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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Appelle an die Einheit waren vergebens Wie 2003 und wie kürzlich in Ecuador ist die bolivianischen "Verstaatlichungsbewegung" lediglich in der Einsetzung eines neuen (in diesem Falle offiziell Übergangs-) Präsidenten gemündet - und der Ansetzung von Neuwahlen zum Jahresende. Die Tagung des nationalen Ausschusses der Gewerkschaftsföderation COB machte die Spaltungslinien innerhalb der Gewerkschaftsbewegung deutlich - sowohl jene zu den Gewerkschaftern, die im Wirtschaftszentrum Santa Cruz sozialpartnerschaftlich die Loslösungsbewegung des Bürgertums unterstützen, als auch den politischen Streit, der in der Forderung nach Rücktritt des Generalsekretärs Solanas seinen Höhepunkt hatte. Eine kommentierte Materialzusammenstellung vom 22.Juni 2005. Betrachtet man die Ereignisse in Bolivien im Juni 2005 und will zunächst in diesem Zusammenhang die ideologischen Debatten ausklammern und reale Kräfteverhältnisse verstehen, sollte mensch zuerst nach Santa Cruz, dem heutigen Wirtschaftszentrum des Landes schauen. Die Santa Cruz Fraktion Kein Zufall ist es, dass die "modernen Kapitalisten" aus der Region Santa Cruz gleichzeitig mit ihrem "Internationalismus" und ihrer "Modernität" nicht nur ihre Option "Loslösung" von Bolivien betreiben (bzw "Autonomie", da gibt es Varianten) sondern auch die traditionellste politische Lösung für ganz Bolivien in petto hatten: Den Senatspräsidenten Vaca Diez, der die Position am weitesten auf der Rechten des traditionellen Spektrums innehat. Und der eigentlich, laut Verfassung der legitime Nachfolger des zurückgetretenen Präsidenten Mesa gewesen wäre (da dieser ja bereits Vizepräsident war und dementsprechend ein solcher nicht mehr vorhanden). Dass Vaca Diez nicht "übernehmen" konnte, verdankt sich zum einen dem Volkswiderstand - er gehört zu den am meisten verhassten Politikern des Landes. Er war aber auch für die traditionelle politische Kamarilla eine Herausforderung. Dass seine Position trotzdem stark ist (und bleibt) ist keineswegs nur Ergebnis seiner Unterstützung durch die Elite der Region. Tatsache ist auch, dass ein grosser Teil der sozialen Organisationen des Bezirks Santa Cruz unter dem Einfluss der Autonomiepolitiker stehen. In grossen Teilen Boliviens haben die "Juntas Vecinales" die Stadtteilorganisationen bzw Nachbarschaftsvereinigungen eine mehr oder minder progressive Position in der Auseinandersetzung eingenommen. Die juntas des Bezirk Santa Cruz stehen aber - seit über einem Jahrzehnt - unter der Leitung von Rodolfo Landivar, der nicht nur Mitglied des Crucenischen "Autonomiekomitees" ist, sondern auch die Finanzierung und personelle Besetzung der Strukturen bestimmt bzw beeinflusst. Ein anderer JV-Repräsentant eines Stadtteils von Santa Cruz, Wilfredo Zurita ist gleichzeitig Generalsekretär eben jener Union Juvenil Crucenista die die militante Agression gegen Landarbeiter des Bezirks betrieb, die auch hier Strassenblockaden begannen. Ein Einfluss, der selbstverständlich auch etwas über die eigentliche Region Santa Cruz hinausreicht, wie die gesamte Santa Cruz Fraktion zwar dort ihren Kern und ihre Kraft hat, aber keineswegs nur auf die Region beschränkt ist. Gleiches trifft im übrigen auch für die Gewerkschaften in Santa Cruz zu. Die COD von Santa Cruz steht schon lange unter der Leitung von Gabriel Helbing, auch er ein Vertreter der "Autonomie". Seine Machtbasis ist - neben der Finanzierung durch die Stadtverwaltungen der Region - vor allem die Bauarbeitergewerkschaft und sein Diktat so offensichtlich, dass zum jüngsten regionalen Gewerkschaftskongress all jene gewerkschaftlichen Kräfte, die auf der Seite der Bevölkerung stehen - wie die Gewerkschaftsföderation der Landarbeiter und die im höheren Erziehungswesen - zum Boykott aufriefen, der auch befolgt wurde. Zerissenheit der Gewerkschaften Die erweiterte Sitzung des COB-Vorstandes am 17. Juni 2005 hatte neben den generellen Thematik "Einschätzung der Lage und der Perspektiven" vor allem einen Punkt der Auseinandersetzung: Wird die 'Forderung nach dem Rücktritt von generalsekretär Solanas erhoben oder nicht? Als Ergebnis blieb, dass der ordentliche COB-Kongress im August 2005 dies entscheiden solle. Wenn aber die frage des Rücktritts des Generalsekretärs - für viele Exponent jener zahlreichen politischen Strömungen und organisatorischen Gruppierungen die auf eine "nicht-parlamentarische" Lösung setzen - zu einem Hauptgegenstand der Debatte wird, ist dies schon Indiz dafür, dass es heftige Auseinandersetzungen gibt. Die Rücktrittsforderung war von der Bergarbeitergewerkschaft und der Lehrergewerkschaft erhoben worden: zwei grosse Gewerkschaften innerhalb der COB, die zudem die mobilisierungskräftigsten während der Juni-Auseinandersetzungen waren. Die Mehrheit lehnte die Rücktrittsforderung ab: nicht prinzipiell, sondern um sie auf dem Kongress zusammen mit einer Gesamteinschätzung der Lage zu diskutieren. Zugespitzter Grund war Solanas Aussage, er würde auch eine "patriotische Militärdiktatur" unterstützen. Dieser Streitpunkt reflektiert - wenn auch wohl mehrfach gebrochen - eine zugrunde liegende Auseinandersetzung nicht nur um den Putschismus, sondern eben auch um den Nationalismus in der Bewegung. Vor dem Hintergrund der ohnehin existierenden Zerrissenheit - vor allem, aber längst nicht nur - in der Landarbeiter und Kleinbauernbewegung und ihren Organisationen zwischen dem Weg der parlamentarischen Linken um Evo Morales und grossen Teilen der MAS und derjenigen aus diesen Sektoren, die verfassungsgebende Volksversammlungen organisieren wollen, wie etwa Felipe Quispe, einer der Sekretäre der (gespaltenen) Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia (CSUTCB), ist die Zerrissenheit der Gewerkschaftsbewegung ein ganz entscheidender Faktor dafür gewesen, dass es auch im Juni 2005 "nur" dazu gereicht hat Mesa zu stürzen, Vaca Diez zu verhindern, aber nicht dazu, neue gesellschaftliche Strukturen zu schaffen. Zusammengestellt von Helmut Weiss aus einigen Telefonaten mit Aktivisten vor allem der Bergarbeitergewerkschaft und folgenden Quellen: 1. "Econoticias Bolivia" 2. "Agencia Bolpress" 3. "Indymedia Bolivia" 4. "Argenpress" 5. "Clajadep-LaHaine"
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