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Updated: 18.12.2012 15:51
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Drei Mächte im Land und ein neuer Präsident

Nach dem Rücktritt von Carlos Mesa spitzt sich die Auseinandersetzung in Bolivien weiter zu: Zu Massendemonstrationen und Strassenblockaden kommt jetzt die Besetzung von Ölfeldern als Widerstandsform hinzu - die der BP und der spanischen Repsol sind schon besetzt. Drei politische Varianten stehen sich jetzt gegenüber: die extreme Reaktion, die den berüchtigten Senatspräsidenten Vaca Diez (wie es der "Rangfolge" entspricht) als neuen Präsidenten haben wollen (ersatzweise den gleichgearteten Parlamentspräsidenten, der Verfassung nach zweiter möglicher Kandidat), der bereits angekündigt hat, in diesem Fall mit "eiserner Hand" für Ordnung zu sorgen. Diejenigen - quer durch verschiedene Klassen - die möglichst schnell Neuwahlen wollen (und bis dahin den obersten Richter Rodriguez als Übergangspräsidenten, dritter in der "Rangfolge"), wie die katholische Kirche des Landes, die MAS von Evo Morales und einige traditionelle linke Gruppierungen - die sich in der Nacht zum Freitag gegen erstere durchgesetzt haben, und Neuwahlen im November angesetzt. Und diejenigen, die im Lauf der Woche angefangen haben "Volksversammlungen" zu bilden, und auf ein neugewähltes Parlament pfeifen, allen voran der Gewerkschaftsbund COB und die Bergarbeitergewerkschaft FSTMB, die Mehrzahl der Nachbarschaftsvereinigungen und die Föderation derjenigen Baurnverbände, die nicht der MAS folgen. Die gekürzte deutsche Zusammenfassung "Drei Mächte im Land" einer Analyse der "Econoticias Bolivia"vom 8. Juni 2005, ergänzt um aktuelle Informationen vom 10. Juni 2005.

Drei Kräfte kämpfen um die Macht im Land

Hormando Vaca Diez, Parlamentspräsident und der Verfassung folgend, Nachfolger eines zurückgetretenen Präsidenten (da kein Vize mehr da ist - der war schon Präsident) ist bisher nur durch einen Gesetzesentwurf (der im Gesetzgebungsprozess stecken blieb) aufgefallen: Straffreiheit für US-Soldaten in Bolivien zu verankern...Um ihn sammeln sich die reaktionärsten Kräfte des Landes, die die Volkserhebung mit Gewalt beenden wollen.

Aus Angst vor Bürgerkrieg und Blutbad, die Vaca Diez mit sich bringen würde, sind die Katholische Kirche, die MAS, liberalere Sektoren des Bürgertums, inklusive der Spitzen des Unternehmerverbandes dafür, dass Eduardo Rodrigues, Oberster Richter Boliviens Übergangspräsident werden soll, mit dem einzigen Ziel, Neuwahlen zu organisieren. Das hatte selbst der zurückgetretene Präsident Mesa vorgeschlagen - ebenfalls aus Angst vor Vaca Diez, dessen (einst sozialdemokratischze) MIR schon den Diktator Banzer (bei dessen zweiter Amtszeit) unterstützte.

Das Parlament hat sich vor den Blockaden und Protesten von La Paz nach Sucre zurückgezogen, wo in dieser Woche zwischen Diez und Rodrigues entschieden werden soll - zwischen Repression und Neuwahl, unter Mobilisierung aller denkbaren Unterstützung - und auch bereit einen auf Neuwahlen festgelegten Wahlsieger Evo Morales zu akzeptieren.

Die US-Botschaft und die (politisch gespaltene) bolivianische Armee neigen zu Vaca Diez, fürchten aber das Risiko eines Bürgerkriegs und wären auch mit Rodrigues einverstanden.

Weiter im Wachsen begriffen sind die Vertreter des "dritten Wegs" - der Gewerkschaftsbund COB, insbesondere die (stärksten) Gewerkschaften der Bergarbeiter und der Lehrer, die Föderation der Nachbarschaftsvereinigungen und die Bauernorganisation der Region La Paz. Sie haben begonnen im ganzen Land Volksversammlungen einzuberufen, deren Zentrale in El Alto liegt. Die "Grosse Nationale Volksversammlung" muss das Parlament ersetzen, so in einem Aufruf die Bergarbeitergewerkschaft.

Ein Weg der vor grossen Schwierigkeiten steht: Nicht nur weil er von Teilen der "Rodrigues-Kirche-Morales" Fraktion beständig als Abenteuerertum bezeichnet wird, sondern vor allem, trotz der grössten Demonstration der bolivianischen Geschichte (400.000 in La Paz) weil es an Einheit fehlt und die Frage der Gewalt bisher undiskutiert geblieben ist und dementsprechend keinerlei entsprechende Schritte unternommen wurden. Viele, die diese Position vertreten, glauben dass gigantische gewerkschaftliche Mobilisierungen ausreichen.

Der Original-Beitrag "TRES FUERZAS DISPUTAN EL PODER EN BOLIVIA" externer Link bei Econoticias Bolivia.

AKTUELL

In der Nacht zum Freitag ist die Entscheidung zwischen den beiden "parlamentarischen Wegen" innerhalb weniger Minuten gefallen: Das Parlament, das in einer Stadt tagte, in der vor Tränengasschwaden nichts mehr zu sehen war (worüber sich gar die Korrespondentin von CNN Espanol beklagte), nahm den Verzicht der Präsidenten von Senat und Parlament auf den Posten an und Rodriguez wurde gewählt. Der nunmehr Expräsident Mesa und Evo Morales (mit langem staatsmännischem Auftritt bei CNN USA) sollen eine entsprechende Wahlallianz getroffen haben. Die Nachrichtenagentur "Bolpress" externer Link berichtete, auch die US-Botschaft (in ständiger Verbindung zu Mesa) habe zuletzt diese Variante Rodriguez unterstützt. Alle Fernsehsender, sei es der USA, Mexikos oder Brasiliens porträtieren Evo Morales als demokratischen Linken, die "dritte Kraft" taucht dort nicht auf, es sei denn als Bedrohung.

Morales und die MAS hatten vor einiger Zeit noch eine Kampagne gegen Rodriguez geführt, weil sie dessen Wahl zum Obersten Richter als inszeniert und nicht verfassungsgemäß betrachteten - Rodriguez ist dem Clan des Expräsidenten (Mesa-Vorgängers) Sanchez Llosada familiär verbunden. Siehe den entsprechenden (spanischen) Bericht bei "Indymedia Bolivien" externer Link.

Währenddessen gehen sowohl die Blockaden und Demonstrationen und Besetzungen von Ölfeldern weiter, als auch die Versuche, Volksversammlungen als Alternative zum Parlament zu organisieren. Vertreter der Bergarbeitergewerkschaft sagten am frühen Freitagmorgen am Telefon "Gonis Vetter ist keine Alternative" (Goni ist der Schimpfname für Expräsident Llosada) - gemeint ist Rodriguez.

(Zsfsg von hrw)


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