letzte Änderung am 27. Juni 2002 | |
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Am Dienstag, den 25. Juni, begannen die KollegInnen des Postbus den ersten 48-stündigen Streik in der Unternehmensgeschichte. Dies ist nach dem 29. Mai (24h) der zweite Streik gegen die Privatisierung durch die Regierung bzw. deren Infrastruktur- und Finanzminister Reichhold und Grasser (beide FPÖ).
Der Postbus mit rund 3000 MitarbeiterInnen, davon 2643 LenkerInnen, stellt vor allem im ländlichen Raum den Großteil des Öffentlichen Verkehrs. 500.000 Menschen sind von ihm abhängig. Der bereits erfolgten Umwandlung in eine AG soll nun die Fusion mit den ÖBB (Bundesbahnen) und sodann der Verkauf des lukrativsten Drittels an die drei größten privaten Busunternehmen folgen. 1000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel; den kündigungsgeschützten BeamtInnen stehen Versetzungen (z.B. in andere Bundesländer) ins Haus. Neue KollegInnen sind schon jetzt mit einer Schlechterstellung im Arbeitsrecht und bei der Bezahlung konfrontiert.
Für die bisherigen österreichischen Verhältnisse stellt dieser Arbeitskampf eine neue Qualität dar. Die völlig träge und passive ÖGB-Führung konnte diesen Kampf nicht - wie z.B. so oft bei Post, Bahn und LehrerInnen - abwiegeln. Die Stimmung unter der Belegschaft ist klar: Wird der Kampf nicht auf den gesamten Öffentlichen Dienst ausgeweitet, wird die Regierung gewinnen. Das ursprüngliche Streikziel wurde ebenso deutlich formuliert: "Streik gegen Privatisierung". Der Arbeitskampf als legitimes Mittel erringt sich wieder - nach jahrzehntelanger Abstinenz - eine Tradition. Dafür verantwortlich ist auch die internationale Streikwelle. Der Betriebsrats-Vorsitzende, Kollege Wurm bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass wir eine französische Streiktradition brauchen.
Die Protest-Aktionen mit der Blockade des Wiener Rings und Kundgebungen vor Parlament und Infrastruktur-Ministerium wurden von vielen PassantInnen und AutofahrerInnen applaudierend begrüßt. Die ÖGB-Führung setzte einen "ruhigen" Ablauf der offiziell als "Trauerzug" bezeichneten Proteste durch. Ein Interview mit dem Chef des ÖGB, Verzetnitsch, beinhaltete lediglich eine Kritik an der Form der Privatisierung. Viele Arbeiter wären jedoch bereit gewesen, so viel Lärm wie nötig zu machen und auch den Slogan "Streik gegen Privatisierung" in die Öffentlichkeit zu transportieren. Österreichweite fuhren nur etwa 40 von 1600 Bussen, 68 FahrerInnen liessen sich als Streikbrecher einsetzen.
Der "Streik" in den letzten Jahren vom Unwort zur relativen Normalität gewandelt. Die 2001 gegründete Unabhängige Bildungsgewerkschaft (UBG) trägt hier ihren Anteil. Nachdem die Führung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst eine 82%-Urabstimmung für Kampfmassnahmen schlicht ignoriert hatte, gründeten LehrerInnen eine eigene Formation, mit der sie einen Streik vorbereiteten, der am 2. Mai 2002 über ein Drittel der LehrerInnen des westlichsten Bundeslandes Vorarlberg auf die Strasse brachte. An diesem Beispiel orientieren sich auch KollegInnen beim Postbus.
Der Streik hat, ohne seinen genauen Ausgang am heutigen Tage vorhersagen zu können, die Passivität der österreichischen ArbeiterInnenbewegung ein weiteres Stück in die Vergangenheit gerückt. Nötig wäre eine Ausweitung zu einem bundesweiten Generalstreik zur Verteidigung des Öffentlichen Dienstes - gegen jede Privatisierung und Sozialabbau!
Wir leiten gerne Soli-Adressen an die Postbus-KollegInnen weiter.
Wien, den 27. Juni 2002
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