Home > Internationales > Brasilien > emenda | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Gegen "Emenda 3" - und ein Volk von "selbstständigen" Elenden Die Unternehmer sind dafür, die Medien auch - und die Mehrheit der Abgeordneten. Die Gewerkschaften - alle Gewerkschaften - sind dagegen, und Präsident Lula hat sein Veto eingelegt gegen die verabschiedete Emenda 3. Was unter einem neutralen Namen daherkommt, bedeutet eine grundlegende Umwidmung der Arbeitswelt: Prinzipiell soll damit jede Arbeitsbeziehung von einem Beschäftigungsverhältnis in ein Vertragsverhältnis verwandelt werden, Auseinandersetzungen wären dann Sache eines Zivilprozesses. Und während die Medienleute "überraschenderweise" gerade jetzt entdecken, dass das Vetorecht des Präsidenten vielleicht eine Art Einschränkung der Demokratie wäre - was ihnen etwa 1964 folgende nie eingefallen ist - mobilisieren die Gewerkschaftsverbände zum Widerstand. Dazu der Beitrag "Kampf gegen Emenda 3 - Gegen Verschlechterung von Arbeitsverträgen und gegen Scheinselbständigkeit" sowie eine Solidaritätserklärung und ein Soliaufruf an den DGB von der Hattinger Tagung Gewerkschaftliche Brasilienarbeit vom 3. Juni 2007. Kampf gegen Emenda 3 - Gegen Verschlechterung von Arbeitsverträgen und gegen Scheinselbständigkeit Zurzeit tobt in Brasilien ein heftiger Kampf um eine zentrale Veränderung der Arbeitsbeziehungen. Rechte Unternehmerkreise und Medienunternehmen haben vor einiger Zeit eine Gesetzesänderung in die beiden Kammern eingebracht. Bei den ersten Abstimmungen haben viele Abgeordneten aus dem rechten Lager zugestimmt. Darauf hat der Präsident Lula von seinem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht und ein Veto eingelegt. Eine zweite Abstimmung soll ein anderes Ergebnis bringen. Worum geht es? Es geht formal um die Verschiebung der Kontrolle über Arbeitsverträge vom Arbeitsministerium hin zur Justiz, die ja bekanntermaßen der Elite sehr zugetan ist. Inhaltlich soll die Veränderung vor allem die bereits praktizierte Möglichkeit festlegen, dass Unternehmen mit Einzelpersonen Verträge abschließen können. Diese arbeiten dann für die Unternehmen, ohne dass diese die geltenden Rechte von Beschäftigten respektieren müssen. Mann nennt diese Leute oder Einrichtung: „Pessoas juridicas“ - „PJs“. Das Unternehmen bestimmt durch den Vertrag (quasi von Unternehmer zu Unternehmer), was der kontraktierte Selbständige zu tun hat, auch zu welchen Bedingungen (wie viel in welcher Zeit) er die Arbeit zu erledigen hat. Alle Rechte eines regulär eingestellten Arbeiters oder Angestellten entfallen: Urlaub, 13. Monatsgehalt, Sozialversicherung, Zuschuss für Essen und Anfahrten zum und vom Betrieb etc etc. In der Industrie und auch in der Landwirtschaft droht eine erdrutschartige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Gegenwehr Gegen diese Emenda 3 haben die Gewerkschaften mächtigen Widerstand angekündigt und auch bereits durchgeführt. Am 10. April organisierten sie einen nationalen Aktionstag. Die Verschiedenen Gewerkschaftszentralen bildeten ein Aktionsbündnis. Selbst CONLUTAS, der neue kritische oppositionelle Dachverband hat die Aktion unterstützt. In den großen Fabriken der Automobilindustrie ruhte die Produktion. Die Belegschaften von DaimlerChrysler marschierten zusammen mit den KollegInnen der Zulieferfabrik Mahle ins Zentrum von Sao Bernardo. Ähnliches geschah in Fabriken der Chemieindustrie und anderen. Banken waren geschlossen, Busfahrer legten den Verkehr lahm. 300 000 protestierten landesweit, um das Veto Lulas zu unterstützen und die Emenda 3 zu verhindern. Die Medien haben die massiven Aktionen so gut wie totgeschwiegen. Kein Wunder. Denn in diesem Bereich ist diese neue Art der Beschäftigung bereits sehr verbreitet. Nach dem gelungenen Aktionstag haben die Gewerkschaften bereits neue Mobilisierungen angekündigt. Das Wort „Generalstreik“ macht die Runde. Für den 23. April waren weitere Aktionen im ganzen Land geplant. An diesem Aktionstag waren vor allem die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe aufgerufen. In Sao Paulo fuhr morgens zwischen 4 Uhr 30 und 6 Uhr 30 kein Bus, keine Metro. Die ArbeiterInnen der Energiebetriebe schlossen sich den Aktionen an, ebenso die Ölarbeiter, die sich vor den Raffinerien zum Protest versammelten. Auch die Gewerkschaft der Landarbeiter (CONTAG) mobilisierte ihre Anhänger. Im Staate Rio Grande do Sul waren 50 000 aus verschiedenen Branchen auf den Beinen. So wollten die Gewerkschafter Druck ausüben auf die Abgeordneten, damit diese gegen die Emenda 3 stimmen. Am 23. Mai wurde erneut mobilisiert. Landesweit kam es zu vielerlei Aktionen u.a. vor den zentralen Verwaltungshäusern der Arbeitgeberverbände wie FIESP in Sao Paulo., zu Märschen und Blockaden. Die konservative Mehrheit im Parlament drängt aber weiter auf Realisierung der Emenda. Die Gewerkschaften sind in der Zwischenzeit dazu übergegangen, alle Abgeordnete, die mit ja stimmen würden, öffentlich zu machen und sie anzuklagen. Sollte die Gesetzesänderung durchgehen, dann werden die Gewerkschaften zu einem mehrtätigen Generalstreik aufrufen. Andere sind der Ansicht, eine solche Aktion sollte schon vor der entscheidenden Abstimmung durchgeführt werden. Erklärung An die Gewerkschaften in Deutschland Lieber Kollege Sommer, Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Brasilien nahmen vom 1. bis 3. Juni 2007 an der Tagung „Gewerkschaftliche Brasilienarbeit“ des DGB – Bildungswerkes in Hattingen teil. Sie rufen die deutschen Gewerkschaften dazu auf, den Kampf der brasilianischen Gewerkschaften gegen die so genannte Emenda 3 zu unterstützen und gegen die unsozialen Bestrebungen, wodurch Arbeitsbedingungen zu ungunsten von Beschäftigten verändert werden, zu protestieren.Nach der Emenda 3 können Unternehmen mit Einzelpersonen Verträge abschließen, ohne dass diese die geltenden Rechte von Beschäftigten respektieren müssen. Dadurch entfallen bei den Einzelvertrags – Selbständigen alle Rechte regulär Eingestellter wie: Urlaubsgeld, 13. Monatsgehalt, Sozialversicherung, Zuschüsse für Essen und Anfahrt usw.Auch deutsche Unternehmen könnten in ihren Werken in Brasilien diese Entwicklung ausnutzen. Dies könnte zudem Anreiz sein, die Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten in Deutschland entsprechend zu verschlechtern.Gegen die Emenda 3 haben die Gewerkschaften in Brasilien bereits massiv protestiert, bis hin zu Arbeitsniederlegungen und Straßenblockaden. Am 10. und 23. April sowie am 23. Mai wurde landesweit mobilisiert. Weiterer Druck, auch international, ist notwendig.Wir stehen an der Seite unserer brasilianischen Kolleginnen und Kollegen und ihrer Forderung: „Weg mit der Emenda 3“. Hattingen, 3. Juni 2007 ViSPR: Fritz Stahl, Langstr. 11 – 13 , 68169 MANNHEIM Solidaritätserklärung An die CUT und andere Gewerkschaften in Brasilien Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung „Gewerkschaftliche Brasilienarbeit“ des DGB Bildungswerkes in Hattingen vom 1. bis 3. Juni 2007 – es waren Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Brasilien anwesend – unterstützen Euren Kampf gegen die Emenda 3. Auch wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Deutschland kämpfen immer mehr gegen die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen. Deshalb ist Euer Kampf auch unser Kampf. Wir stehen an Eurer Seite! Hattingen 3. Juni 2007 |