorsitzenden wählen zu lassen aber Fraktionsbildung währe das falsche Signal.

Die Industriegewerkschaft Metall ist nach den Erfahrungen der Faschistischen Verfolgung ganz bewusst als Einheitsgewerkschaft gegründet worden. Ein Betrieb, eine Gewerkschaft in der alle Arbeitnehmenden vereint sind, gleich ob Arbeiter oder Angestellter, Produktion oder Administration, nach Branchen gegliedert. Ganz bewusst sind auch die politischen Strömungen in der Einheitsgewerkschaft zusammengeführt worden, dies aus der Erfahrung vor der Diktatur als man sich gegenseitig befeindet hat, anstelle gemeinsam gegen den eigentlichen Feind aktiv zu werden.

Zukunftsdebatte jetzt seriös führen

Der mit dem Zukunftskongress bereits begonnene Dialog um die zukünftige Ausrichtung der IG Metall muss jetzt seriöser denn je geführt werden. Hierbei dürfen in den Arbeitsgruppen ruhig die fetzen fliegen, aber bitte sachlich und argumentativ. Am Ende wird es eine mehrheitsfähige Stossrichtung geben, welche dann wiederum in Einheit verfolgt werden muss. Es gilt sich in der veränderten Arbeitswelt zu plazieren, wobei die exakte Formulierung der Worte im Possitionspapiers nicht das wichtige ist: ob man sich nun in der "Mitte" plaziert oder als linke Alternative zur spezialdemokratischen neuen Mitte anbietet. Wichtig wird sein wieder konsequent eine solidarische Gewerkschaftspolitik für die Arbeitnehmenden gegenüber Arbeitgebern und Neoliberalen Regierungen zu verfolgen!

Diese parallele können wir nun direkt auch zu SMUV und GBI weiterführen. Auch wir dürfen uns nicht in öffentlichen auf Personen ausgerichtete Fügelkämpfe einlassen, das würde nur die Arbeitgeber und Bürgerlichen freuen. Auch wir müssen eine seriöse Grundsatzdiskussion führen und die UNIA zukunftsfähig als solidarische handlungsfähige Interessenvertretung der Arbeitnehmenden positionieren – Parteipolitisch unabhängig, aber nicht unparteiisch, sondern immer die Partei der Arbeitnehmenden und ihrer Familien ergreifend.

 

David Zenth, Mitarbeiter des GBI Zentralsektretariats, Mitglied der IG Metall seit 1989

(Der Artikel gibt die Meinung des Autors wieder und ist weder mit IGM noch mit der GBI abgestimmt)
dze / 19.08.2003

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