Home > Internationales > Bolivien > pasena
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Der nächste Präsident weg?

Zehntausende protestieren in La Paz seit Tagen, noch viel mehr ziehen in Kolonnen auf die Stadt zu. Der Unternehmerverband lässt Präsident Mesa fallen, die Polizei meutert und die Abgeordneten suchen ihren geflohenen Parlamentspräsidenten. Aber viel geeinter als im letzten Jahr ist die Opposition nicht - Evo Morales und Teile seiner MAS lassen keine Gelegenheit aus, die COB-Gewerkschaftsföderation als "Abenteuerer" zu bezeichnen. Jetzt - wie in ziemlich alten Tagen - ziehen Bergarbeiter nach La Paz, die Bergarbeitergewerkschaft hat gerufen. Ein kurzes Telefoninterview mit Duarte Pasena, Bergarbeitergewerkschafter aus El Alto vom 2.Juni 2005:

Duarte, geht jetzt Mesa auch?

Ich weiss es natürlich nicht, aber es sieht so aus - wenn schon die Unternehmer, die ihn ja an die Macht gebracht haben, nicht mehr wollen, wenn die Polizei anfängt zu meutern, das sieht nicht gut für ihn aus.

Und was würde das in Bolivien ändern? Ich meine, Präsidenten verjagen ist ja bei Euch eine Art Volkssport geworden, oder?

Das würde so alleine gar nichts ändern. Aber das sehen heute ganz viele so, deshalb ist die ganze Bewegung heute anders als in den letzten Jahren seit Goni verschwunden ist. Unsere Gewerkschaft hat nach der Kungelei im Parlament Anfang Mai eine Erklärung verabschiedet, wie ich sie noch nicht verabschiedet hatte, radikal, eindeutig - und es ist ja oft so gewesen, dass verschiedene politische Kräfte versucht haben, einen Keil zwischen die COB und uns zu treiben - nicht immer erfolglos, übrigens.

Du sprichst von der MAS und Evo Morales?

Nein, nicht von der MAS, nur von Don Evo und seinen Leuten, die sind nicht die ganze MAS.

Dann sag mir doch mal einen Kernsatz aus euerer Erklärung, wenn Du darin einen wesentlichen Fortschritt siehst.

Ich sage dir sogar zwei:a) Die FEDERACION SINDICAL DE TRABAJADORES MINEROS DE BOLIVIA erklärt: das einzige Ziel der politischen Auseinandersetzung heute ist die Verstaatlichung der Energievorkommen, und b) die FEDERACION SINDICAL DE TRABAJADORES MINEROS DE BOLIVIA fordert den sofortigen Rücktritt des gesamten korrupten Parlaments. Reicht dir das?

Ja eindeutig - aber wie sieht es mit den anderen Teilen der Bevölkerung aus?

Nun, keiner hat den ganzen Überblick, wie auch. Aber Tatsache ist, dass La Paz weitgehend abgeschnitten ist, nur noch nach Norden gehts es raus. Und es werden ab dem Wochenende auch der Flughafen und die restlichen Straßen blockiert - und Straßenblockaden gibt es heute wesentlich mehr, als es sie im letzten Jahr gab, viel mehr durchs ganze Land verteilt.

Duarte, ich habe Zeitungsartikel gelesen, die besagen, die Erhebung von El Alto sei weniger radikal als im vergangenen Frühjahr - siehst Du das auch so?

Nein, das sehe ich gar nicht so - eben gerade weil sehr viel mehr Menschen heute wissen, dass Mesas Rücktritt alleine keine Lösung ist. Und fürs ganze Land sehe ich das erst recht nicht so: Niemals waren die Aktionen so verbreitet wie diesmal - wenn du dir die Blockaden und Kundgebungen anschaust, die ländlichen Organisationen sind so stark vereint wie nie, und etwa die Straßenblockaden in allen Provinzen werden unter anderem von den Lehrern und Lehrerinnen sehr stark mitorganisiert und getragen, das ist in diesem Ausmaß neu. Und besonders wichtig ist: Auch in Santa Cruz gibt es jetzt eine Volksbewegung - es ist dieses Mal eben nicht so, dass die Crucenos sozusagen alle hinter dem dort lebenden Bürgertum, das die Sezession will stehen.

Was hältst Du davon, dass kolportiert wird, Mesa und die Kapitalisten von Santa Cruz wollten eine Intervention der Organisation der Amerkischen Staaten und vor allem Brasiliens, mindestens mit den Ziel, sozusagen international kontrollierte Enklaven zu schaffen?

Ja das haben wir lange diskutiert in der FSTMB: Das ist zum einen ein Zeichen der Schwäche - sie meinen, oder Teile von ihnen meinen, sie können nicht mehr ganz Bolivien für sich retten. Intervention ist zum zweiten die Politik der USA - allerdings können sie das nicht selbst machen. Also wäre Brasilien ein Kandidat, unverbraucht als imperiale Macht sozusagen - und die Petrobras ist an unseren Vorkommen ja nun auch interessiert. Und meine persönliche Meinung ist, dass eine Intervention Brasiliens, mit welchen konkreten Zielen auch immer, durchaus auf Unterstützung auch jener Kräfte zählen könnte, die den ganzen gesellschaftlichen Prozeß in parlamentarischen Bahnen halten wollen - wir treten für eine Volksversammlung ein, die direkt gewählter VertrerInnen aller Städte und Dörfer umfasst. Wir brauchen keinen bolivianischen Lula, das ist vorbei.

(Interview von hrw)


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang