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Updated: 18.12.2012 16:00 |
Hasta la victoria siempre Alix Arnold über aktuelle Entwicklungen bei Zanón In der besetzten Kachelfabrik Zanón produzieren die Arbeiter seit mehr als drei Jahren in Selbstverwaltung. Sie konnten mehrere Räumungsversuche abwehren (siehe auch express 3/04 und 8/04). Das Ende des Konkursverfahrens und eine mögliche Legalisierung stehen in Kürze an. Jetzt werden die Arbeiter mit schmutzigen Methoden angegriffen: Es gab Morddrohungen und Überfälle. Alix Arnold berichtet über Hintergründe und den Stand der Auseinandersetzung. In der Nacht zum 26. Februar hinterließ ein anonymer
Anrufer auf dem Anrufbeantworter des Privattelefons von Raúl Godoy
eine Morddrohung gegen ihn, seine Freundin und Alejandro López.
Raúl und Alejandro sind Sprecher von Zanón und in der Leitung
der örtlichen Kachelarbeitergewerkschaft SOECN (Sindicato de Obreros
y Empleados Ceramistas de Neuquén). Hinhaltetaktik – öffentliche Hetze – anonyme Angriffe Die Fabrik Zanón befindet sich in Neuquén (Patagonien), einer Provinz, deren Gouverneur Sobisch als Hardliner gilt. Provinz-Innenminister Manganaro hat in einer öffentlichen Rede vor neueingestellten Polizisten Ende letzten Jahres die Arbeiter von Zanón als Lügner, Betrüger und Gesetzesbrecher angegriffen, und von Seiten der Provinzregierung gab es eine neue Räumungsdrohung gegen die besetzte Fabrik. Zanón hat als einziger der 160 besetzten Betriebe in Argentinien bisher keinerlei Legalisierung erreicht. Im Februar hätte der Konkurs der Firma erklärt werden sollen. Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass der Betrieb der von den Zanón-Arbeitern gegründeten Kooperative FaSinPat (Fábrica sin Patrones – Fabrik ohne Chefs) überlassen würde. Stattdessen hat der Konkursrichter das »Cram-Down«-Verfahren eröffnet: Die Fabrik wird für Investoren zum Kauf ausgeschrieben. Den Arbeitern wird damit ebenfalls »angeboten«, als Investoren aufzutreten und die Fabrik zu kaufen. Zu diesem Thema fand am 18. Februar im Hof der Fabrik eine der Vollversammlungen statt, bei denen sich die Arbeiter regelmäßig treffen, um eine gesamte Schicht lang zu diskutieren. Dort wurde das Cram-Down-Verfahren, das Spekulanten und Strohmännern Tür und Tor öffnet, sowie der Vorschlag, die Fabrik mitsamt der 170 Millionen Pesos Schulden zu übernehmen, einhellig verurteilt. In einer öffentlichen Erklärung haben die compañeros von Zanón klargestellt, dass sie mit den Schulden dieses Unternehmers nichts zu tun haben. Sie fordern stattdessen weiterhin, dass ihre Arbeiterselbstverwaltung anerkannt und dass die Fabrik endgültig enteignet und ihrer Kooperative zur Verfügung gestellt wird. Sobald die Ausschreibung eröffnet ist, wird es weitere Mobilisierungen der Zanón-Arbeiter geben – um eventuellen Investoren klar zu machen, dass sie mit dieser Fabrik und diesen Arbeitern nichts zu lachen haben werden. Sollte sich kein Investor finden, wäre der Weg frei für die Konkurserklärung und die Übernahme durch die Kooperative. Die Arbeiter von Zanón sind nach wie vor bereit, ihre Fabrik mit allen Mitteln zu verteidigen. Eine gewaltsame Räumung hätte unabsehbare Konsequenzen. Einen frontalen Angriff auf dieses Symbol kann sich der Staat kaum leisten. Aber anstatt die überfällige Legalisierung einzuleiten, wird das Konkursverfahren verzögert, und die Arbeiter sind mit Drohungen und Überfällen konfrontiert. Sie sehen diese schmutzigen Methoden als Teil der Eskalationsstrategie der Provinzregierung gegen die sozialen Bewegungen. Den Beginn der Repression datieren sie auf den November 2003. Damals ging die Polizei mit großer Brutalität gegen Arbeitslose vor, denen die Zanónarbeiter in einer stundenlangen Straßenschlacht zu Hilfe kamen. Mehrere Menschen wurden durch Gummigeschosse und sogar scharfe Munition verletzt. Der Zanónarbeiter Pedro Alveal verlor dabei ein Auge. Erst vor kurzem ist es den AnwältInnen der Zanónarbeiter gelungen, nach mehreren Einstellungen doch noch ein Strafverfahren gegen beteiligte Polizisten in Gang zu bringen. Wenige Tage vor der Morddrohung gegen die Zanónarbeiter
hatten zwei Justizbeamte, die für Kinder- und Jugendschutz zuständig
sind, ebenfalls telefonische Morddrohungen erhalten. Sie hatten sich gegen
eine Verschärfung der Gesetze gegen Jugendliche ausgesprochen, die
Innenminister Manganaro vorantreibt. Am 22. März kam bei der Gewerkschaft
der Justizangestellten ein Drohbrief an, der mit »Restaurations-Falange
von Neuquén« unterzeichnet war und auf die Militärdiktatur
anspielte: »Es lebe der 24. März« – der Tag des
Militärputsches 1976. Bei einer weiteren Arbeiterfamilie von Zanón
wurde im März ebenfalls eingebrochen. Gestohlen wurde nichts, aber
die Täter hinterließen eine verwüstete Wohnung und nahmen
Fotos der Kinder mit, die sie Tage später zerschnitten in den Briefkasten
der Familie schmissen. Si tocan a una, tocan a todas: Gemeint sind wir alle Nachdem zuerst bekannte Führungspersönlichkeiten
bedroht wurden, ist nun mehrfach die Frau eines Arbeiters angegriffen
worden, der keinerlei besondere Funktionen in der besetzten Fabrik ausübt.
Wenn die Täter damit sämtliche Arbeitern einschüchtern
wollten, haben sie sich verrechnet. Bei einem Diskussionstag in der Fabrik
über die Vorfälle haben die Arbeiter ihre Einheit und Entschlossenheit
bekräftigt. Die Entführte selbst hat sie aufgefordert, auf keinen
Fall in ihrem Kampf nachzulassen und sich durch diesen Überfall nicht
aufhalten zu lassen. In der über tausend Kilometer entfernten Hauptstadt Buenos Aires haben zeitgleich etwa zweihundert Leute zwei Stunden lang die Vertretung der Provinz Neuquén belagert. Nach dem Motto »Wenn sie einen angreifen, sind wir alle gemeint«, waren Delegationen von Arbeitern aus verschiedenen Betrieben gekommen. Besonders die Arbeiter der Textilfabrik Brukman wurden mit großem Applaus begrüßt. Brukman und Zanón standen anfangs gemeinsam für den radikalen Flügel der Betriebsbesetzer in Argentinien. Brukman wurde im April 2003 geräumt. Nach acht Monaten im Zelt auf der Straße gelang den Arbeitern die Rückkehr in die Fabrik, mit Hilfe eines peronistischen Anwalts. Die Mehrheit folgte dann seiner Linie: Arbeiter sollen sich um die Produktion kümmern, und nicht um Politik. Nur eine kleine Minderheit ging weiter auf die Straße, z.B. zur Unterstützung der Arbeiter von Zanón – und wurde dafür per Versammlungsbeschluss mit Lohnabzug bestraft. Am 8. März gab es einen Aufruf dieses Anwalts, zur Unterstützung eines anderen von ihm legalisierten Betriebes auf die Straße zu gehen. Die vorübergehende Enteignung der Kooperative Ghelco war juristisch angefochten worden, und ein solcher Präzedenzfall könnte Auswirkungen auf alle anderen »enteigneten« Betriebe haben. Die Dissidenten von Brukman schlugen daraufhin vor, nach der Ghelco-Demo gemeinsam zu der für Zanón zu gehen – und die Versammlung stimmte zu. So konnten sie am Abend vor der Demo bei einem großen Treffen im besetzten Vier-Sterne-Hotel BAUEN endlich einmal wieder eine Erklärung im Namen der Brukmanbelegschaft abgeben und bei der Demonstration mit großer Gruppe und Transparent erscheinen. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt auf dem Weg zur immer wieder lautstark beschworenen »Arbeitereinheit« in Argentinien. Die wird zur Zeit vor allem von den Arbeitern der Subte, der U-Bahn in Buenos Aires vorangetrieben. Diese haben letztes Jahr, mitten in der Krise, die Wiedereinführung des 6-Stunden-Tages wegen gesundheitsgefährdender Arbeit gefordert und mit Streiks durchgesetzt – gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokraten. Am 10. Februar haben sie mit weiteren Streiks eine 44-prozentige Lohnerhöhung erreicht. Das Beispiel könnte Schule machen, denn nach jahrelangen Lohnverlusten tauchen zur Zeit in vielen Betrieben Lohnforderungen auf. Gemeinsam mit den Zanón-Arbeitern und anderen haben die Subte-Arbeiter am 2. April in Buenos Aires ein Koordinationstreffen der antibürokratischen Kräfte organisiert, an dem mehr als tausend delegierte Arbeiter teilgenommen haben. Die Arbeiter von Zanón sind weiterhin bedroht und können Solidarität gebrauchen. Eine einfache Möglichkeit ist die internationale Online-Unterschriftensammlung, an der sich bereits fast 22000 Leute aus 75 Ländern beteiligt haben: http://www.petitiononline.com/zanon/petition.html Homepage der Arbeiter von Zanón und Kontakt: http://www.obrerosdezanon.org
Broschüre ›Eine Fabrik in Patagonien – Zanón gehört den Arbeitern‹ (Beilage zur Wildcat #68, Januar 2004) als pdf-Datei: http://www.wildcat-www.de/wildcat/68/w68_zanon.pdf Erschienen im express, Zeitschrift
für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 3/05 |